Esslinger Maschinenbauer untersuchen südfranzösische Landschnecken
Was machen eigentlich gemeine, südfranzösische Landschnecken bei den Esslinger Maschinenbauern? Diese Frage drängt sich beim Lesen der Forschungsprojektbeschreibung „Wärmeflüsse, Thermodynamik und ökophysiologische Konsequenzen hoher Temperaturen bei mediterranen Landschnecken“ sofort auf.
In dem seit vergangenem Jahr laufenden Forschungsvorhaben wird untersucht, „warum und wie die so genannten terrestrischen Schnecken unter sehr heißen Bedingungen im mediterranen Raum überleben“, heißt es in der Projektbeschreibung. In dem Kooperationsprojekt mit Biologen der Universität Tübingen tragen die Ingenieure der Hochschule Esslingen unter Leitung von Professor Dr. Ulrich Gärtner die Expertisen zur Thermodynamik und Wärmesimulation bei. Die Tübinger Wissenschaftler untersuchen dabei vor allem die ökophysiologisch-biochemischen Aspekte.
„Bisher wurde festgestellt, dass die Schnecken mit dem Namen Xeropicta derbentina bei heißen Temperaturen verstärkt versuchen, sich nach oben zu bewegen, also Grashalme oder Zweige zu erklimmen“, erläutert Ulrich Gärtner. Dieses Verhalten diene den Schnecken vor allem dazu, ihren Wärmehaushalt auszugleichen, da sich, so Gärtner, sowohl die Temperatur als auch die Luftgeschwindigkeit bereits wenige Zentimeter über dem Boden sehr stark änderten. Ziel der Maschinenbauer ist es nun, wichtige thermodynamische Untersuchungen anhand von Messungen in Südfrankreich und deren Nachstellung in einem eigens dafür konstruierten Windkanal in Esslingen durchzuführen.
Die südfranzösischen Landschnecken wurden für diese Versuche ausgewählt, weil sie eine sehr hohe Körpertemperatur von bis zu 45 Grad Celsius über mehrere Stunden ertragen kann, sagt Markus Ludwig, einer der beiden Esslinger Doktoranden in dem Projekt. Von besonderem Interesse sei dabei die Untersuchung der Bildung von Stressproteinen, die zur Reparatur von thermisch bedingten Defekten in anderen Proteinen dienen. „Dazu ist die genaue Erfassung der thermischen Randbedingungen der Tiere erforderlich“, erklärt Ludwig, der zwei bis dreimal im Jahr für je eine Woche in Südfrankreich ist.
In dem mit Studenten gebauten Esslinger Klimawindkanal werden Strömungssimulationen durchgeführt, die den Wärmehaushalt zeigen und damit die oben genannten Studien zum Vergleich mit den Messungen auf der Wiese ermöglichen. „Besonders interessant ist es, zu sehen, bis zu welcher Temperatur die Tiere überleben“, erläutert Professor Gärtner. Die Herausforderung für die Wissenschaftler: „Die Simulationsmodelle müssen sehr genau sein, meist genauer als ein Prozent“. Diese Arbeiten sind laut Gärtner vor allem für die Firmen, die sich mit optischer Messtechnik beschäftigen, sehr interessant.
Ulrich Gärtner fühlt sich mit diesem auf drei bis vier Jahre angelegtem, bislang einzigartigem Projekt der Interdisziplinarität verpflichtet: „Mir liegt das fakultätsübergreifende Arbeiten sehr am Herzen.“ Deswegen passe die Kooperation mit der Universität Tübingen bestens ins Konzept der Ingenieure. Neben den Doktoranden sind auch rund 30 Studenten mit in das Projekt eingebunden.
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