Göttinger Max-Planck-Wissenschaftler mit Multiple-Sklerose-Forschungspreis geehrt
Prof. Klaus-Armin Nave, Direktor der Abteilung Neurogenetik am Göttinger Max-Planck-Institut für experimentelle Medizin, erhält den Sobek-Preis der gleichnamigen Stuttgarter Stiftung. Der mit 100.000 Euro dotierte Preis gehört zu den höchsten Auszeichnungen auf dem Gebiet der Multiple-Sklerose-Forschung in Europa. Geehrt wird der gebürtige Kölner Klaus-Armin Nave, Jahrgang 1958, für seine „bahnbrechenden Arbeiten über die Struktur des Myelins und genetische Modellerkrankungen“. Der Preis wird am 30. November 2001 in Kooperation mit dem baden-württembergischen Landesverband der Aktion Multiple Sklerose Erkrankter (AMSEL) und der Deutschen Multiple Sklerose Gesellschaft in Stuttgart verliehen.
Multiple Sklerose (MS) ist eine chronische entzündliche Erkrankung des Zentralnervensystems (Gehirn und Rückenmark), die zu Störungen der Bewegungen, der Sinnesempfindungen und auch zur Beeinträchtigung von Sinnesorganen führt. In Deutschland leiden rund 120 000 Menschen an MS. Das Alter bei erster Manifestation liegt üblicherweise zwischen 20 und 40 Jahren, so dass die Krankheit eher junge Menschen betrifft und im Laufe ihres weiteren Lebens bestehen bleibt. Frauen sind häufiger betroffen als Männer. Trotz intensiver Forschungen ist die Ursache der Erkrankung nach wie vor nicht genau bekannt. MS ist keine Erbkrankheit, allerdings spielt die genetische Veranlagung offensichtlich eine Rolle. Zudem wird angenommen, dass Infekte in der Kindheit und der frühen Jugend für die spätere Krankheitsentwicklung bedeutsam sind. Welche anderen Faktoren letztendlich zum endgültigen Auftreten der MS noch beitragen, ist ungewiss. Weltweit sind schätzungsweise 2,5 Millionen Menschen an MS erkrankt.
Klaus-Armin Nave zählt international zu den führenden molekularen Neurobiologen und nimmt auf dem Gebiet der Myelin-Forschung eine Spitzenposition ein. Mit seinen Arbeiten zur Genetik und Pathologie des Proteolipid-Proteins (PLP) des Zentralnervensystems hat er grundlegend zur Aufklärung menschlicher Leukodystrophien beigetragen, also neurologischer Erkrankungen, die Gehirn, Rückenmark und gelegentlich auch periphere Nerven befallen. „Es ist zu erwarten, dass die grundlagenwissenschaftlichen Erkenntnisse für die Multiple-Sklerose-Forschung der nächsten Jahre neue Denkanstöße geben werden und gerade für die Fragen der Regeneration und Reparatur zerstörten Markscheidengewebes neue Wege aufzeigen“, erklärte die Sobek-Stiftung zu den Studien Naves. Dem Göttinger Max-Planck-Wissenschaftler ist es gelungen, rein experimentelle Erkenntnisse aus der Grundlagenforschung mit Erfolg für das Verständnis menschlicher Erkrankungen zu nutzen.
