Starke Erdbeben, Wasser unter Druck, hohes Risiko

GPS-Messungen der Verlagerungsvektoren (Abbildung: GFZ)

Die stärksten Erdbeben treten dort auf, wo sich eine ozeanische Platte unter einen Kontinent schiebt. Dabei ist offenbar das in der Grenzfläche zwischen der abtauchenden und der darüber liegenden Platte eingeschlossene Wasser entscheidend für die Stärke dieser Beben.

Eine Gruppe von Wissenschaftlern des Deutschen GeoForschungsZentrums GFZ und der Universität Liverpool stellte bei der Untersuchung des extrem starken Erdbebens vom 27.02.2010 in der Region Maule in Südchile fest, dass der Druck des Wassers in den Gesteinsporen an der Grenzfläche der Platten eine Schlüsselrolle spielt (Nature Geoscience, 28.03.2014).

Für den Spannungsaufbau vor einem Erdbeben und die Stärke des schlagartig bei einem Erdbeben stattfindenden Spannungsabbaus ist entscheidend, wie stark die Platten sich verhaken.

Untersuchungen der großen Erdbeben der letzten Jahre haben gezeigt, dass die horizontale Ausdehnung der Bruchzone vom Spannungsaufbau und der Spannungsverteilung an der Plattengrenze abhängt. Spannungsaufbau und –verteilung wiederum hängen vom Gehalt an Flüssigkeit im Gestein, den Fluiden, und ihrem Druck ab.

„Wir haben Daten aus verschiedenen geowissenschaftlichen Fächern verbunden –Geodäsie, Seismologie und Gesteinskunde. In Chile haben wir obendrein den Vorteil, dass wir in unserem natürlichen Observatorium lange Zeitreihen von Daten gemessen haben,“ erklärt Onno Oncken, Direktor des GFZ-Departments „Geodynamik und Geomaterialien“ den Ansatz.

Die Erdvermessung (Geodäsie) mithilfe von GPS und Radarinterferometrie ermöglicht heute eine sehr präzise Kartierung der Spannung an der Plattengrenzfläche von der Oberfläche aus. Für den Blick in die Tiefen nutzten die Forscher zusätzlich seismologische Beobachtungen. Aus den Erdbebendaten ergab sich ein hoch aufgelöstes, dreidimensionales Bild der seismischen Wellengeschwindigkeiten und ihrer Änderungen im Bereich der Plattengrenze.

Daten zum Druck der Fluide in den Gesteinsporen wiederum stammen aus Messungen im Gelände und im Labor. Die Datensätze waren unmittelbar vor dem großen Chilebeben mit einer Magnitude M=8,8 vom Februar 2010 gewonnen worden.

„Unser Ergebnis zeigt zum ersten Mal mit bislang unerreichter Auflösung, dass der Porenfluiddruck in der Plattengrenzfläche direkt das Aneinanderhaften der Platten steuert und damit auch die Freisetzung seismischer Energie,“ führt Professor Oncken weiter aus. „Zonen veränderter Erdbeben-Wellengeschwindigkeiten sind repräsentativ für Zonen erhöhten Fluiddrucks und hängen räumlich mit Bereichen schwächeren Verhakens der Platten zusammen.“ Dieser Zustand begünstigt Kriechen auf der Plattengrenzfläche.

Dagegen stimmt starkes mechanisches Aneinanderhaften mit niedrigerem Fluiddruck überein. Das Brechen dieser gespannten Bereiche und die Verschiebung an ihnen während des Erdbebens steuern wesentlich die seismische Energieabgabe, die Zerstörungen an der Erdoberfläche und mögliche Tsunami.

Die horizontalen Unterschiede im Porendruck scheinen von Bruchstukturen in der unter Südamerika abtauchenden ozeanischen Platte des Pazifik abzuhängen. An ihnen ist Meerwasser in die Tiefe gesickert, das beim Abtauchen der tektonischen Platten aufsteigt und sich offenbar in der Plattengrenzfläche ansammelt – mit dem Ergebnis allmählich bis zum Bruch steigender Fluiddrucke. Die vorgelegten Forschungsergebnisse können die Grundlagen für neue Strategien zur Überwachung der Grenzfläche zwischen zwei Platten und zur besseren Einschätzung des seismisches Gefährdungspotentials liefern.

Marcos Moreno et al.: “Subduction locking and fluid pressure distribution correlate before the 2010 Chile earthquake”, Nature Geoscience, Vol. 7(2014), Issue 4, pp. 292-296, DOI: 10.1038/NGEO2102, 28.03.2014

Franz Ossing
Helmholtz Centre Potsdam
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