Warum wird es im Norden immer grüner?
- Potsdamer Computermodell erklärt Vegetationsänderung der letzten zwanzig Jahre
- Verantwortlich ist die Erwärmung der Atmosphäre.
Mit Hilfe eines Computermodells der globalen Biosphäre, welches größtenteils am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) entwickelt wurde, konnten Forscher nun erstmals Satellitenbeobachtungen seit Anfang der 1980er Jahre erklären, die zeigen, dass es im hohen Norden der Erde immer grüner wird. Zwar wechselten in den letzten 20 Jahren für die Vegetation günstige und ungünstige Jahre ab, doch insgesamt hat die Vegetation in Kanada, dem nördlichen Eurasien und in Sibirien zugenommen. Der Frühling beginnt immer früher und die Vegetationszeit verlängert sich. Über die Gründe dafür konnten bisher nur Vermutungen angestellt werden. Mit dem Computermodell, das in Kooperation mit Wissenschaftlern aus Jena, Boston (USA), Paris (Frankreich) und Lund (Schweden) entwickelt wurde, wurde nun gezeigt, dass die Satellitenbeobachtungen vollständig durch die Auswirkungen der Erwärmung auf die Vegetation der Region zu erklären sind.
In der amerikanischen Zeitschrift „Science“ (Ausgabe vom 31. Mai 2002) erläutert PIK-Forscher Wolfgang Lucht den Zusammenhang zwischen Klima und Satellitenbeobachtungen. Das Computermodell simulierte das Wachstum der Pflanzen in den nördlichen Breiten als Folge des Klimas. Hierzu wurden die zahlreichen, miteinander vernetzten Einzelprozesse der Pflanzenentwicklung, wie Photosynthese, Wasserhaushalt, Wachstum und jahreszeitliche Entwicklung berechnet. Die Schwankungen der Vegetationsdichte, die sich im Modell als Folge von Klimaschwankungen ergeben, stimmen mit den Satellitenbeobachtungen genau überein. Es kann daher kein Zweifel mehr daran bestehen, dass der Norden zunehmend grüner wurde, seit es dort (von 1982 bis 1998) um 0.8 Grad wärmer wurde. Berechnet man nämlich die Modellantwort mit einer konstanten Temperatur, so lassen sich die Beobachtungen nicht mehr erklären. Das Modell zeigt auch, dass aus diesem Grund die Blätter im Norden um mehrere Tage früher austreiben als zu Beginn der achtziger Jahre.
Der beobachtete Trend zu verstärkter Vegetationsaktivität erlitt 1992 und 1993 einen deutlichen Rückschlag, bevor er sich erneut fortsetzte. Der Grund hierfür ist der Ausbruch des Vulkans Mount Pinatubo auf den Philippinen im Juni 1991: Durch die Eruption wurden feinste vulkanische Partikel in der Stratosphäre so weit verteilt, dass es weltweit zu einer Abkühlung der Atmosphäre kam. Als Folge entwickelte sich dann die boreale Vegetation für zwei Jahre zurückhaltender als zuvor. Trotzdem hat die nördliche Biosphäre auch während dieser Periode das Treibhausgas Kohlendioxid gespeichert, was bisher nicht erklärt werden konnte. Das Computermodell zeigt nun, dass die Produktion der Pflanzen nach der Abkühlung zwar zurückging und damit weniger CO2 aufgenommen wurde – der Fluss von CO2 aus dem Boden hatte sich aber ebenfalls reduziert, so dass netto eine weitere Speicherung stattfinden konnte. Der Grund hierfür ist, dass bei niedrigeren Temperaturen die abgestorbenen Pflanzenteile langsamer zersetzt werden und so mehr Kohlendioxid im Boden verbleiben konnte.
Für die Bewertung des globalen Klimawandels und seiner Folgen sind solche Ergebnisse wichtig, denn die nördlichen Breiten machen fast ein Viertel der globalen Erdoberfläche aus. Ihre Vegetation, der boreale Nadelwald, wird während der langen Winter und den kurzen Sommern durch niedrige Temperaturen bestimmt. Deshalb reagiert dieser Teil der Erde auf Veränderungen des Klimas besonders schnell. Die Emissionen von Treibhausgasen durch die Verbrennung fossiler Brennstoffe wie Öl und Kohle, welche nach Meinung der Klimaforscher in den kommenden Jahrzehnten zu einer möglicherweise erheblichen Erwärmung der Erde um einige Grad führen wird, kann zu größeren Veränderungen in nördlichen Breiten führen. Es ist daher wichtig, die Reaktion der Pflanzen durch Beobachtung und Computermodellierung möglichst genau zu verstehen und daraus mögliche künftige Entwicklungen abzuleiten.
Die vorgestellten Forschungsarbeiten wurden u.a. vom Deutschen Klimaforschungsprogramm DEKLIM des Bundesministerium für Bildung und Forschung finanziert. Dieses fördert seit April 2001 eine fünfköpfige Forschergruppe am PIK. Für die kommenden Jahre ist geplant, die Wechselwirkung der Biosphäre mit dem Klimasystem, mit der menschlichen Nutzung der weltweiten Landoberfläche und mit dem globalen Wasserkreislauf in den Mittelpunkt der Arbeiten zu stellen.
Interviews:
Dr. Wolfgang Lucht (Wolfgang.Lucht@pik-potsdam.de ), Tel.: 27.05.-28.05.: 0179-1170-339, ab 29.05.: 0331-288-2533;
Prof. Dr. Wolfgang Cramer (Wolfgang.Cramer@pik-potsdam.de ), Tel.: 0331-288-2521 (nicht 27./28.05.).
Orginalartikel:
Lucht, W., Prentice, I. C., Myneni, R.B., Sitch, S., Friedlingstein, P., Cramer, W., Bousquet, P., Buermann, W. & Smith, B.: Climatic Control of High-Latitude Vegetation Greening Trend and Pinatubo Effect, Science.
Zu erhalten bei Science, zum Beispiel von Ginger Pinholster, Tel.: 202-326-6421, Fax: 202-789-0455.
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