Fernsehen leidet an Kindermangel

Familienbild im deutschen TV meist unrealistisch

Eine aktuelle Studie des Adolf Grimme Instituts zeigt auf, dass elektronische Medien ein mangelhaftes Familienbild zeichnen und familienpolitische Debatten kaum in ihr Programm aufnehmen. Sowohl in fiktionalen wie in non-fiktionalen Formaten finden sich auffallend selten aktuell brisante Themen wie Vereinbarkeit von Familie und Beruf, Bildungsniveau der Kinder oder Erziehungskompetenz der Eltern. Während in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft weitgehend Einigkeit über die Herausforderungen der demographischen Entwicklung herrscht, fehlen im deutschen Fernsehen diese Fragen meist. „Den Schreibern fehlt es an Ideen. Es herrscht ein Mangel an Fantasie unter den Drehbuchautoren, sie sollten mehr Mut haben etwas auszuprobieren. Es gibt schließlich auch spannende Geschichten zu erzählen, die sich um eine Familie drehen“, so Studienautorin Irmela Hannover gegenüber pressetext.
Das bestimmende Lebensmodell der Serien, Krimis und Fernsehfilme ist das großstädtische Singledasein. Familien mit Kindern kommen hingegen kaum vor. Insbesondere die klassische deutsche Kleinfamilie mit zwei Nachkömmlingen, die in der Realität vorherrschend ist, wird in der fiktiven Fernsehwelt im Grunde gar nicht aufgegriffen. Das Familienbild im TV wird vielmehr von weitverzweigten Großfamilien in den Serien, alleinerziehenden Multi-Tasking-Powerfrauen im Fernsehfilm und von einzelkämpferischen melancholischen Wölfen und Wölfinnen im Krimi geprägt. Die Geburtenrate in der Fernsehwelt liegt noch weitaus unter der bereits sehr niedrigen deutschen Geburtenrate von 1,3 Kindern pro Frau. In fiktionalen Formaten sind bis zu Dreiviertel aller Protagonisten kinderlos.
Besonders auffallend sei auch, dass in der deutschen Fernsehfiktion die Mittelschichstfamilie sehr dominiert und sozial niedrigere Schichten so gut wie gar nicht vorkommen, sagt Hannover im Gespräch mit pressetext. „In England ist das zum Beispiel anders. Da werden sozial untere Schichten häufig als Thema aufgegriffen. Das muss ja auch nicht immer gleich bedeuten, dass dies traurige Geschichten sind. Man kann das durchaus auch mit viel Humor verarbeiten“, erklärt Hannover. Vor allem vermisst die Autorin aber familienpolitische Themen im non-fiktionalen Bereich. Kaum ein Prozent der deutschen Nachrichten und Magazine beschäftigen sich mit familienpolitischen Meldungen. „Familienpolitik ist leider immer noch so genannte „WW (Weiche Weiber)-Politik“. Familie wird immer noch als Softthema behandelt und nicht richtig ernst genommen“, setzt Hannover fort. Vor allem von den elektronischen Medien sei die Wichtigkeit von Familienpolitik noch nicht erkannt worden.

Besonders beim Fernsehen verhindert ein event-orientierter Politikbegriff das Aufgreifen langfristiger Themen wie Familienpolitik. Die Akteure in familienpolitischen Nachrichten sind zudem meist Privatpersonen und selten Politiker. Die Berichterstattung beschäftigt sich überwiegend mit familiären Schicksalen, Familie und Kriminalität oder Eltern-Kind-Beziehungen, Themen der demographischen Entwicklung besetzen jedoch nur einen Nischenplatz. Für die Redakteure seien solch langfristige familienpolitsche Prozesse natürlich nicht so einfach aufzunehmen, meint Hannover. Allerdings sei es an der Zeit, dass die Medienmacher Familienpolitik endlich als Hardcore-Thema erkennen.

Media Contact

Claudia Zettel pressetext.austria

Weitere Informationen:

http://www.grimme-institut.de

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