Wipfelsturm für die Forschung
Förmlich "auf´s Dach" werden zukünftig Wissenschaftler der Universität Leipzig und des Umweltforschungszentrums Leipzig-Halle sowie zahlreiche andere Projektpartner dem Leipziger Auwald steigen.
Mittel zum Zweck ist dabei ein 40 Meter hoher Kran, der im Nordwesten Leipzigs, im Naturschutzgebiet Burgaue, errichtet wurde.
In Mitteleuropa startet damit das dritte "Kranprojekt". Es ist jedoch insofern einzigartig, als es der erste Kran in einem artenreiche, naturnahen Wald ist, der auf einer Schiene (120 Meter) bewegt werden kann, was die in situ-Erforschung (im Kronenraum selbst) der Baumkronen auf 1,6 Hektar möglich macht.
Warum Forschung im Kronendach?
Wichtige Lebensvorgänge eines Wald-Ökosystems spielen sich in den Baumkronen ab. Beispielsweise finden dort zahlreiche Interaktionen zwischen Tieren und Pflanzen oder klimatische Prozesse an der Grenzschicht zwischen Kronendach und Atmosphäre statt. Über diese Prozesse ist bei einheimischen Wäldern bisher wenig bekannt. Weit besser untersucht sind dagegen die Baumkronen tropischer Regenwälder, die seit zirka 15 Jahren Gegenstand der Forschung sind und wo es mittlerweile einige Beobachtungssysteme (Leitern, Türme, Hängebrücken und Kräne) gibt.
Diese Lücke soll nun das Leipziger Projekt, das auf 10 Jahre angelegt ist, schließen. Der Leipziger Auwald weist eine besondere Eignung für die ökologischen Untersuchungen auf, da er naturnah und sehr struktur- und artenreich ist. Seine Stadtnähe ist nicht nur logistisch von enormem Vorteil, sondern eröffnet außerdem die Möglichkeit, mehr über seine Bedeutung für das Stadtklima zu erfahren. Ferner will man durch Langzeitmessungen und -beobachtungen der abiotischen (Klima, Boden) und biotischen Komponenten (Pflanzen, Pilze, Tiere) sowie deren Wechselwirkungen:
– neue Erkenntnisse zur ökologischen Funktion des Auwaldes gewinnen,
– die Reaktion der Bäume auf Schadstoffe aus der Umwelt besser verstehen,
– eine Einschätzung der Belastbarkeit des Waldes leichter ermöglichen,
– die Biodiversität des Auwaldes besser und im Detail quantifizierbar machen sowie
– die Bedeutung des Auwaldes für den Klimaschutz und die lokale Lebensqualität besser ein-schätzen lernen.
Ziel ist es, so viele Erkenntnisse wie möglich – ganz praxisnah – in Empfehlungen für die forstliche Nutzung und den Naturschutz einfließen zu lassen.
Die Wissenschaftler erwarten aber auch Antworten auf solch konkrete Fragen, wie:
– Wirkt der Luftschadstoff Ozon auf die Blätter im Kronenrandbereich anders als auf solche im Kroneninneren ?
– Haben Ameisen im Kronenraum des Auwaldes eine ähnliche Schutzfunktion wie im Kronen-raum des amazonischen Regenwaldes ?
– Haben Mutationen im Zellgewebe alter Bäume eine Bedeutung für die Überlebensfähigkeit der Nachkommenschaft ?
Was macht die Kranmethode so attraktiv?
Unter Leitung von Professor Wilfried Morawetz, dem Initiator und wissenschaftlichen Koordinator des Leipziger Projektes, wurde bereits 1995 am oberen Orinoko im Süden Venezuelas ein ähnliches Projekt (Surumoni-Projekt) durchgeführt, bei dem die Ökologie des Kronenraumes eines tropischen Regenwaldes im Mittelpunkt stand. Er fasst die Vorteile der "Kranmethode" wie folgt zusammen:
"Durch die Beobachtungsgondel können auch die äußersten Spitzen jedes Baumes, das Innere der Krone und auch unter Abschnitte weitgehend störungsfrei beobachtet werden. Tiere registrieren im allgemeinen die Gondel nicht als Störung oder Fremdkörper, da sie einen Kran in ihrer evolu-tionären Entwicklung nicht "einprogrammiert" haben."
Auch inhaltlich ist ein Vergleich zwischen beiden Projekten möglich, da "Auwälder unter den Waldtypen Mitteleuropas zu den Biotopen zählen, die dem Regenwald am ähnlichsten sind", so Morawetz.
Kosten des Projektes
Finanziert wird das Projekt vom Umweltforschungszentrum Halle-Leipzig – die Installation des Krans und die vorbereitenden Arbeiten kosteten zirka 700.000 DM. Der Kran wurde von der Firma Liebherr (Bieberach) gesponsort und das Gelände von der Stadt Leipzig zur Verfügung gestellt.
Pressegespräch
Am 8. Mai um 12.00 Uhr findet am Auwaldkran vor Ort ein Pressegespräch statt. Neben dem Rektor der Universität Leipzig, Prof. Volker Bigl, haben der Bürgermeister der Stadt Leipzig, Holger Tschense, der wissenschaftliche Geschäftsführer des UFZ, Prof. Peter Fritz und natürlich eine ganze Reihe von Wissenschaftlern und Projektmitarbeitern ihr Kommen zugesagt, um mit Ihnen zu diskutieren.
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