Zeit kippen – Filmexperimente mit Raum und Zeit
Doch leider lassen Raum und Zeit genau das nicht zu. Etwas ganz Ähnliches dagegen funktioniert wie selbstverständlich: Am selben Ort zu unterschiedlicher Zeit sein, ist leicht – man denke nur an sein Bett und diverse Nächte. Könnte man nicht Raum in Zeit verwandeln und umgekehrt!
Im Büro fleißig arbeiten und gleichzeitig faul am Strand liegen. Wer hätte nicht schon davon geträumt, einmal zur selben Zeit an unterschiedlichen Orten zu sein. Doch leider lassen Raum und Zeit genau das nicht zu. Etwas ganz Ähnliches dagegen funktioniert wie selbstverständlich: Am selben Ort zu unterschiedlicher Zeit sein, ist leicht – man denke nur an sein Bett und diverse Nächte. Könnte man nicht Raum in Zeit verwandeln und umgekehrt!
Diesem zunächst abwegig scheinenden Gedanken hat sich der Göttinger Medienwissenschaftler und Mathematiker Werner Große nun in einem Filmexperiment genähert. Er stellte die Frage, wie wohl eine Welt aussähe, in der man die Zeitachse wie eine Raumachse behandelt. Dazu digitalisierte er kurze Filmszenen, tauschte in einem Computer räumliche Bilddaten gegen zeitliche aus und war verblüfft. Was er als Ergebnis auf dem Bildschirm sah, waren surrealistisch anmutende Laufbilder, die tief in die raumzeitlichen Zusammenhänge blicken lassen.
Er zeigte die so generierten Szenen in Braunschweig medienwissenschaftlichen Studierenden an TU und HBK, die fasziniert anfingen, sich eigene Szenen auszudenken und zu spekulieren, wie die wohl „zeitgekippt“ aussehen würden. Was geschieht mit einer Kniebeuge und was mit einem Sprung durch den Raum? In was verwandelt sich eine Pirouette und was wird aus langsam bzw. schnell? Einige von ihnen hatten daraufhin während eines Praktikums im Göttinger Institut IWF Wissen und Medien die Gelegenheit, ihre Ideen selbst zu verfilmen und mit dem „Zeitkipp“-Programm zu wandeln. Trotz intensiven Nach- und vor allem Vordenkens blieb es immer wieder spannend, was der Computer – für 40 Sekunden Film benötigt ein schneller PC immerhin 50 Stunden Rechenzeit – schließlich ausspucken würde.
Inzwischen ist das Verfahren des „Zeitkippens“ gut beschrieben und auch aus wissenschaftlicher Sicht intensiv durchleuchtet. Dabei hat sich herausgestellt, dass die ins Auge springende Bildersensation sehr wohl hintergründige Bedeutung hat. Hinter einer visuellen Ästhetik verbergen sich prinzipielle Fragen nach unserer sinnlichen wie geistigen Leistungsfähigkeit, wenn es darum geht, die raumzeitliche Realität zu erfassen.
Wer sich selbst einen Eindruck von diesen Gedanken und vor allem von dieser sonderbaren Bilderwelt machen will, hat am 4. Mai dazu Gelegenheit. Dann wird Werner Große, Lehrbeauftragter im Braunschweiger Studiengang Medienwissenschaften, seine Ergebnisse präsentieren.
Mit dem Vortrag startet die fünfteilige Reihe „Stadt-der-Wissenschaft-Projekt: Zeitphänomene“, die gemeinsam von der Physikalisch-Technische Bundesanstalt (PTB) und der TU Braunschweig veranstaltet wird. In ihr werden Wissenschaftler in öffentlichen Vorträgen zeigen, was man mit Zeit nicht alles machen kann: erleben und managen, dehnen und vernichten, genießen und verschwenden, ? und als erstes kippen.
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