Warum es sich lohnt, seinen guten Ruf nicht aufs Spiel zu setzen

Evolutionsbiologen vom Max-Planck-Institut für Limnologie zeigen, wie sich Kooperationsverhalten stabilisieren lässt

Viele Probleme der menschlichen Gesellschaft, wie die Überfischung der Meere oder das globale Klimaproblem, sind Kooperationsprobleme. Wenn Personen, Gruppen oder Staaten frei sind, eine gemeinschaftlich bewirtschaftete Ressource übermäßig zu nutzen, dann tun sie das in der Regel auch. Dieses als „Tragedy of the Commons“ bekannte Problem wird von Sozial-, Politik- und Wirtschaftswissenschaftlern seit Jahrzehnten und neuerdings auch von Evolutionsbiologen intensiv untersucht. Doch außer der Möglichkeit, Nicht-Kooperationsbereite direkt zu bestrafen, hat man bisher noch keine kooperative Lösung der Tragedy of the Commons gefunden. Forscher des Plöner Max-Planck-Instituts für Limnologie konnten nun experimentell zeigen, dass ein Gemeinschaftsgut dann kooperativ bewirtschaftet wird und die „Tragedy of the Commons“ nicht mehr existiert, wenn die Art und Weise, wie das Gut genutzt wird, mit der Reputation des Nutzers verknüpft wird (nature, 24. Januar 2002). Gelingt das, wirft die Gemeinschaftsressource für alle Nutzer hohen Gewinn ab.

Die übliche Methode, die „Tragedy of the commons“ experimentell zu untersuchen, ist das „Public Goods“-Spiel: Dabei erhalten z.B. vier Studenten jeweils ein Startkapital von fünf Euro. Sie können entscheiden, ob sie davon etwas in einen Gemeinschaftstopf investieren wollen, indem sie einen Betrag bis zu fünf Euro ohne Diskussion in einen Umschlag stecken. Der Versuchsleiter sammelt die Umschläge ein, verdoppelt die Gesamtsumme der Beiträge und verteilt das Geld wieder gleichmäßig auf alle vier. Die vier Studenten würden dann den höchsten Ertrag erwirtschaften, wenn jeder seine fünf Euro vollständig einzahlt und dann (verdoppelt) zehn Euro ausbezahlt bekommt. Doch rationaler und ökonomischer wäre es, nichts abzugeben und darauf zu bauen, dass die anderen einzahlen und man davon profitieren kann. Von jedem Euro, den man nämlich selbst einzahlt, erhält man nur einen halben Euro zurück. Denn dieser wird verdoppelt und dann auf die vier Teilnehmer verteilt. Das was jeder von den anderen bekommt, ist unabhängig von der eigenen Einzahlung. Dieses Missverhältnis zwischen Einsatz und Gewinn ist ein echtes „Tragedy of the Commons“-Problem – Egoistisches Eigeninteresse steht im Widerspruch zum Gruppeninteresse.

Normalerweise beginnen solche Experimente sehr kooperativ. Doch binnen weniger Runden bricht die Kooperation zusammen und niemand investiert mehr in das Gemeinschaftsgut. Jeder, der wieder zu kooperieren versucht, würde Geld verlieren, denn er bekäme nur die Hälfte jedes selbst investierten Euros zurück.

Im Gegensatz zur „Tragedy of the Commons“ haben die Menschen ein anderes Kooperationsproblem offenbar gelöst, die indirekte Reziprozität – „wer gibt, dem wird gegeben“: Man ist kooperativ gegenüber solchen Mitmenschen, von denen man weiß, dass sie anderen geholfen haben. Diese Lösung wurde auch evolutionstheoretisch und experimentell vor einigen Jahren bestätigt. Manfred Milinski, Dirk Semmann und Hans-Jürgen Krambeck vom Max-Planck-Institut für Limnologie in Plön gingen nun von folgender Hypothese aus: Wenn es wichtig ist, für die indirekte Reziprozität einen hohen Geber-Status, also eine hohe „Reputation“ aufzubauen und dann nicht zu verlieren, sollte das auch für die „Public-Goods“-Situation gelten, wenn man in beiden Situationen immer wieder mit den selben Sozialpartnern zusammentrifft. Kooperiert man im Public-Goods-Spiel nicht, würde man folglich die Reputation, die man im Reziprozitäts-Spiel mühsam aufgebaut hat, möglicherweise wieder verlieren. In dem Spiel erhalten die Studenten ebenfalls ein Startkapital. In jeder Runde ist jeder Spieler einmal potentieller Geber (- 1,25 Euro) und einmal potentieller Empfänger (+2 Euro), aber nie mit derselben Person wechselseitig.

Die Max-Planck-Forscher führten jetzt ein computerisiertes Experiment mit Gruppen von je sechs Studenten der Universität Hamburg durch, bei dem zehn Gruppen 16 Runden lang abwechselnd je eine Runde „indirekte Reziprozität“ und eine Runde „Public Goods“ spielten. In jeder Runde Public Goods werden die sechs Spieler gleichzeitig gefragt, ob sie in den Gemeinschaftstopf einzahlen wollen. Neun andere Gruppen spielten hintereinander erst acht Runden Public Goods und dann acht Runden indirekte Reziprozität. Die Studenten spielten anonym unter einem Pseudonym und erhielten anschließend ihren Kontostand, wie bei solchen Experimenten üblich, tatsächlich bar ausgezahlt.

„Abb.: Kooperation in Gruppen von sechs Spielern in jeder Runde des „Public Goods“-Spiels (gefüllte Punkte) und in jeder Runde des „indirekte Reziprozität“ Spiels (offene Punkte).“
„Grafik: Max-Planck-Institut für Limnologie“

Was waren die Ergebnisse dieses Tests? Die Gruppen, die zuerst acht Runden Public Goods nacheinander spielten, begannen wie erwartet zu Anfang mit Kooperation, die jedoch schnell zusammenbrach (s. Abb.). Hingegen hielten jene Gruppen, die abwechselnd indirekte Reziprozität oder Public Goods spielten, bis zur 16. Runde das hohe Anfangsniveau ihrer Kooperation aufrecht. Wer im Public-Goods-Spiel nicht in die Gemeinschaftskasse einzahlte, erhielt signifikant seltener Unterstützung in der anschließenden Runde des indirekte Reziprozitäts-Spiels und kooperierte deshalb im nächsten Public-Goods-Spiel wieder. Auf diese Weise erhielten diese Studenten am Ende des Spiels hohe Auszahlungen. Hingegen reicht offensichtlich allein die Einsicht, Kooperieren im Public-Goods-Spiel sei für alle das Beste, nicht aus, um die anfängliche Kooperation im Block von acht Runden Public-Goods-Spiel aufrecht zu erhalten.

Prof. Manfred Milinski, Direktor am Max-Planck-Institut für Limnologie und verantwortlich für diese Experimente, stellt abschließend dazu fest: „Die Auswirkungen dieser Erkenntnisse für die menschliche Gesellschaft werden sicherlich nicht darin bestehen, dass demnächst Weltklimakonferenzen nur noch kooperativ ausgehen. Doch es ist sicher hilfreich, wenn Staaten oder soziale Gruppen auf möglichst vielfältige Weise interagieren. Auf der anderen Seite muss man jetzt aber auch befürchten, dass es unerkannte „Tragedies of the Commons“ gibt, die erst dann als solche deutlich werden, wenn andere Interaktionen, z.B. zwischen Staaten, wegfallen, die vorher die Kooperation zwischen den Parteien aufrecht erhalten haben.“

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