Computer lehrt Kinder Gebärden
Ein Team von Doktoranden an der Technischen Universität (TU) Delft hat ein Computersystem entwickelt, das gehörlosen oder schwerhörigen Kindern beim Erlernen der Gebärdensprache hilft.
Dazu werden die Kinder unter anderem gebeten, zu Bildern die jeweils passende Geste zu machen. Das Kernproblem bei der Entwicklung des „Electronic Learning Environment“ (ELo) war die computerisierte Gebärdenerkennung in Verbindung mit der Beurteilung, ob ein Kind wirklich die richtigen Zeichen genutzt hat. Bei dem Projekt wurde darauf geachtet, kein besonders kostspieliges Spezialequipment zu nutzen.
„Man darf schließlich nicht erwarten, dass Schulen, die an solchen Systemen interessiert sein könnten, in Supercomputer oder teure Kameras investieren“, meint der auf Mensch-Maschine-Interaktion spezialisierte Industriedesigner Jeroen Arendsen gegenüber pressetext.
Die Idee hinter ELo ist einfach. Am Bildschirm wird ein Bild gezeigt und das lernende Kind soll die entsprechende Gebärde machen. Der Computer erkennt, ob die Aufgabe korrekt bewältigt wurde. Da bekannt ist, welche Geste gemacht werden soll, kann die nötige Erkennung theoretisch relativ einfach gehalten werden. „Doch die ELo-Anwendung ist mit speziellen Problemen konfrontiert, unter anderem, weil sie für sehr junge Kinder gedacht ist“, sagt Arendsen. Beispielsweise können keine farbigen Handschuhe zum Einsatz kommen, da man die Kinder nicht dazu zwingen will, sie zu tragen. „Auch werden Kinder leicht abgelenkt, sodass die Gebärdenerkennung blitzschnell sein muss“, so der Industriedesigner. Die in vielen Systemen auftretenden Zeitverzögerungen könne man sich daher nicht leisten. Arendsen betont auch, dass der Computer durch unnötiges Gezappel leichter irritiert wird als ein Mensch.
Neben der Erkennung an sich war auch die Beurteilung, ob ein Kind die richtige Geste gemacht hat, eine Hürde. „Wir haben festgestellt, dass noch weitgehend unbekannt ist, wie Menschen die Richtigkeit von Gebärden beurteilen“, erklärt Arendsen. Er hat sich besonders ausgiebig diesem menschlichen Aspekt des Projekts gewidmet, bei dem er mit dem Elektrotechniker Jeroen Lichtenauer und der auf künstliche Intelligenz spezialisierten Gineke ten Holt zusammengearbeitet hat. In Kooperation mit der Niederländischen Stiftung für gehörlose und hörbehinderte Kinder (NSDSK) konnten sie nicht nur das Lehrsystem entwickeln, sondern auch nachweisen, dass Kinder im Alter von fünf bis sechs Jahren tatsächlich schneller die Gebärdensprache erlernen können. „Ich denke, dass auch Kinder von sieben bis etwa zehn profitieren könnten, solange sie das Gefühl haben, neue Gebärden zu lernen“, meint Arendsen.
Grundsätzlich ist ELo dazu gedacht, mit relativ günstiger Hardware auszukommen. Billigste Webcams reichen zwar nicht aus, doch Kameras um einige hundert Euro genügen. Zielgruppe für die Anwendung sind vor allem Schulen und möglicherweise auch Haushalte computer-orientierter Eltern mit etwas Finanzkraft, so Arendsen. „Vermutlich könnten die Technologie und Usability noch verbessert werden, um sie einem größeren Publikum zugänglich zu machen“, meint er ferner. Eine Anpassung an die Eigenheiten der Gebärdensprachen in verschiedenen Ländern sei wohl relativ leicht möglich. Ob oder wann ELo tatsächlich zum Einsatz kommt, hänge aber noch von finanziellen und organisatorischen Faktoren ab.
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