Rolling stones am Oberalppass
111 Steine rollen diesen Sommer einen Hang am Oberalppass hinunter. In einem für die Schweiz einmaligen Experiment stossen Forschende der Eidgenössischen Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft WSL während einer Woche wiederholt kleinere Felsbrocken zwischen 25 und 80 kg einen Abhang hinunter.
Bis ins letzte Detail verfolgen sie, wie jeder Stein seinen individuellen Weg sucht. Messinstrumente erfassen, mit welcher Geschwindigkeit die Steine den Hang hinunterpreschen, wie stark sie nach Sprüngen aufschlagen, wie schnell sie rotieren und bis wohin sie vordringen.
Obwohl die Steine nur von fünf unterschiedlichen, fest fixierten Positionen aus starten, ist die Vielfalt der Wege beeindruckend. Einige Steine bleiben bereits in der Mitte des Hangs hängen, andere bahnen sich ihren Weg bis weit in das flache Feld unterhalb des Hangs hinein. Manche kullern genügsam vor sich hin, andere zeigen gewaltige Sprünge von mehreren Metern Höhe.
Genau dieses breite Spektrum an möglichen Falllinien interessiert die Forschenden, denn sie gibt Aufschluss darüber, wie der Boden – ob hart und steinig oder weich und erdig – mit dem Steinschlag interagiert, wie die Steinform – ob rund, eckig oder flach – die Reichweite beeinflusst, welche Kräfte beim Aufprall wirken und wie die Rotation die Flugbahn und die Sprunghöhe bestimmt.
Möglich macht dies ein neu entwickelter Bewegungssensor, der millimetergenau in die Steine eingepasst wird. Er misst 900 Mal pro Sekunde Beschleunigung und Drehgeschwindigkeit und überträgt 10 mal pro Sekunde seine Position an in der Nähe aufgestellte Satelliten, von wo aus sie direkt an den Computer weitergeleitet werden.
Die Auswertung der gewonnenen Daten dauert noch an, doch einige erste Erkenntnisse gibt es bereits. Die umfangreichen Daten bestätigen, dass rundliche Steine eher selten springen, dafür aber sehr weit rollen. Je eckiger die Steine hingegen, desto höher die Sprünge und desto kürzer in der Regel die Reichweite. Weicher Untergrund wie eine Wiese bremst den Fall, harter Untergrund kann vor allem bei kantigen Steinen gewaltige Sprünge und eine hohe Drehgeschwindigkeit auslösen.
Doch das Experiment trägt nicht nur zum besseren Verständnis von Steinschlägen bei, es liefert auch wertvolle Erkenntnisse für die Weiterentwicklung des Steinschlagmodells RAMMS::ROCKFALL. Das am WSL-Institut für Schnee- und Lawinenforschung SLF entwickelte Modell simuliert Steinschläge auf der Basis von digitalen Geländemodellen. Mithilfe der Daten können die Forschenden die Beschreibung des Bodens im Modells verfeinern und die Berechnung der Interaktion von Stein und Boden verbessern.
Im Mai führte ein Mitarbeiter des SLF ein ähnliches Experiment in der steinschlaggefährdeten Region Port Hills in Neuseeland durch. Das Ziel seiner Mission: Ingenieurbüros vor Ort im Umgang mit dem Steinschlagsimulationsmodell RAMMS zu schulen. Weitere Informationen zu diesem Experiment sind auf den Webseiten des SLF zu finden: SLF unterstützt Neuseeland bei Steinschlagprävention
Text und Film: Bärbel Zierl
Media Contact
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