Kleine Moleküle im Blick
Humboldt-Stipendiatin Shailja Jain untersucht Katalysatoren für die grüne Chemie.
Sie nutzt Quantentechnologien, um Moleküle zu beobachten: Computerchemikerin Shailja Jain ist als Humboldt-Stipendiatin für zwei Jahre am Institut für theoretische Chemie der Universität Stuttgart zu Gast. Im Team von Professor Johannes Kästner will sie die Entwicklung einer neuen Generation von Katalysatoren für nachhaltige chemische Prozesse vorantreiben.
„Ich möchte die Strukturen, die Bindung und die Reaktionsdynamik der metallfreien Aktivierung von kleinen Molekülen verstehen“, sagt Shailja Jain. Wie verbinden sich Moleküle? Wie brechen diese Bindungen auf? Was beeinflusst chemische Reaktionen? Wie lange dauern sie und wieviel Energie wird dabei verbraucht? Um solche Fragen zu beantworten, simuliert Jain chemische Reaktionen am Computer, verfolgt Schritt für Schritt den Reaktionsweg und berechnet mit Hilfe von Quantengleichungen das voraussichtliche Verhalten der Moleküle.
Willkommen im interdisziplinären Team
Im interdisziplinären Team von Professor Johannes Kästner, der am Institut für theoretische Chemie die Forschungsgruppe für Computerchemie leitet, ist sie mit ihrer Expertise hochwillkommen. „Shailja Jain kennt sich nicht nur mit den Mechanismen hinter chemischen Reaktionen hervorragend aus, sondern auch mit den Katalysatoren, die diese Reaktionen beschleunigen und steuern“, berichtet Kästner. „Sie ist in der Lage, diese Systeme bis ins Detail zu analysieren.“ Mit computergestützten Berechnungen und Prognosen ergänzen er und sein Team die experimentelle Arbeit der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler im Labor – eine gemeinsame Grundlagenforschung, die ganz unter-schiedlichen Wissenschaftsgebieten zugutekommen soll von der Batterie- und Materialforschung über die Entwicklung neuer Medikamente bis hin zur Optimierung industrieller Produktionsverfahren.
Nachhaltige Katalysatoren für effiziente Prozesse
Während ihres Forschungsaufenthaltes in Stuttgart nimmt Jain vor allem Stickstoff und dessen Verhalten im Zusammenspiel mit verschiedenen Katalysatoren in den Blick. In der Luft unbegrenzt verfügbar ist dieses Molekül ein optimales Ausgangsprodukt für die Herstellung von Düngemitteln aus Ammoniak, das seit Jahrzehnten in groß-industriellem Maßstab hergestellt wird. Das Problem: Der Prozess ist mit Temperaturen von bis zu 500 Grad Celsius und einem Druck von bis zu 350 bar energieintensiv, teuer und umweltbelastend. „Für effiziente und nachhaltige Produktionsverfahren brauchen wir neue Katalysatoren, die die Moleküle in Aktion bringen“, erläutert Jain. Die Reaktions-beschleuniger der neuen Generation, die sie erforscht, müssen ressourcenschonend hergestellt werden können, unter niedrigem Druck und bei Zimmertemperatur funktionieren und dürfen nicht toxisch sein.
Grüne Chemie der Zukunft voranbringen
„Ich möchte mein Wissen, meine Kreativität und meine Leidenschaft für computergestützte Chemie nicht nur nutzen, um mein Wissenschaftsgebiet voranzubringen, sondern auch die grüne Chemie der Zukunft“, betont Jain. Seit ihrer Zeit an der High-School begeistert sie sich für Mathematik und die Naturwissenschaften. Ermutigt von ihren Eltern schreibt sie sich an der Universität im nordindischen Sagar ein und macht dort ihren Bachelor und Master. Dann geht sie den nächsten großen Schritt, zieht ins 24 Zugstunden entfernte Puna um und promoviert am National Chemical Laboratory (NCL) mit einer computerge-stützten Studie zu Lösungsmitteln. 2021 wagt sie den Sprung „abroad“ und startet als Postdoc an der Hebrew University in Jerusalem in der Forschungsgruppe des renommierten Quantenchemikers Sason Shaik.
Nachwuchsforschende ermutigen
Seit September 2023 lebt und forscht Jain in Stuttgart. Sie ist eines von vielen Forschungstalenten aus aller Welt, die von der Humboldt-Stiftung für ihre exzellenten wissenschaftlichen Leistungen ausgezeichnet werden und sich für die Universität Stuttgart entschieden haben. Von ihrem neuen Domizil auf dem Universitäts-Campus in Vaihingen erkundet sie die Stadt. Und, wenn sie nicht gerade den Molekülen auf der Spur ist und an den Katalysatoren der Zukunft arbeitet, fährt sie Fahrrad und kocht – indisch. Ihre Heimat zu verlassen, sagt sie heute, sei ihr nicht leichtgefallen. Aber sie hat die Chance ergriffen, um neue Erfahrungen in renommierten Forschungsteams zu sammeln, aber auch, um in andere Kulturen einzutauchen. „Ich hoffe, dass meine Forschungsexpedition auch andere Nachwuchswissenschaftlerinnen und -wissenschaftler dazu ermutigt, über ihren Horizont hinauszudenken und ihre eigenen Karriereträume zu verfolgen.“
Wissenschaftliche Ansprechpartner:
Prof. Johannes Kästner, Universität Stuttgart, Institut für theoretische Chemie, Tel.: +49 711 685-64473, E-Mail: kaestner@theochem.uni-stuttgart.de
Dr. Shailja Jain, Universität Stuttgart, Institut für theoretische Chemie, +49 711 685-64413, E-Mail: jain@theochem.uni-stuttgart.de
https://www.uni-stuttgart.de/universitaet/aktuelles/meldungen/Kleine-Molekuele-im-Blick/
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