Ein Teleskop der Weltspitze auf der Zugspitze
Ein neues Radioteleskop auf der Zugspitze soll in Zukunft dabei helfen, Geheimnisse in den Tiefen des Weltraums zu lüften. Federführend in dem Projekt ist der Lehrstuhl für Astronomie der Universität Würzburg.
Von einem „neuen Kapitel der Weltraumforschung“ hat Bayerns Umweltminister Thorsten Glauber gesprochen. Und von einem weiteren Schritt, „um Bayerns Platz in der höchsten Liga der Forschung zu festigen“. Was den Minister so in Begeisterung versetzt hat, ist ein hochmodernes Radioteleskop, das demnächst auf der Zugspitze gebaut werden soll. Dort betreibt der Freistaat mit dem „Schneefernerhaus“ Deutschlands höchstgelegene Umweltforschungsstation.
Das rund 4,5 Millionen Euro teure Teleskop soll gleichzeitig Prototyp und deutscher Ableger in einem weltweiten Netz von Radioteleskopen sein. Damit könnte das neue „Wetterstein Millimeter Teleskop“ (WMT) dazu beitragen, die Geheimnisse des Weltraums zu lüften. Federführend in dem Projekt ist der Lehrstuhl für Astronomie der Julius-Maximilians-Universität Würzburg (JMU).
Ein Netzwerk aus mehr als 260 Teleskopen
„Aktuell arbeitet die US-amerikanische Forschungseinrichtung NRAO daran, ein Netzwerk aus über 260 zusammengeschalteten Einzelteleskopen aufzubauen – das sogenannte next-generation Very Large Array“, erklärt Matthias Kadler, Professor am Lehrstuhl für Astronomie der JMU und treibende Kraft hinter dem neuen Teleskop an der Zugspitze. Dank der Verteilung über viele Standorte und eine große Fläche ermögliche solch ein Zusammenschluss vieler Teleskope Aufnahmen aus dem Weltraum mit einer hohen Empfindlichkeit und einem großen Auflösungsvermögen, erklärt der Astrophysiker.
Das nordamerikanische Netzwerk, kurz ngVLA genannt, wird nach seiner Fertigstellung Mitte der 2030er-Jahre das weltweit dominierende Großteleskop im kurzwelligen Radiobereich sein. Bisher war geplant, die einzelnen Teleskope ausgehend von einem spiralförmigen Kern in New Mexico auf eine Gesamtfläche zu verteilen, die von Hawaii bis Puerto Rico und von Kanada bis Mexiko reicht.
Kombiniert mit einer Reihe von strategisch positionierten Radioteleskopen an zusätzlichen Standorten in Deutschland, könnte dieses Netzwerk allerdings seine Leistungsfähigkeit signifikant steigern. Das entsprechende Konzept hat Matthias Kadler gemeinsam mit führenden Experten auf dem Gebiet der Radioastronomie entwickelt und vor kurzem vorgestellt. Das WMT spielt dabei als erstes deutsches ngVLA-Teleskop eine zentrale Rolle.
Eine interdisziplinäre Forschungsplattform
„Das Wetterstein Millimeter Teleskop soll mit dem nordamerikanischen ngVLA zusammengeschaltet werden können und auch selbstständig ein vielfältiges astrophysikalisches Forschungsprogramm durchführen. Es wird unter anderem Schwarze Löcher und relativistische Jets in aktiven Galaxien untersuchen“, erklärt Kadler.
„Darüber hinaus stellt das Teleskop eine interdisziplinäre Forschungsplattform an der Umweltforschungsstation dar. Diese kann von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern in den Bereichen Geodäsie, Radar zur Weltraumlageerfassung, Atmosphärenphysik, Erprobung neuer Radio-Hochfrequenz Technik, Empfängertechnologien, Digitalität und vielem mehr genutzt werden“, ergänzt Tobias Ullmann, Professor am Lehrstuhl für Fernerkundung der JMU sowie Mitglied des Science Teams der UFS, der für die fachlichen Beiträge der JMU sowie die wissenschaftliche Qualität der Forschung am Schneefernerhaus zuständig ist.
Einsatz auch für die Satellitentechnologie
Eine weitere besondere Stärke der JMU liegt in der Satellitentechnologie. Auch in diesem Bereich soll das WMT eingesetzt werden. Mit SONATE-2 betreibt die Universität bereits heute einen hochmodernen Satelliten zur Erprobung von KI-Technologien im Weltraum. Zukünftige Entwicklungen bei der Satellitenkommunikation im Hochfrequenzbereich können perspektivisch in interplanetaren Kleinsatellitenmissionen des Interdisziplinären Forschungszentrums für Extraterrestrik (IFEX) eine wichtige Rolle spielen.
