Psychologen simulieren das Verhalten von künstlichen Lebewesen
Roboter, die nicht nur aussehen wie ein Mensch, sondern auch so denken und handeln – das ist ein Stoff für Science-Fiction-Filme. Zwar gibt es noch keine Maschinen mit künstlicher Intelligenz, doch an der Universität Würzburg wird per Computersimulation schon untersucht, wie sich das Verhalten einer solchen Maschine steuern ließe.
Dieses Forschungsprojekt ist am Institut für Psychologie am Lehrstuhl von Prof. Dr. Joachim Hoffmann angesiedelt. Dort wurde ein Computerprogramm entwickelt, mit dem man das Verhalten von Lebewesen simulieren kann, das „Antizipative Classifier System“. Mit ihm lässt sich darstellen, wie das Verhalten durch die Vorhersage der Konsequenzen einer Aktion (Antizipation) gesteuert wird.
Projektmitarbeiter Martin Butz erklärt, was mit Antizipation gemeint ist: „Haben Sie sich schon mal gefragt, wieso Sie sich beim Rot werden einer Ampel zum Bremsen oder doch noch zum Gas geben entschlossen haben? Sicher kann das Bremsen leicht als einfache Reaktion auf den Reiz Ampel wird rot interpretiert werden. Es könnte aber auch ein tieferer Grund vorliegen, nämlich zum Beispiel weil sonst ein Unfall passieren könnte oder weil an der Ampel ein Blitzgerät installiert sein könnte. Die beiden letzteren Antworten drücken aus, dass nicht etwa der einfache AmpelReiz, sondern die Antizipation, also die Vorhersage der negativen Konsequenzen, das Verhalten kontrolliert hat.“
Die Frage, inwieweit das Verhalten antizipativ kontrolliert wird, mag für den NichtPsychologen völlig uninteressant erscheinen. Aber mit Antizipationen beschäftigen sich nicht nur Psychologen, sondern unter anderem auch Künstliche-Intelligenz-Forscher: Bei der Simulation von künstlichen Lebewesen, den so genannten Animats, werden laut Butz immer häufiger Antizipationen in Form interner Umweltmodelle benutzt, um das simulierte Verhalten des Animats zu beeinflussen.
Das in Würzburg weiterentwickelte Antizipative Classifier System ist mit einer simulierten Sensorik ausgerüstet, mit der es Umwelteigenschaften wahrnehmen kann. Außerdem besitzt es eine Motorik, um sich und seine Außenwelt beeinflussen zu können.
Basierend auf der am Lehrstuhl von Prof. Hoffmann entwickelten Lerntheorie baut sich das künstliche System durch eine völlig selbstständige Interaktion mit der Umwelt ein internes Umweltmodell auf. Dieses repräsentiert die Außenwelt derart, dass die Konsequenzen jeder möglichen Aktion in jedem möglichen Umweltzustand vorhergesagt werden können. Inwieweit dieses Modell nun benutzt werden kann, um das simulierte Verhalten zu verbessern, soll im aktuellen, von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderten Projekt geklärt werden.
Diese Forschung verspricht neue Erkenntnisse für beide Seiten zu liefern. „Einerseits lernt die Künstliche Intelligenz von der kognitiven Psychologie, wie Denkprozesse und Verhalten kontrolliert werden. Andererseits lernt die Psychologie von der Künstlichen Intelligenz, die durch ihren Computeransatz Probleme oft genauer charakterisieren und unterscheiden und zudem die Theorien im Computer validieren kann“, so Martin Butz.
Das Antizipative Classifier System simuliere somit nicht nur ein künstliches Lebewesen, sondern erlaube sogar Rückschlüsse auf die Denkprozesse und insbesondere Verhaltenskontrolle bei Tieren und – in Ansätzen – sogar beim Menschen.
Weitere Informationen: Joachim Hoffmann und Martin Butz, T (0931) 31-2644 (Sekretariat), Fax (0931) 31-2815, E-Mail:
hoffmann@psychologie.uni-wuerzburg.de
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