Werbung in Unternehmen: Neue Abmahnwelle droht
Seit Inkrafttreten des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) im Sommer 2006 kann jedes Unternehmen, jeder Vorgesetzte, aber auch jeder Vermieter von potenziellen Diskriminierungsopfern auf Schadenersatz verklagt werden, wenn diese sich auf Grund ihres Geschlechts, ihrer Rasse oder ethnischen Herkunft, ihrer Religion oder Weltanschauung, ihres Alters, einer Behinderung oder ihrer sexuellen Identität diskriminiert sehen.
„In den Köpfen vieler Arbeitgeber und Führungskräfte 'spukt' herum, dass dies in der Regel ausschließlich die Arbeitnehmer im Unternehmen und abgewiesene Bewerber betrifft. Das stimmt. Doch es stimmt nicht ganz. Denn als Marketingverantwortlicher muss man den Blick nun auch auf das AGG richten. Sonst kann es schnell passieren, dass ausgerechnet die erfolgreichsten Marketingaktionen, egal ob im Web oder Katalog, per Beilage, als Mailing oder Anzeige, wie ein Schuss nach hinten wirken und das Unternehmen sehr schnell sehr viel Geld kosten können“, warnt Günter Stein, Chefredakteur des Bonner Fachdienstes „Marketingleitung aktuell“.
Ab sofort müssten Unternehmen ihre Werbung vorab daraufhin überprüfen, ob sich jemand diskriminiert fühlen könnte. „Die Zahl der bereits anhängigen Klagen zeigt: Die schlimmsten Befürchtungen der Kritiker des vollkommen missglückten Gleichbehandlungsgesetzes werden von der Praxis noch übertroffen. So erhält jedes der deutschen Arbeitsgerichte durchschnittlich drei Klagen pro Tag von abgewiesenen Bewerbern, die sich diskriminiert fühlen. Und bei jeder dieser Klagen geht es um einen Schadenersatzanspruch in Höhe von bis zu drei Monatsgehältern. Im vergangenen Monat haben nun auch die Verbraucherschutzvereine und der umstrittene Berliner Verband sozialer Wettbewerb angekündigt, Werbemaßnahmen auf diskriminierende Tatbestände hin untersuchen und abmahnen zu wollen. Im Streitfall könnten Unternehmen dazu gezwungen werden, bereits produzierte Werbeartikel, egal ob Prospekte, Kataloge oder teure Aufsteller einstampfen zu müssen“, sagt Stein im Gespräch mit pressetext.
Mit dem Beweisumkehrprinzip des Gleichbehandlungsgesetzes müsste ein Unternehmen im Streitfall haarklein erklären und belegen können, warum es die Werbung nicht für diskriminierend hält – und was es unternommen hat, um Diskriminierungen von Anfang an zu verhindern. „Es gilt zwar noch der Grundsatz 'Wo kein Kläger, da kein Richter'. Doch die Kläger werden über kurz oder lang kommen. Denn es geht hier schlichtweg um Geld. So wie zahlreiche abgelehnte Bewerber das Gleichbehandlungsgesetz als Geldmaschine entdeckt haben, werden sich auch Abmahnvereine, das Gesetz zunutze machen, um die eigenen Kassen zu füllen“, weiß Stein. Der Gesamtverband der Agenturen habe für seine Mitglieder Richtlinien und Beispiele entworfen, an denen sich auch Marketingleiter orientieren können. Dabei weist der Gesamtverband noch einmal darauf hin, dass das AGG nicht ausdrücklich Anwendung auf die Werbung findet, aber dass es eben doch Auswirkungen auf die Formulierung und Darstellung von Angeboten hat.
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