Stress und Burn-Out bei Lehrern – Optimistische Selbstüberzeugung als Gegenmittel
Selten sind sich alle Befragten so einig, wie wenn es um das angeblich mangelhafte Bildungsniveau deutscher Schüler geht. Der Ruf nach mehr Bildung hallt dann durch die Republik, und die Schuldigen sind schnell gefunden. Es sind wieder einmal die Lehrer, entweder zu faul oder zu ausgebrannt, neudeutsch auch am „Burn-Out-Syndrom“ leidend. Die in letzter Zeit häufig diskutierten Leistungsmängel der Schüler, die besonders in naturwissenschaftlichen Fächern oft der internationalen Konkurrenz unterliegen, haben der Forderung nach umfangreicher Qualitätssicherung im Bildungswesen besonderen Nachdruck verliehen. Dazu gehört auch eine Schulreform „von innen“. Um die Beziehungen zwischen Lehrern und Schülern zu optimieren und um das sog. Burn-Out-Syndrom (Ausbrennen), das sich kontraproduktiv auf die Qualität der Lehre auswirkt, zu verhindern, hat sich Prof. Dr. Ralf Schwarzer vom Institut für Psychologie der Freien Universität Berlin, mit dem aus den USA stammenden Konzept der Selbstwirksamkeitserwartung befasst. Damit ist die optimistische Selbstüberzeugung gemeint, den Berufsanforderungen gut gewachsen zu sein. Wie die Forschung der Freien Universität zeigt, unterstützt eine solch positive Einstellung die Bewältigung von Stresssituationen und wirkt sich auch auf die Qualität des Unterrichts aus. Nach Ablauf der Untersuchung haben sich 45 Schulen entschlossen, ein Netzwerk aufzubauen, um sich gegenseitig unterstützen zu können und die Idee der Selbstwirksamkeit zu verbreiten.
Drei Jahre lang haben sich zehn Schulen aus zehn Bundesländern dem Konzept der Selbstwirksamkeit verpflichtet. Durch kleine, individuell angepasste Schritte wurde die Lernsituation der Schüler berücksichtigt, gleichzeitig zusätzliches Engagement von Seiten der Lehrer unterstützt. Die Schulen hatten sich bei der Bund-Länder-Kommission für Bildungsplanung und Forschungsförderung beworben, um Unterstützung für ihre Innovationsideen zu erhalten. Der wissenschaftliche Beirat setzte sich aus Pädagogen und Psychologen der Freien Universität Berlin, der Humboldt-Universität zu Berlin, der Universität Potsdam und dem Max-Planck-Institut für Bildungsforschung zusammen. Verantwortlich für die Teiluntersuchung der etwa 300 Lehrer zeichneten Prof. Dr. Ralf Schwarzer und seine Mitarbeiterin Dr. Gerdamarie Schmitz vom Institut für Psychologie der Freien Universität Berlin.
Die zehn Pilotschulen haben sich für ihre Reformarbeit dem Konzept der Selbstwirksamkeit verpflichtet, das in Amerika schon länger anerkannt ist. Mit dem Begriff „Selbstwirksamkeitserwartung“ wird zum Ausdruck gebracht, dass Menschen eine subjektive Überzeugung von ihren Kompetenzen haben. Hintergrund dafür ist die Theorie von Albert Bandura von der Stanford Universität in Kalifornien. Bandura hat gezeigt, dass selbstwirksame Menschen besser mit Stress umgehen können, mehr leisten und gesünder sind als andere. Wenn jemand davon überzeugt ist, eine Krise erfolgreich meistern zu können, erhöht dies die Wahrscheinlichkeit, tatsächlich Erfolg zu haben, auch wenn der optimistische Glaube nicht unbedingt mit den objektiven Fähigkeiten übereinstimmen muss. Positive Selbstwirksamkeitserwartungen fördern die Motivation, neue und schwierige Aufgaben zu bearbeiten und dabei Anstrengung und Ausdauer zu zeigen. Negative Selbstwirksamkeitserwartungen dagegen lassen Menschen initiativlos werden oder veranlassen sie, vorzeitig aufzugeben. Selbstwirksamkeitserwartung lässt sich fördern, indem zum Beispiel gut dosierte Aufgaben mit steigendem Schwierigkeitsgrad gegeben werden, verbunden mit häufigen Rückmeldungen und Ermutigungen sowie einem generell leistungsförderlichen Sozialklima.
In dem Forschungsvorhaben wurden die Lehrer u.a. mit drei Messinstrumenten befragt, die sehr einfach aussehen und über simple Aussagen verfügen, wie z.B. „Schwierigkeiten sehe ich gelassen entgegen, weil ich immer meinen Fähigkeiten vertrauen kann“. Wer vielen Aussagen wie dieser zustimmt, gilt als selbstwirksam. Die Forschungsgruppe hat solche Aussagen übrigens in 28 Ländern bei über 20.000 Personen auf ihre Gültigkeit hin überprüft, um die Qualität des Messinstruments unter Beweis zu stellen. Neben dieser allgemeinen Selbstwirksamkeit wurden auch zwei Aspekte der lehrerberufsspezifischen Selbstwirksamkeit erfasst.
Die Ergebnisse des bundesweiten Modellversuchs „Verbund selbstwirksamer Schulen“ liegen nun vor. Die Lehrer profitierten von ihren pädagogischen Bemühungen um guten Unterricht, indem sie auch zu ihrer eigenen Qualifizierung beitrugen. Ihre Selbstwirksamkeitserwartung stieg im Laufe des Modellversuchs zwar nur geringfügig an, aber sie wurden engagierter und suchten sich mehr Herausforderungen. Das berufliche Engagement der Selbstwirksamen kommt auch darin zum Ausdruck, dass sie mehr Freizeit mit Schülern und Eltern verbringen, indem sie einige Stunden an den Nachmittagen für freiwillige Projekte aufwenden.
Vor allem gab es unter den Lehrern kaum Anzeichen für das Burnout-Syndrom („Ausbrennen“), das durch Erschöpfung, Zynismus und Leistungsverlust gekennzeichnet ist und das normalerweise bei Lehrern aufgrund ihres stressreichen Berufsalltags stärker ausgeprägt ist als in anderen Berufen. Selbstwirksame Lehrer können besser mit Stress umgehen, sie haben eine optimistische Einstellung und meistern kritische Situationen im Beruf. Selbstwirksamkeitserwartung erweist sich somit als Schutzfaktor, der die Wahrscheinlichkeit einer Entwicklung von beruflichem Burnout deutlich verringert.
Kajetan Tadrowski
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Univ.-Prof. Dr. Ralf Schwarzer, Katteweg 15a, 14129 Berlin, Tel.: 030 / 838-55630/32, E-Mail: health@zedat.fu-berlin.de
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