Pressebericht zur 11. Internationalen Handelsblatt Jahrestagung „Telekommarkt Europa“ 28.-30.Juni 2005 Bonn
IP und Internet verändern die Telekommunikationsmärkte
– Hersteller mit Konvergenz-Konzepten im Wettstreit um Carrier-Kundschaft
– Brüssel macht europäischen Anbietern und Regulierern weiter Druck
Das Thema „Konvergenz“ beschäftigt derzeit intensiv die Strategen und Techniker der bislang noch getrennten Branchen der Informations- und Telekommunikationstechnik. Gemeint ist damit das Zusammenwachsen der unterschiedlichen Netze und Endgeräte durch die Digitalisierung der Inhalte und die zunehmende Kommunikation über das Internet Protokoll (IP). Nur über offene technische Plattformen und die enge Zusammenarbeit von Herstellern sowie Telekommunikations- und Medienunternehmen können die Herausforderungen der neuen Märkte zu einer ähnlichen Erfolgsstory werden wie zuvor der europäische Exportschlager des auf GSM (Global System for Mobile Communications) basierenden Mobilfunks, so die Ansicht der meisten Branchenexperten auf der 11. Internationalen Handelsblatt Jahrestagung „Telekommarkt Europa“ mit 260 Teilnehmern diese Woche in Bonn.
Innovationen auf der Basis konvergenter Sprach-Daten-Dienste
Um auch künftig am Markt erfolgreich agieren zu können, benötigen die Telekommunikationsdienstleister nach Einschätzung von Dr. Thomas Götz, Managing Partner des Beratungsunternehmens Detecon International GmbH, für kommende konvergente Dienste grundsätzlich andere, auf Produkt-Modulen basierende Innovationsprozesse. „Die bisherigen Innovationsszenarien aus Netzbetreibern und Herstellern funktionieren in Zeiten IP-basierter Kommunikation über das Internet nicht mehr“, so Götz am Donnerstag in Bonn. Der Wettbewerb erfolge künftig auf dieser Modul-Ebene, die über eine so genannte Service Delivery Plattform (SDP) sehr schnell und flexibel bereitgestellt werden könne.
Wie derartige konvergente Dienste im Detail aussehen müssen, um erfolgreich zu sein, da gehen die Expertenmeinungen indes weit auseinander. „Alle Anbieter halten intensiv Ausschau, es ist aber weit und breit keine neue Killerapplikation wie zuletzt SMS im Mobilfunk in Sicht“, erklärte Roger Fawcett, Director Business Development für Netzwerk und Service Providers EMEA bei Hewlett Packard, zu den aktuellen Herausforderungen der CIOs. Große Sorge mache er sich derzeit insbesondere um die Umsätze der Festnetzanbieter durch das Aufkommen von Angeboten wie Skype für kostenfreie Internet-Telefonie.
Wieder aufkeimenden Optimismus und eine Rückkehr zur alten Faszination der Telekommunikationsbranche sieht dagegen Lothar Pauly, Vorsitzender des Bereichsvorstandes Communications der Siemens AG. Die jüngsten Übernahmen in der Branche zeigten, dass die Investoren wieder auf das Wachstum schauen. Auch Pauly gab ein klares Bekenntnis zu offenen Standards und offenen Architekturen ab, um multimedialen Konzepten wie beispielsweise „Home Entertainment“ zum Erfolg zu verhelfen. Ein tragende Rolle bei der Konvergenz der Dienste und Netze wird nach Ansicht fast aller Experten IMS (IP Multimedia Subsystem) die Diensteplattform spielen. Das von Siemens entworfene Konzept für konvergente Dienste nennt sich „LifeWorks@Com“ und will für den Nutzer bei der Kommunikation nur noch eine einheitliche Domäne mit einer Mailbox, einer Sprachbox und einer PIN auf nur einer Rechnung.
„Die Nutzer wünschen eine Vielfalt bei Diensten und Endgeräten und gleichzeitig einfache, einheitliche Bedienbarkeit“, ist Dr. Theo Wichers, Director Marketing der Alcatel SEL AG, überzeugt. Die dazu erforderliche technische Komplexität müsse jedoch – für den Nutzer unsichtbar – durch die Intelligenz im Netz absorbiert werden. Alcatel spricht von „User Centric Communications” und sieht die Netzbetreiber und Provider dabei in einer Rolle als Partner der Medienunternehmen für die Verbreitung von deren Inhalten (Content). Die besten Chancen bestünden deshalb für Anbieter, die ihre Telekommunikationsdienste mit hoher Qualität und Zuverlässigkeit bereitstellen könnten.
Vor allem Einsparpotenziale und Wachstumschancen durch die konvergenten Märkte sieht David Poticny, Europa-Chef des amerikanischen Herstellers Lucent Technologies, für die Betreiber von Telekommunikationsnetzen und spricht von „Next Gerneration Lifestyle Services“. Die neue IMS-Architektur erlaube auch neue Wertschöpfungen in den IP-basierten Netzen, da die künftigen Dienste den veränderten Marktbedingungen so viel schneller und effizienter angepasst werden könnten.
Brüssel macht europäischen Anbietern und Regulierern weiter Druck
EU-Kommissarin Viviane Reding hat den Mobilfunkbetreibern auf dem Kongress in Bonn mit Maßnahmen gedroht, falls sie ihre Gebühren für das Auslandsroaming nicht freiwillig senken. Es dürfe nicht sein, dass die Verbraucher im europäischen Binnenmarkt unverhältnismäßig mehr für Telefonate zahlen müssten, als wenn sie ins Ausland reisten. Diese Tarife müssten in einem „vernünftigen Verhältnis“ zu den nationalen Preisen stehen.
