Der Schlüssel zum Verhalten von Mensch und Tier
Manfred-Fuchs-Preis für Tierverhaltensforscher Fumihiro Kano.
Was ist der Mensch? Was sind Tiere? Und was macht den Menschen einzigartig? Der Psychologe Fumihiro Kano hat es sich zur Lebensaufgabe gemacht, diese Fragen zu beantworten. Am 28. Februar 2023 wurde bekannt gegeben, dass der Konstanzer Verhaltensforscher für seine interdisziplinären Arbeiten in der Tierverhaltensforschung den Manfred-Fuchs-Preis der Heidelberger Akademie der Wissenschaften des Landes Baden-Württemberg erhalten wird. Fumihiro Kano ist Wissenschaftler am Exzellenzcluster „Centre for the Advanced Study of Collective Behaviour“ (CASCB) der Universität Konstanz.
Fumihiro Kano trägt einen Motion-Caption-Anzug. Auf seinem Kopf steckt eine Eye-Tracking-Brille, ins seiner Hand hält er einen Tischtennisschläger mit Bewegungssensoren. „Ich interessiere mich für das, was Tiere sehen, fühlen und denken, und letztlich dafür, inwiefern der Mensch als eine der Primatenarten einzigartig in Wahrnehmung, Kognition und sozialem Verhalten ist“, sagt Fumihiro Kano und beginnt, in seinem Labor Tischtennis zu spielen. Er ist seit 2021 Gruppenleiter am CASCB. Seine Laufbahn begann er an der Universität Kyoto und wechselte dann zunächst ans Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie sowie die Universität Oxford, bevor er letztendlich nach Konstanz kam. Er selbst sei kein passionierter Tischtennisspieler, sagt der japanische Forscher, aber er ist der Meinung, dass fast alle Menschen Tischtennis spielen könnten. Aus dem Grund wählte er Tischtennis für sein Experiment.
Wie Gruppen interagieren
Zusammen mit seinem Postdoktoranden Prasetia Putra führt Kano eine Studie durch, in der sie den Mechanismus, welcher der menschlichen Koordination im Sport zugrunde liegt, mit Hilfe von verhaltensbezogenen und physiologischen Faktoren entschlüsseln wollen. „Manchmal koordinieren sich Gruppen gut, manchmal aber klappt es gar nicht, doch woran genau liegt das?“, fragt Kano. „Bislang wissen wir nichts über die Antizipationsfähigkeit, die Bewegungskoordination und die physiologischen Unterschiede der Individuen.“
Kanos Studie zielt daher darauf ab, diese Lücken durch die Messung der Blickrichtung, der Körperbewegungen und des Herzschlags einer Person zu schließen. Die Teilnehmer*innen spielen Tischtennis in Zweierteams und tragen dabei einen Motion-Capturing-Anzug, genau wie Kano. Sogar der Tischtennisball ist mit einem Sender markiert, sodass seine Bewegungen aufgezeichnet werden können. Ein Kamerasystem, das die Bewegungen erfasst, verfolgt das Experiment.
Der Schwerpunkt liegt auf Mikroverhalten
Um das Verhalten von Menschen und Tieren zu erfassen, konzentriert sich Fumihiro Kano auf das Mikroverhalten. Zu den untersuchten Arten zählen Vögel, Primaten und Menschen. Die Forschenden haben verschiedene kollektive Verhaltensweisen im Blick, wie zum Beispiel Zusammenarbeit im Team, Wachsamkeit und gemeinsame Nahrungssuche. „Meine Forschung basiert grundsätzlich auf nicht-invasiver Spitzentechnologie“, sagt er.
In einem weiteren Experiment konzentriert er sich auf das Gruppenverhalten von Tauben, „einer sehr sozialen Vogelart“, wie er betont. Wenn Tauben auf Futtersuche sind, wollen sie so viel wie möglich fressen. Dennoch müssen sie gemeinsam wachsam sein, um zu bemerken, wenn sie von einem Feind angegriffen werden. „Meine Doktorandin Mathilde Delacoux und ich haben unser Experiment so gestaltet, dass die Tauben einen Warnhinweis sehen. Wir versuchen daraufhin, die Interaktion der Gruppe während des vorgetäuschten Angriffs zu erfassen.“
Dank moderner Ortungstechnik weiß die Forschungsgruppe genau, wohin jedes Individuum während des vermeintlichen Raubtierangriffs blickt und ob es den Kopf nach oben oder unten richtet. Das Experiment wird in der Imaging Barn durchgeführt, einem Gemeinschaftsprojekt des CASCB und des Max-Planck-Instituts für Verhaltensbiologie. Dieses Forschungslabor ist eine zentrale Einrichtung für die Untersuchung der Dynamik natürlicher Interaktionen. Beide Experimente laufen noch, so dass die Forschenden selbst noch auf die Ergebnisse gespannt sind.
„Fumihiro Kano nutzt und erweitert auf höchst kreative Weise modernste Informatikmethoden wie Tracking und Modellierung, um Kognition und Verhalten von Menschen und verschiedenen Tierarten zu untersuchen. Seine Forschung reicht von Vögeln bis zu Affen, von Individuen bis zu Menschen- und Tiergruppen“, erklärt Oliver Deussen, Sprecher des Exzellenzclusters CASCB.
Faktenübersicht
-Fumihiro Kano erhält den Manfred-Fuchs-Preis der Heidelberger Akademie der Wissenschaften für seine interdisziplinären Arbeiten in der Tierverhaltensforschung.
– Am Exzellenzcluster „Centre for the Advanced Study of Collective Behaviour” (CASCB) der Universität Konstanz ist er als Gruppenleiter tätig.
– Fumihiro Kano interessiert sich für das, was Tiere sehen, fühlen und denken, und letztlich dafür, inwiefern der Mensch als eine der Primatenarten einzigartig in Wahrnehmung, Kognition und sozialem Verhalten ist.
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Bildunterschrift: Fumihiro Kano beim Tischtennis-Experiment. Damit seine Bewegungen genau nachvollzogen werden können, trägt er einen Motion-Capture-Anzug, eine Eye-Tracking-Brille und hält einen Tischtennisschläger mit Markierungspunkten in der Hand.
Bild: Elisabeth Böker, CASCB, Universität Konstanz
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