Die virtuelle Arbeitswelt

Unternehmen sind nicht allein durch ihre formalen Strukturen und ihre formalisierten Arbeitsabläufe bestimmt, sondern in beträchtlichem Umfang auch durch informelle Prozesse. Das ist empirisch gut belegt. Das persönliche Gespräch jenseits der Dienstwege, die sozialen Netzwerke zwischen Beschäftigten oder das Erfahrungswissen der lang gedienten Mitarbeiter prägen das Gesicht von Unternehmen ebenso wie die formalen Regelungen der Arbeitsteilung und die formalen Hierarchien von Anweisungsbefugnissen und Ausführungspflichten.

Die digitalen Informations- und Kommunikationsmedien haben in den letzten beiden Jahrzehnten zu erheblichen Veränderungen dieser Prozesse und Strukturen beigetragen. Wie diese Veränderungen auch hierarchische Strukturen beeinflussen können, wollen nun Wissenschaftler der TU Berlin klären.

Digitale Prozesse, wie zum Beispiel E-Mail-Verkehr, formalisieren Entscheidungswege und Weisungsstrukturen, doch manche Organisation wird auch flexibler. Doch die Digitalisierung birgt auch neue Formen des informellen Austauschs. „Zwischen Tür und Angel“ können Dienstwege abgekürzt und sogar Zuständigkeiten umgangen werden.

Die große Frage nach der Neuordnung des Verhältnisses von Formalisierung und Informalität kann noch nicht abschließend beantwortet werden. Das zeigte die Diskussion auf einer Tagung, die die TU-Professoren Christiane Funken, Fachgebiet Kommunikations- und Mediensoziologie, Geschlechterforschung und Ingo Schulz-Schaeffer, Techniksoziologie, zusammen mit dem Deutschen Digital-Institut im November in Berlin organisiert hatten. Sehr wohl aber lassen sich bestimmte Trends aufzeigen. Ein markanter Effekt der Digitalisierung ist, dass immer größere Anteile der Arbeit in Kommunikation investiert werden.

Die Leichtigkeit, mit der heute per E-Mail oder Intranet Informationen einzuholen und Anfragen zu stellen sind, geht dabei einher mit einem gewandelten Organisationsverständnis. Galt zusätzlicher Kommunikationsaufwand früher als Zeichen für eine defizitäre Arbeitsorganisation, so wird eine diskursive Koordinierung bei der Planung und Abstimmung von Arbeitsaufgaben heute eher positiv gesehen und als Nutzung der aufgewerteten Unternehmensressource des „human factor“ begrüßt. Die persönliche Begegnung zum kennen lernen erleichtert allerdings die nachfolgende Koordination über digitale Medien. Unternehmen werden heute – ein weiterer Trend – durch digitale Medien „virtualisiert“. Module und Arbeitsprozesse können ausgelagert und auch aus der Distanz gesteuert und überwacht werden. Dennoch ergibt sich für die Beschäftigten der ausgelagerten Einheiten eine größere Freiheit. Für Manager wird es daher umso wichtiger, auf informelle Mechanismen des Vertrauens zu setzen als auf formale Kontrolle.

Die wissenschaftliche Erforschung der Wirksamkeit digitaler Medien wird, so die Organisatoren Christiane Funken und Ingo Schulz-Schaeffer, Technik- und Medienforschung mit Arbeits- und Organisationsforschung verbinden müssen, um fruchtbar zu sein.

Weitere Informationen erteilen Ihnen gern:

Prof. Dr. Christiane Funken, Technische Universität Berlin,
Fachgebiet Kommunikations- und Mediensoziologie, Geschlechterforschung,
Tel.: 030 / 314 – 7 14 59, E-Mail: christiane.funken@tu-berlin.de
Prof. Dr. Ingo Schulz-Schaeffer, Technische Universität Berlin,
Fachgebiet Techniksoziologie, Tel.: 030 / 314 – 2 53 81, E-Mail: schulz-schaeffer@tu-berlin.de

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Ramona Ehret idw

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