Die Europäische Kommission wird laut Reding in Kürze auch gegen elf weitere Staaten der Europäischen Union Vertragsverletzungsverfahren einleiten. Als Beispiele für die Defizite in der Umsetzung des Rechtsrahmens von 2002 nannte sie die Bereiche Rufnummern-Mitnahme, Teilnehmerverzeichnisse und Verfügbarkeit einer einheitlichen europäischen Notrufnummer sowie den Spielraum der nationalen Regulierungsbehörden. Um welche Staaten es sich handelt, wollte Reding öffentlich noch nicht sagen.
Für Ende dieses bzw. Anfang kommenden Jahres kündigte Reding außerdem Konsultationen mit den Stakeholdern und Regulierern aus Europa an. Diese Gespräche dienen nach Angaben der Kommissarin der laufenden Überprüfung und gegebenenfalls Überarbeitung des europäischen Rechtsrahmens darauf hin, ob dieser noch im Interesse des Marktes und der Verbraucher sei.
Am letzten Kongresstag ging es auf der 11. Internationalen Handelsblatt Jahrestagung „Telekommarkt Europa“ um zukünftige Wachstumsstrategien im deutschen Mobilfunkmarkt. T-Mobile und O2 Germany werden in Deutschland keine eigene Billigmarke ins Leben rufen. Das machten Rudolf Gröger, CEO von O2 Germany, und Timoteus Höttges, Vorstand Sales and Service Operations Europe der T-Mobile International AG, am Donnerstag auf der Handelsblatt Jahrestagung unmissverständlich klar. Während T-Mobile laut Höttges zumindest offen für Partnerschaften zu Discount-Angeboten ist, wie bereits in Großbritannien bei Easy Mobile, machte Gröger kein Hehl aus seiner Ansicht zum Einstieg von E-Plus mit der Billigmarke Simyo in den deutschen Markt: „Derjenige, der die Preisspirale in Gang bringt, fügt der Mobilfunkbranche gewaltigen Schaden zu“, so der O2-Chef im Streitgespräch mit E-Plus-Chef Uwe Bergheim in Bonn.
Rudolf Gröger sieht die grössten Wachstumspotenziale für die Mobilfunkbranche ebenfalls in der Substitution von Festnetzverkehr durch Mobilfunknutzung sowie im Bereich „Mobile Entertainment“. Dabei seien für die Festnetzsubstitution nicht die Preise entscheidend: „Die Preise müssen sich noch ein wenig anpassen, aber das geht auch ohne No-frills-Angebote“, so Gröger. Vielmehr sei die Einfachheit der Nutzung ein wesentlicher Treiber für diese Entwicklung – für die Nutzer sei es bequemer, alle Rufnummern auf einem Gerät verfügbar zu haben und dieses in allen Situationen zu nutzen; immerhin würden zwei Drittel aller Mobilfunkgespräche aus Gebäuden geführt. Allerdings müsse für einen Erfolg dieser Strategie weiter daran gearbeitet werden, dort die Erreichbarkeit zu verbessern.
Für die Entertainment-Angebote sei es aktuell nicht relevant, ob dieses Geschäft funktioniere. „Die Investitionen für die UMTS-Netze sind sowieso eine riesige Wette“, so Gröger. „Aber ich bin davon überzeugt, dass diese Infrastruktur genutzt werden wird“. Den Schlüssel für einen Erfolg sieht Gröger in einer genaueren Segmentierung der Zielgruppen: „Die Killerapplikation ist das Verständnis, wie Kunden segmentiert werden und was wir diesen Segmenten anbieten“. Dafür sei Mobile Entertainment ein perfektes Werkzeug, da sich aus der individuellen Nutzung derartiger Angebote ein fundiertes Wissen über die Interessen und Präferenzen der Kunden ergebe.
Für die weitere Entwicklung rechnet Gröger mit einer stärkeren Differenzierung im Markt. Es werde eine Polarisierung stattfinden: Auf der einen Seite treten starke „Powerbrands“ aus anderen Branchen in den Markt, die mit einer starken Marke und eigener Kundenbasis spezifische Angebote vermarkten können; auf der anderen Seite stehen die so genannten No-frills-Angebote, die unter Verzicht auf Service und subventionierte Endgeräte nur auf Preise und Transparenz als Kaufargumente setzen. Die Marken in der Mitte verlieren dagegen an Bedeutung.
Diese Strategie ist für Gröger auch entscheidend für den Erfolg der UMTS-Dienste. So erwartet er, dass etwa ein Viertel der im kommenden Weihnachtsgeschäft verkauften Vertragshandys UMTS-fähig sein wird. Eine Vermarktung über den Preis, wie etwa in Großbritannien, wo derzeit Kunden für UMTS-Verträge günstigere Minutenpreise angeboten werden, hält er für falsch. O2 sehe den Schlüssel in der Positionierung über Premium-Angebote, attraktive Endgeräte und Dienste-Qualität.
Autoren: Georg Stanossek/Johannes Lenz-Hawliczek
georg@stanossek.de
Über TK-Europa:
Auf der 11. Internationalen Handelsblatt Jahrestagung „Telekommarkt Europa“ (www.tk-europa.de, 28. bis 30. Juni 2005, Bonn) wurden neue Ideen, Strategien und Technologien für die Telekommunikationsbranche vorgestellt. 25 Referenten – national und international – berichteten praxisnah über Konvergenz der Netze, Migration zu neuen Mobilfunkdiensten und Breitbandcontent. Durch direkten Kontakt mit hochkarätigen Top-Managern und -Experten aus marktführenden TK-Unternehmen sowie mit renommierten Branchenbeobachtern konnten die Teilnehmer ihre Sicht der TK-Märkte in Europa erweitern und reflektieren. Der Termin für 2006: 31. Mai – 2. Juni 2006.
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