Ein Schwerpunkt seiner Forschungen liegt auf dem Gebiet der Neuron-Glia-Interaktion, die im Verlauf der Entwicklung zur Ausbildung des Myelins im Nervensystem führt. Diese Forschungsarbeiten sollen helfen, humane neurologische Krankheitsbilder, in welchen genetische Defekte den Verlust von Myelin und der motorischen Fähigkeiten verursachen, besser zu verstehen. Myelin ermöglicht die schnelle Weiterleitung neuronaler Information, ist aber auch für die Persistenz von Axonen notwendig. Hochspezialisierte Gliazellen, wie myelinisierende Schwannzellen und Oligodendrozyten, umhüllen im peripheren bzw. zentralen Nervensystem die Axone und isolieren sie dadurch elektrisch. Nervenzellen bestehen neben dem Axon, ihrem Hauptfortsatz, noch aus einem Zellkörper sowie einer Vielzahl von Dendriten. Während Axone die neuronalen Informationen in Form elektrischer Impulse vom Zellkörper zu anderen Neuronen oder Muskelzellen leiten, sind die Dendriten in erster Linie Signaleingangsstationen, die diese Impulse empfangen und an den Nervenzellkörper weitergeben. Die Übertragung des Signals zwischen Nervenzellen erfolgt an Kontaktzonen, den so genannten Synapsen. Dort werden chemische Botenstoffe, die Neurotransmitter ausgeschüttet. Im Gehirn bildet die Myelinschicht die weiße Substanz, auch Mark genannt. Sie kann z. B. durch Viren oder durch Autoimmunreaktionen zerstört werden. Dadurch wird die Nervenleitgeschwindigkeit erheblich herabgesetzt, was zu motorischen Störungen führt.
Die Entwicklung unseres Nervensystems beruht unter anderem auf genetischen Programmen, die die Expression spezifischer Gentranskriptionsfaktoren in neuronalen und glialen Zellen kontrollieren. Ein weiterer Schwerpunkt in den Forschungen von Prof. Nave sind deshalb bestimmte regulatorische Gene für die so genannten basischen Helix-Loop-Helix (bHLH) Proteine, die bereits früh in der Evolution (z.B. in der Fruchtfliege Drosophila) entstanden sind. Dabei geht es um die Frage, ob solche regulatorischen Gene, die eine wichtige Rolle während der frühen Gehirnentwicklung ausüben, auch für strukturelle Veränderungen (neuronale Plastizität) im adulten Gehirn im Zusammenhang mit dem Lern- bzw. Erinnerungsvermögen von Bedeutung sind.
Lebenslauf von Prof. Dr. Klaus-Armin Nave
1958 | geboren in Köln |
Studium in den Fächern Biologie, Chemie und Physik an der Universität Heidelberg; Diplomarbeit am Institut für Neurobiologie (Dr. Melitta Schachner) | |
Graduate Program in Neurosciences (DAAD-Stipendium 1983-84) an der University of California, San Diego (UCSD), La Jolla, CA/USA | |
Research Assistant an der Division of Preclinical Neurosciences and Endocrinology, Scripps Clinic and Research Foundation, La Jolla, CA/USA | |
1987 | Promotion im Fach Neurowissenschaften an der UCSD (Dr. Floyd Bloom) |
Post-doc am Molecular Neurobiology Laboratory, The Salk Institute, La Jolla, CA/USA (Dr. Greg Lemke) Stipendium der National Multiple Sclerosis Society | |
Leiter einer Arbeitsgruppe am Zentrum für Molekulare Biologie (ZMBH) der Universität Heidelberg | |
1996 | Habilitation im Fach Molekularbiologie und Genetik an der Universität Heidelberg |
Professor (C4) für Molekularbiologie am Zentrum für Molekulare Biologie (ZMBH) der Universität Heidelberg | |
1999 | Direktor und Wissenschaftliches Mitglied am Max-Planck-Institut für medizinische Forschung in Göttingen |
Mitgliedschaften
Society for Neuroscience (USA)
American Society for Neurochemistry
International Society for Neurochemistry
Gesellschaft für Biologische Chemie
Weitere Informationen über Prof. Klaus-Armin Nave finden Sie auch in unserer Experten-Datenbank.
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Der Sobek-Forschungspreis
Mit dem Sobek-Preis der Roman, Marga und Mareille Sobek-Stiftung, Renningen, Kreis Böblingen, werden richtungsweisende Leistungen von Forschern/Forscherinnen an Hochschulen und außeruniversitären Forschungseinrichtungen im Bereich der Multiplen Sklerose und der dazugehörenden Grundlagenforschung ausgezeichnet. Entscheidungskriterien sind allein Qualität und Exzellenz der Forschungsleistung. Es kann sowohl eine außerordentliche wissenschaftliche Einzelleistung als auch eine wissenschaftliche Gesamtleistung gewürdigt werden. Der Preis wird 2001 zum zweiten Mal verliehen. Preishöhe: 100.000 Euro.
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