Interaktion zwischen Design und Funktionalität
Ohne die digitale Geometrieverarbeitung kommen seit Jahren weder Automobilbau, noch die Lebenswissenschaften, die Architektur oder auch die Hersteller von Animationsfilmen aus. Sie hat in den vergangenen Jahren neue Märkte erobert und unser Kommunikationsverhalten nachhaltig verändert.
Grundlage und treibende Kraft dieser Entwicklung sind Methoden der angewandten Mathematik und daraus resultierende effiziente und robuste Algorithmen. Entscheidend daran beteiligt ist auch eine Arbeitsgruppe am DFG-Forschungszentrum MATHEON. Im Rahmen eines durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten Projektes „GEOMEC – Diskrete Geometrische Strukturmechanik für Anwendungen in virtueller und erweiterter Realität“ hat auch die Arbeitsgruppe von Prof. Ulrich Pinkall vom MATHEON den Zuschlag für das Teilprojekt „Elastizität mit Diskreter Differentialgeometrie“ erhalten. Koordiniert wird das Verbundprojekt von Juniorprofessor Max Wardetzky von der Georg-August-Universität Göttingen.
Bisher wurden physikalische Aspekte im Computer Aided Geometric Design noch nicht in vollem Umfang berücksichtigt. Diese dadurch in heutigen Produktionsprozessen oft entstehende kostspielige Lücke zwischen Design und Funktionalität will GEOMEC schließen. Beispielsweise möchte ein Designer verstehen, wie die Veränderung von Parametern ein physikalisches System beeinflusst. Gleichzeitig stellt aber der Rechenaufwand einer genauen Simulation derzeit einen erheblichen Zeitaufwand dar und erlaubt kein interaktives Navigieren. Ziel des Projektes ist es nun, diese Einschränkung durch neuartige Methoden zu beheben und die physikalischen Bahnen in Echtzeit und auf groben Skalen beschreiben zu können. Dieser Ansatz ist insbesondere deshalb von Bedeutung, weil für den Designer die Extraktion wesentlicher Informationen von Interesse ist, jedoch niemals jedes Detail der tatsächlichen physikalischen Trajektorie.
So werden neue interaktive Verfahren und Methoden entwickelt, um die physikalisch–funktionalen Aspekte direkt in den Gestaltungs– und Entwurfsprozess zu integrieren. Damit setzt GEOMEC in der virtuellen Produktentwicklung und dem Rapid Prototyping vollständig neue Akzente. Demonstriert wird der Innovationsgehalt der neuen Methoden exemplarisch anhand einer Auswahl konkreter Anwendungen aus dem Bereich der Automobilindustrie.
Aus mathematischer Sicht werden diese Ziele durch eine Verschmelzung von Methoden der Strukturmechanik mit neuesten Erkenntnissen der Diskreten Differentialgeometrie (DDG) erreicht. Die DDG ist an der Schnittstelle von Numerik und klassischer Differentialgeometrie angesiedelt. Ihr Ansatz besteht darin, Axiome, Invarianten und fundamentale Eigenschaften der etablierten klassischen Differentialgeometrie auf struktureller Ebene zu wahren und zu imitieren. Es hat sich hier gezeigt, dass schwierige und tiefe Eigenschaften der klassischen Theorie oft eine verblüffend einfache und intuitive Entsprechung im Diskreten finden.
Dieser Ansatz basiert auf einer Reihe von Arbeiten, die von einigen an GEOMEC beteiligten Wissenschaftlern, insbesondere auch Ulrich Pinkall und Max Wardetzky, schon früher am MATHEON durchgeführt wurde. Einige dieser Forschungen stehen auch im Zusammenhang mit der Animation großer Kinofilme. Echtzeit–Simulationen flexibler Strukturen unter Berücksichtigung von physikalisch–funktionalem Verhalten haben bisher insbesondere in der Filmindustrie bahnbrechende Veränderungen bewirkt. So etwa bei der Animation virtueller Charaktere oder der realitätsnahen Simulation von Haar, Fell oder Stoff.
Doch auch außerhalb der Computergrafik besitzen die Methoden der Diskreten Differentialgeometrie ein weitreichendes Potential für industrielle Anwendungen. Beispiele hierfür sind der digitale Prototypenentwurf, die Montagesimulation oder die Bauraumsimulation im Automobilbau, die virtuelle Operationsplanung oder die Kathetersimulation in der Medizin, die Stoffsimulation und der virtuelle Laufsteg in der Modeindustrie, die Segelsimulation im Bootsbau, die Simulation flexibler Kabel und Schläuche im Maschinen- und Anlagenbau, die Rotorblattdynamik bei Hubschraubern in der Luftfahrt, aber auch die Simulation von Rotoren von Windturbinen, in Verbindung mit der Gesamtsystemsimulation mittels Methoden der Mehrkörperdynamik im Bereich der erneuerbaren Energien.
MATHEON-Professor Ulrich Pinkall betreut bei GEOMEC das Teilprojekt „Elastizität mit Diskreter Differentialgeometrie“. Weitere Teilprojekte werden von Prof. Marc Alexa, Technische Universität Berlin, Fakultät Elektrotechnik & Informatik, Prof. Arnd Meyer, Technische Universität Chemnitz, Fakultät für Mathematik, Juniorprof. Max Wardetzky, Georg–August–Universität Göttingen, Institut für Numerische und Angewandte Mathematik sowie Dr. Joachim Linn, Fraunhofer-Institut für Techno–und Wirtschaftsmathematik geleitet. Kooperationspartner ist die Volkswagen AG.
Weitere Auskünfte: Prof. Max Wardetzky, Tel: 0551 3922235, Email: wardetzky@math.uni-goettingen.de und Prof. Ulrich Pinkall, Tel.: 030 31424607, Email: pinkall@math.tu-berlin.de
Media Contact
Alle Nachrichten aus der Kategorie: Interdisziplinäre Forschung
Aktuelle Meldungen und Entwicklungen aus fächer- und disziplinenübergreifender Forschung.
Der innovations-report bietet Ihnen hierzu interessante Berichte und Artikel, unter anderem zu den Teilbereichen: Mikrosystemforschung, Emotionsforschung, Zukunftsforschung und Stratosphärenforschung.
Neueste Beiträge
Wegweisend für die Diagnostik
Forschende der Universität Jena entwickeln Biosensor auf Graphen-Basis. Zweidimensionale Materialien wie Graphen sind nicht nur ultradünn, sondern auch äußerst empfindlich. Forschende versuchen deshalb seit Jahren, hochsensible Biosensoren zu entwickeln, die…
Rotorblätter wiederverwenden
h_da-Team als „Kultur- und Kreativpilot*innen Deutschland“ ausgezeichnet. Rotorblätter von Windkraftanlagen wiederverwenden statt zu entsorgen: Das „Creative Lab rethink*rotor“ am Fachbereich Architektur der Hochschule Darmstadt (h_da) zeigt, dass sich hieraus Schallschutzwände…
Weltweit erstes Zentrum für Solarbatterien
Strategische Partnerschaft zur Optoionik von TUM und Max-Planck-Gesellschaft. Energie von Sonnenlicht direkt elektrochemisch speichern Optoionik als Querschnittswissenschaft zwischen Optoelektronik und Festkörperionik Bayern als internationaler als Innovationsführer bei solarer Energiespeicherung Das…