Gemeinsam wollen die Würzburger Arbeitsgruppen auch ein wissenschaftliches Programm zur Bewahrung des für die Menschheit astronomisch nutzbaren Frequenzbereichs des Radiohimmels durchführen. Dieser ist durch den rapiden Anstieg der kommerziellen Nutzung, beispielsweise für Satellitenkonstellationen, zunehmend bedroht und kann nur durch interdisziplinäre Forschung geschützt werden.
Und noch einen Vorteil bietet das Teleskop an der Zugspitze: „Wir schaffen damit eine lokale Infrastruktur in Bayern, die Würzburger Forschenden im Kontext internationaler Großforschungsinfrastrukturen Zugriff auf wissenschaftliche Daten von Weltrang gewährt, ohne transkontinentale Reisen notwendig zu machen“, so Karl Mannheim, Inhaber des Lehrstuhls für Astronomie an der JMU. Das Projekt sei damit ein wichtiger Baustein in dem langjährigen Bemühen der JMU und des Lehrstuhls für Astronomie für mehr Nachhaltigkeit in der Forschung.
Weltweite Sichtbarkeit
Nach seiner Fertigstellung wird es eine sofort verfügbare wichtige Infrastruktur für die deutsche Astronomie darstellen. Möglich ist dann auch der Zusammenschluss mit europäischen und weltweiten Radioteleskop-Netzwerken wie dem European VLBI Netzwerk (EVN) und dem Global Millimeter VLBI Array (GMVA).
Die internationalen Astronomen jedenfalls sind davon überzeugt: „Das Wetterstein-Millimeter-Teleskop wird über Jahrzehnte hinweg in weltweiten Netzwerken wie dem ngVLA und im Verbund mit dem südafrikanischen Zukunftsteleskop SKA arbeiten und Spitzenforschung ermöglichen“, erklärt J. Anton Zensus, Direktor des Max-Planck-Instituts für Radioastronomie.
Auch national ruft das Projekt WMT großes Interesse hervor. So wird zum Beispiel bereits intensiv eine Kooperation mit dem Fraunhofer Institut für Hochfrequenzphysik und Radartechnik diskutiert, in der das Teleskop als Empfangselement für Radarexperimente im Verbund mit der Großradaranlage TIRA (Tracking and Imaging Radar) zur Beobachtung und Analyse aktiver Satelliten, Weltraumtrümmer oder erdnaher Asteroiden eingesetzt werden kann.
Verantwortlich für das Antennendesign des nordamerikanischen Teleskope-Netzwerks ist übrigens eine deutsche Firma: Die mtex antenna technologies haben es entwickelt und sind auch für den Bau der ersten Prototyp-Teleskope verantwortlich. Auch die in Bauart und Präzision weltweit bisher einmaligen Reflektor-Paneele basieren auf deutscher Ingenieurskunst. Gebaut von der Firma Concad haben deren Oberflächen eine Genauigkeit, die der Hälfte des Durchmessers eines menschlichen Haares entspricht.
Die Umweltforschungsstation Schneefernerhaus
Das Schneefernerhaus befindet sich knapp unterhalb des Gipfels der Zugspitze auf einer Höhe von 2650 Metern. Die Forschungsstation soll nach Plänen des Freistaats Bayern in den kommenden Jahren deutlich gestärkt werden und noch höhere internationale Sichtbarkeit erhalten. Vor wenigen Tagen konnte sie ihr 25-jähriges Jubiläum feiern. Bei dem Festakt im Beisein des bayerischen Ministerpräsidenten Dr. Markus Söder sprach Umweltminister Thorsten Glauber seine Unterstützung zum geplanten Bau des Radioteleskops auf der Zugspitze aus. Ziel sei es, Bayerns Platz in der Champions League der Forschung weiter zu festigen. Zur Zeit läuft bereits eine Studie zur Suche des idealen Standorts für das Teleskop.
„Wir sind sehr froh, seit diesem Jahr dem Konsortialrat der UFS Schneefernerhaus anzugehören. Dies ermöglicht innovative Forschung, die wir im Verbund mit den Partnern nur dort in Deutschlands höchster Forschungsstation durchführen können“, sagt der Präsident der JMU Paul Pauli.
An der Universität Würzburg ist das Interesse groß, wissenschaftliche Projekte an diesem außergewöhnlichen Ort durchzuführen. So haben bislang beispielsweise Vertreterinnen und Vertreter aus der Fernerkundung, der Medizin, der Astronomie und der Biologie die neuen Möglichkeiten genutzt, ihre speziellen Themen dort zu bearbeiten. Das Wetterstein Millimeter Teleskop wird einen neuen besonders sichtbaren Beitrag der JMU zur Spitzenforschung an Deutschlands Spitze darstellen.
Wissenschaftliche Ansprechpartner:
Prof. Dr. Matthias Kadler, Lehrstuhl für Astronomie, T: +49 931 31-85138, matthias.kadler@uni-wuerzburg.de
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