Wer artikuliert wo und wann wie seine Einstellungen und Wertungen?

Zur internationalen Augsburger Linguisten-Konferenz „Evaluation and Text Types“


Britische Politiker verpacken in Interviews ihre Wertungen und Einstellungen ganz anders als deutsche. Sehr ähnlich hingegen gehen französische und italienische Wissenschaftler vor, wenn sie in ihren Aufsätzen Wertungen und Einstellungen zum Ausdruck bringen wollen. Und wie sieht es aus, wenn man die entsprechenden Techniken vergleicht, auf die US-amerikanische und saudiarabische Journalisten in ihren Artikeln zurückgreifen? Solche Fragen und Einsichten prägten die jüngst vom Augsburger Lehrstuhl für Englische Sprachwissenschaft veranstaltete internationale Konferenz „Evaluation an Text Types“.
„Es war eine in jeder Hinsicht gelungene Konferenz, die auch aus interkultureller und interdisziplinärer Sicht bemerkenswert war“, bilanzieren Lehrstuhlinhaber Prof. Dr. Wolfram Bublitz und seine Mitarbeiterin Monika Bednarek im Rückblick auf das zweitägige Treffen, zu dem sie die Crème der internationalen Evaluationsforschung an die Universität Augsburg eingeladen hatten. Ziel der Konferenz war es, einen Überblick über die Forschungslage und über die allerneuesten Entwicklungen auf diesem „wiederentdeckten“ Spezialgebiet der Linguistik zu schaffen.

Niemand kommuniziert im einstellungsneutralen Raum

Evaluation? „Linguisten“, erläutert Monika Bednarek, „denken bei Evaluation nicht in erster Linie an die Bewertung ihrer Lehre oder Forschung, sondern viel eher an sprachliche Ausdrücke und Strategien der Sprechereinstellung. Schließlich kommunizieren wir ja nicht in einem einstellungsneutralen Raum. Wir geben beim Sprechen vielmehr stets kund, wie wir das, was wir und andere meinen, einschätzen, einordnen und beurteilen.“ Die Evaluationsforschung, die sich um diese Aspekte der Sprache und des Sprechens kümmert, lag eigentümlicherweise lange Zeit brach. „Erst seit kurzem, nun aber umso heftiger wird dieses Feld wieder beackert“, so Wolfram Bublitz.

Manifestation der Sprechereinstellung im Text

Auf dem Programm der Augsburger Konferenz standen 17 Vorträge von Linguistinnen und Linguisten aus Spanien, Großbritannien, Holland, Argentinien und Deutschland, die allesamt zur Avantgarde der internationalen Evaluationsforschung zählen. Sie befassten sich auf der Grundlage unterschiedlichster Ansätze und aus verschiedensten Perspektiven mit der Manifestation der Sprechereinstellung im Text, also mit Wörtern, Strukturen und auch nicht-sprachlichen Mustern, die offenkundig oder unterschwellig Einstellungen und Wertungen vermitteln.

Textsortenabhängige Eignung der diversen Ansätze

Im Zentrum der Konferenz stand auch die Frage nach der Adäquatheit der konkurrierenden Erklärungsansätze. Aus der Warte so unterschiedlicher Teildisziplinen wie der Linguistischen Pragmatik, der Kognitiven Linguistik oder der Systemisch-Funktionalen Linguistik wurden mehrere Beschreibungsmodelle auf den Prüfstand gestellt – darunter ’corpus-driven approach’, ’appraisal approach’, ’parameter approach’, ’stance’ und ’positioning theory’. Datengrundlage waren akademische Rezensionen, Zeitungs- und TV-Interviews, Zeitungsreportagen, wissenschaftliche Aufsätze, Websites, Dokumentarfilme und TV-Talkshows. Bei der Anwendung der verschiedenen Ansätze auf diese unterschiedlichen Textsorten wurde klar, dass nicht jeder Ansatz in gleicher Weise zur Analyse jeder Textsorte taugt.

Kontext- und kulturbedingter Einsatz evaluativer Mittel

Die interkulturelle Perspektive kam dadurch ins Spiel, dass die analysierten Texte nicht nur in englischer, sondern auch in französischer, italienischer, spanischer, russischer, arabischer und deutscher Sprache verfasst waren. So zeigten sich beispielsweise Unterschiede in den evaluativen Mitteln, die deutsche und britische Politiker in Interviews verwenden, während sich italienische und französische wissenschaftliche Aufsätze im Ausdruck ihrer Evaluation sehr ähneln. Auch interkulturelle Unterschiede zwischen Inhalt und Art der Evaluation in saudi-arabischen gegenüber US-amerikanischen Zeitungen wurden diskutiert. Durch den stetigen Perspektivenwechsel machten sich die Teilnehmer und Teilnehmerinnen mit alternativen und ergänzenden Ansichten zur Evaluation vertraut, die sie fortan in ihren Forschungen berücksichtigen können.

Die Konferenz „Evaluation and Text Types“ wurde von der Gesellschaft der Freunde der Universität Augsburg e. V. gefördert.

Kontakt und weitere Informationen:
Lehrstuhl für Englische Sprachwissenschaft
Universität Augsburg
86135 Augsburg
Telefon 0821/598-5754
monika.bednarek@phil.uni-augsburg.de

Media Contact

Klaus P. Prem idw

Weitere Informationen:

http://www.uni-augsburg.de/

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