Welche Ethik braucht das Internet?
PROF. DR. THOMAS HAUSMANNINGER: EIN MEDIEN- UND UMWELTETHIKER AUF DER AUGSBURGER PROFESSUR FÜR CHRISTLICHE SOZIALETHIK –
„Cyber-Kontrolle: Welche Ethik braucht das Internet?“- der Titel seiner Antrittsvorlesung am kommenden Dienstag, dem 6. Februar (Beginn um 18.00 Uhr, in HS III des Hörsaalzentrums, Universitätsstraße 10), ist programmatisch: Prof. Dr. Thomas Hausmanninger, Inhaber der Professur für Christliche Sozialethik an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Augsburg, ist ein ausgewiesener Medienethiker. Und weil es zudem für ihn „naheliegend“ ist, Sozialethik insbesondere auch als Umweltethik zu verstehen, dürfte er alsVertreter seiner Fakultät im Augsburger Wissenschaftszentrum Umwelt (WZU) einer der wenigen Theologen sein, die mit in die „High-Tech-Offensive“ des Freistaats Bayern gegangen sind.
PROF. DR. THOMAS HAUSMANNINGER: ZUR PERSON
1958 in Traunstein geboren, studierte Hausmanninger zwischen 1978 und 1986 an der LMU München, der Universität Salzburg und an der Hochschule für Philosophie der Jesuiten in München katholischen Theologie, Germanistik und Philosophie. Nach dem Diplom-Abschluss in Theologie vertrat er bis 1991 eine wissenschaftliche Assistentenstelle am Institut für Moraltheologie und Christliche Sozialethik der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität München und war zugleich Lehrbeauftragter der Volkshochschule München. Nach der Promotion zum Dr. theol. mit einer Dissertation zum Thema „Der medienethische Diskurs über den Film im zwanzigsten Jahrhundert in Deutschland. Epochentypologische Rekonstruktion“ im Jahr 1991 blieb Hausmanninger als Assistent an der Katholisch-Theologischen Fakultät der LMU, an der er sich im Jahr 1997 mit der Schrift „Subjektivität, Pluralität, Integration. Studien zur Legitimitätsfrage weltanschaulich-religiöser Pluralität als Grundproblem einer Christlichen Sozialethik“ habilitierte. Zum Wintersemester 1997/98 übernahm er die Vertretung der an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Augsburg neu geschaffenen Professur für Christliche Sozialethik (früher Lehrstuhl für Christliche Soziallehre/Prof. Dr. Anton Rauscher), auf die er dann im August 1998 berufen wurde.
Als Christlicher Sozialethiker befasst sich Hausmanninger zunächst mit der philosophischen und theologischen Ethikbegründung: Er fragt, wie sich rationale Konzepte für die Begründung konkreter moralischer Prinzipien und Normen erstellen lassen, und geht dabei in primär problemgeschichtlicher Perspektive auch philosophie- und theologiegeschichtlichen Fragen nach.
SCHWERPUNKTE MEDIEN- UND UMWELTETHIK
Spezielle Arbeitsgebiete des Sozialethikers Hausmanninger, mit denen er zum einen dem Lehrangebot der Katholisch-Theologischen Fakultät einen besonderen Akzent verleiht und zum anderen der Einbindung der Fakultät in gesamtuniversitäre Schwerpunkte Rechnung trägt, sind die Medien- und die Umweltethik.
Im Bereich der Medienethik, einer relativ jungen Bereichsethik, die jedoch immer größere Aufmerksamkeit auch außerhalb der Philosophie und Theologie findet, hat Hausmanninger sich bereits mit seiner Promotion und – seit Mitte der 90er Jahre – als Gastdozent an der Hochschule für Film und Fernsehen München sowie als Mitglied der Arbeitsgruppe „Forum Medien“ des Landeskomittees der Katholiken in Bayern ausgewiesen. Seit 1998 ist er auch Mitglied im wissenschaftlichen Beirat des „Netzwerkes Medienethik“ und in der Gesellschaft für Medien- und Kommunikationskultur (GMK).
FILM, FERNSEHEN, COMICS
Als Medienethiker beschränkt Hausmanninger sich nicht auf das gängige Gebiet der journalistischen Ethik, vielmehr befasst er sich v. a. auch mit den sogenannten Trivial- und Unterhaltungsprodukten im Bereich von Film, Fernsehen und Comics, die weitgehend die Populärkultur prägen. Ein einschlägiges interdisziplinäres Buchprojekt, das sich mit dem Problem der Mediengewalt in ethischer Zielrichtung befasst, befindet sich kurz vor seinem Abschluss, während eine von Hausmanninger mit vorbereitete Tagung des „Netzwerks Medienethik“ sich in Kürze neuen Formaten des performativen Realitätsfernsehens am Beispiel von Big Brother widmen wird.
VIRTUELLE REALITÄT IM ALLTAG
Ein innerhalb der Medienethik von Hausmanninger bearbeitetes Spezialgebiet ist die Informationsethik, bei der es um die ethische Reflexion computervermittelter Kommunikation geht, also primär um das Internet, darüber hinaus aber generell um die soziale Bedeutung von Phänomenen wie Virtueller Realität, Artificial Intelligence oder Artificial Life, die über zwischen Wissenschaft und Unterhaltungskultur angesiedelte Produkte – z. B. über computergestützte Spiele – in den Alltag einwandern. Ende Februar 2001 wird ein von Hausmanninger in Zusammenarbeit mit seinem Stuttgarter Kollegen Prof. Dr. Rafael Capurro konzipierter und organisierter Augsburger Workshop zur Informationsethik versuchen, die auf diesem Gebiet arbeitenden Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler stärker zu vernetzen.
RISIKOKOMMUNIKATION UND INTERNETETHIK
Soeben eingestiegen sind Hausmanninger und sein Mitarbeiter Dr. Rupert Scheule in ein Projekt über Risikokommunikation im Internet. Risikokommunikation ist eine Kommunikationsform, die sich in den 1980er Jahren als gesellschaftliche Debatte um Schlüsseltechnologien wie die Kernenergie, die atomare Rüstung und – etwas später – die Gentechnologie entwickelt hat. Interessant ist, dass solche Debatten im Netz einen veränderten Zuschnitt gewinnen, und anhand einer Analyse entsprechender mehrjähriger Kommunikationsverläufe will Hausmanninger Konsequenzen für eine Netzethik entwickeln.
UMWELTETHIK ALS SOZIALETHIK
Als Umweltethiker widmet sich Hausmanninger, der seine Fakultät in dem im Rahmen der „High-Tech-Offensive Bayern“ an der Universität Augsburg errichteten interdisziplinären „Wissenschaftszentrum Umwelt“ (WZU) vertritt, einerseits ethischen Grundlagenfragen, andererseits aber auch konkreten Umweltproblemen und deren soziale Lösungsmöglichkeiten. „Umweltethik im Rahmen der Sozialethik zu betreiben“, so sagt er, „ist naheliegend. Denn tatsächlich sind Umweltprobleme ja stets mit der sozialen Dimension verbunden: Zum einen, weil wir sie mit unseren Sozietäten verursachen, zum anderen, weil alle Versuche, ihnen zu begegnen, stets auch eine soziale Dimension besitzen und an dieser mitunter zu scheitern drohen.“
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