Bonner Forscher rekonstruieren das Leben der Dinosaurier
Dieser Tage werden auf den Kinoleinwänden die Dinosaurier wieder lebendig. Aber zeigen die spektakulären Animationen wirklich, wie ein Dinosaurier-Leben aussah? Dieser Frage gehen Wissenschaftler am Institut für Paläontologie der Universität Bonn seit einigen Jahren nach. Dino-Forscher um Privatdozent Dr. P. Martin Sander bemühen sich, das gesamte Leben der riesigen, langhälsigen, langschwänzigen, vierfüßigen Pflanzenfresser, in Fachkreisen Sauropoden genannt, transparenter zu machen. Diese Tiere haben zusammen mit den Raubsauriern, den Theropoden, das Bild der Dinosaurier in der Öffentlichkeit geprägt. Das Interesse der Bonner Forscher gilt allen Stationen der Saurier-Biographie, von der Geburt über Ernährung und Wachstum bis zu ihrem Tod.
Wenn Dr. Sander in die bis über zwei Meter langen Oberarm- und Oberschenkelknochen der Urzeittiere kleine Löcher bohrt und Proben entnimmt, interessiert ihn besonders der Feinbau in der Knochenwand, denn sein Forschungsthema ist das Wachstum der Sauropoden. Er liest ab, wie schnell und wie lange die Tiere gewachsen sind. Dabei zeigt sich, dass diese Tiere ähnlich wie Säugetiere und Vögel in ihrer Jugend sehr schnell an Größe zugenommen haben. Anders als bei diesen hörten die Sauropoden aber nicht irgendwann auf zu wachsen, sondern sie wurden bis zu ihrem Tod immer größer. Zu einem bestimmten Zeitpunkt, möglicherweise dem Erreichen der Geschlechtsreife, verlangsamte sich die Größenzunahme.
Inken Mueller-Töwe und Christian Peitz widmen ihre Aufmerksamkeit den Eiern der Dinosaurier. Mueller-Töwe hat Dinosauriereier aus Sammlungen und Museen in ganz Deutschland zusammengetragen und in der Universitätsklinik mit einem Computertomographen durchleuchtet, der normalerweise in der Diagnosemedizin eingesetzt wird. Der Tomograph erlaubt es, in das Innere der Eier schauen, ohne sie zu zerstören. Dabei stellte die Forscherin fest, dass der Deckel der Schlupföffnung, durch die die Jungtiere das Ei verlassen haben, in das Innere der Eier zurückgefallen ist. Die Eier müssen demnach unter einer Bedeckung aus Sand oder ähnlichem gelegen haben, denn sonst wäre der Deckel nach außen gefallen.
Christian Peitz untersuchte mehrere Vorkommen von Dinosauriereiern aus dem Nordosten Spaniens. Durch die Analyse der Fundstellen stellte er fest, dass die Sauropoden in diesem Gebiet ihre Nistplätze über lange Zeit immer wieder aufsuchten, teilweise Tausende von Jahren lang.
Ioannis Michelis nahm an einer Grabung in Wyoming in den USA teil und untersuchte dort den Tod einer Sauropoden-Herde. Michelis fand heraus, dass sich die Tiere in der Trockenzeit um ein Wasserloch versammelten, das im Laufe der Zeit immer kleiner wurde. Als das Wasser knapp wurde, verteidigten die großen Tiere ihre Position in der Mitte des Wasserloches und verdrängten die kleineren Tiere an den Rand, die dort den Angriffen von Raubsauriern ausgesetzt waren. Schließlich starben auch die großen Tiere aufrecht im Schlamm stehend. Auch ihre Kadaver wurden von den Raubsauriern verschleppt.
Sabine Peitz untersucht die Reptilien, die sich mit den Sauropoden den Lebensraum teilten. An den von ihr bearbeiteten Fundstellen bei Hannover gibt es zwar keine Sauropodenknochen, doch haben diese Tiere als Beweis ihrer Existenz Fährten hinterlassen. Die Flussmündung, an der die Sauropoden entlang zogen, war von Schildkröten und Krokodilen bevölkert, die mit heutigen Formen zwar nicht näher verwandt sind, ihnen aber in Aussehen und Größe recht ähnlich gewesen waren. Vom Meer, das sich bis nach Skandinavien erstreckte, kamen ab und zu Plesiosaurier („Schlangenhalssaurier“) zu Besuch.
Oliver Wings studiert die Speisekarte der Sauropoden. Da diese Tiere zwar einen ungeheuren Nahrungsbedarf hatten, aber nur sehr kleine Zähne besaßen, die sich nicht zum Kauen eigneten, mussten sie ihre Nahrung im Magen zerkleinern. Zu diesem Zweck schluckten die Tiere Steine, die bei Ausgrabungen häufig im Bauch der Sauropoden gefunden werden. Wings vergleicht die „Magensteine“ der Sauropoden mit denen von Krokodilen und Vögeln (vor allem Straußen), die ihre Nahrung ebenfalls nicht kauen können.
Skelette von Sauriern und viele andere Fossilien können im Goldfuss-Museum, das dem Institut für Paläontologie der Universität Bonn angeschlossen ist, betrachtet werden. Das Museum ist werktags von 9 bis 16 Uhr, Sonntags von 13 bis 17 Uhr geöffnet. Nach vorheriger Anmeldung sind Führungen zu verschiedenen Themen möglich.
Ansprechpartner: PD Dr. P. Martin Sander, Institut für Paläontologie, Nußallee 8, 53115 Bonn, Telefon: 0228/73-3105, Telefax: 0228/73-3509, E-Mail: martin.sander@uni-bonn.de.
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