Virtuelle Realität wird riech- und greifbar
Auf dem britischen Wissenschafts-Event Pioneers 09 haben Forscher mit dem „Virtual Cocoon“ ein Konzept für wirklich immersive virtuelle Realität (VR) vorgestellt. Ziel ist es, im Gegensatz zu exisiterenden VR-Systemen alle fünf Sinne gleichzeitig mit hohem Realitätsgrad zu stimulieren.
Um das zu ermöglichen, ist nach Ansicht der am Projekt „Towards Real Virtuality“ beteiligten Wissenschaftler das Zusammenspiel der Sinne ein wichtiger Schlüssel. „Wenn wir die Interaktion der Sinne in den Griff bekommen, dürfte es möglich werden, dadurch beispielsweise den Tastsinn zu unterstützen“, erklärt Projektleiter David Howard, Professor am Department of Electronics der University of York, im Gespräch mit pressetext.
„VR-Projekte haben üblicherweise einen Fokus auf ein oder zwei Sinne – meist Hören und Sehen“, betont Howard. Gerade in diesen Bereichen gibt es auch schon kommerzielle Angebote wie VR-Brillen. Howard hofft darauf, mit Kollegen erstmals ein VR-System zu schaffen, das wirklich alle fünf Sinne umfasst. Gerüche sollen elektronisch mithilfe einer neuen Technik erzeugt werden, an der ein Team um Alan Chalmers an der University of Warwick arbeitet.
„Die Herausforderung dabei ist nicht so sehr, Gerüche zu erzeugen, sondern diese bei Bedarf auch wieder los zu werden“, sagt Howard. Nur dann könnten Geruchsabfolgen sinnvoll simuliert werden, beispielsweise, dass ein Nutzer erst an einem Fisch und dann an einer Rose riecht. Da der Geschmackssinn eng mit dem Geruchssinn verwandt ist, wäre das schon die halbe Miete für ein virtuelles Schmecken. Allerdings will man für eine wirklich realitätsnahe Simulation auch das Texturerlebnis von Dingen im Mund wiedergeben.
Eine besonders große Herausforderung ist ganz allgemein der Tastsinn, für den wohl mehr als nur ein Helmdesign erforderlich sein dürfte. „Es gibt haptische Geräte, die ein gewisses Erlebnis des Fühlens vermitteln“, meint Howard. Allerdings sei man von einem wirklich immersiven Fühlen noch weit entfernt und es sei auch die Frage, wie unnatürlich beispielsweise Handschuhe oder andere Geräte für haptisches Feedback an sich wirken. Allerdings hofft man darauf, durch das Wechselspiel der Sinne tricksen zu können. Ein Experiment habe beispielsweise gezeigt, dass das Gefühl der Weichheit bei britischen Weichspülern eigentlich durch einen Geruch entsteht, so Howard. Derartige Phänomene könnten es leichter machen, den Tastsinn in der virtuellen Realität zu berücksichtigen.
Noch ist der Virtual Cocoon ein Konzeptprototyp, doch die Idee ist ambitioniert.
Gemeinsam mit Forschern der University of Warwick hat Howard im Rahmen des Projekts Towards Real Virtuality Experten gesucht, mit deren Hilfe das umfassende VR-System für alle fünf Sinne realisiert werden könnte. Angestrebt wird eine Zusammenarbeit mit Forschern der Universitäten in Bangor, Bradford und Brighton. Howard hält für möglich, ein wirklich umfassendes VR-System bei entsprechender Finanzierung in einem Zeitrahmen von etwa zehn Jahren zu schaffen. Interessant wäre die Entwicklung wohl in allen Bereichen, wo schon jetzt einfachere VR-Ansätze genutzt werden – von der Bildung über die Medizin und Business-Anwendungen bis hin zur Freizeitgestaltung, wo beispielsweise virtuelle Cocktails Geschmacks-Realität werden könnten.
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Weitere Informationen:
http://pioneers.epsrc.ac.uk http://towardsrealvirtuality.com http://www.elec.york.ac.ukAlle Nachrichten aus der Kategorie: Interdisziplinäre Forschung
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