Second Life als Flucht vorm realen Leben?

In den letzten Jahren boomt die digitale Online-Welt, die es Nutzern ermöglicht, mittels 3D-Optik eine virtuelle Sphäre zu gestalten, in der gespielt, gehandelt oder auf vielfältigste Art kommuniziert wird.

Das seit 2003 online verfügbare System Second Life hat inzwischen mehr als sechs Millionen registrierte Nutzer. In einer Umfrage unter Leitung von Prof. Dr. Manfred Kirchgeorg und seiner wissenschaftlichen Mitarbeiterin Kathrin Jung haben Studenten der Handelshochschule Leipzig 90 Avatare in der Second Life-Welt interviewt. Das Hauptinteresse in der Befragung von durch reale Menschen erschaffene, grafisch aufbereitete Personen in der virtuellen Welt, lag in den Fragen: Ist die virtuelle Second Life-Welt noch schnelllebiger als die Realität? Wollen Menschen aus der realen Welt flüchten? Warum gehen sie ins Second Life? Was tun sie dort? Sind sie von ihrem realen Leben gelangweilt?

Internationale Befragung

Fast 30% der Befragten verbringen mehr als 20 Stunden pro Woche in der virtuellen Welt Second Life. Ihr Durchschnittsalter liegt bei 29 Jahren und unterscheidet sich damit nur geringfügig vom künstlichen Alter der Avatare, das bei 27,5 Jahren liegt. Meist behalten die Befragten ihr reales Alter auch in der virtuellen Welt bei. Wenn jedoch Unterschiede zu beobachten sind, zeigt sich, dass Männer sich leicht älter machen und weibliche Personen sich um einige Jahre verjüngen. Mehr als die Hälfte der Befragten verfügt über einen Hochschulabschluss, Insgesamt konnten 78% der Interviews mit ausländischen Avataren geführt werden. Dafür arbeiteten die Studenten oft nachts, um den Zeitunterschied zu überbrücken. Schließlich gaben Personen von 20 unterschiedlichen Ländern Antwort auf die vorbreiteten Fragen. Die meisten kommen aus Deutschland und den USA, gefolgt von Spanien und Frankreich.

Besonders spannend war die Frage nach der Persönlichkeit der Avatare. Werden diese ähnlich dem realen Charakter gestaltet oder haben sie völlig andere Merkmale? Hierbei zeigt sich ein geteiltes Antwortspektrum.

Ca. 19% der Befragten stellen sich in der virtuellen Welt so dar, wie es Ihren Träumen und Wünschen entspricht. Noch ein größerer Anteil gab an, sich im Second Life völlig anders darzustellen, darunter fallen Phantasiefiguren als auch völlig gegensätzliche und skurrile Figuren zur eigenen Person.

Motivation der Nutzer von Second Life

Diese Erkenntnisse korrespondieren sehr gut mit den Motivationsgründen für die Teilnahme an Second Life. Hierbei scheinen sich drei Gruppen herauszukristallisieren. Zum einen jene, die gern ihrem realen Leben entfliehen. Eine zweite Gruppe, die einfach gern mit anderen Leuten kommuniziert und für die Second Life spannende neue Funktionalitäten bietet. Zum Dritten scheint ein Teil der Personen, vornehmlich die Intension zu haben, zu den bisher wenigen erfolgreichen Geldverdienern in der virtuellen Welt gehören zu wollen. Gegenwärtig befindet sich dieser Motivationsgrund bei der Gesamtheit der interviewten Personen jedoch noch auf einen unteren Rangplatz.

Die meisten Interviewpartner geben an, dass sie in Second Life vor allem aktiv sind, um Menschen von überall aus der Welt kennenzulernen. Ein relativ hohes Gewicht fällt auch dem Ausleben der Kreativität in Second Life zu. Fast schein es, als sei es ein Spiel für Erwachsene.

Langeweile und das Vergessen der realen Welt ist für die meisten Befragten kein Beweggrund. Diesen Punkten wird insgesamt am wenigsten zugestimmt. Second Life ist sie eher eine sich entwickelnde faszinierende „Parallelwelt“.

Zukünftig ist anzunehmen, dass mit der verbesserten Funktionalität des Systems sowie gestiegener technischer Voraussetzungen bei den Nutzern, die Anzahl an Second Life Bewohnern drastisch zunehmen wird. In der aktuellen Studie sind heute jedoch bereits 67% der Befragten zufrieden oder gar sehr zufrieden mit Second Life. Je länger sie jedoch im System sind und je mehr sie Erfahrungen mit der Nutzung machen, je höher sind ihre Erwartungen.

Second Life voll im Trend

Namhafte Firmen investieren bereits heute weit über 100.000 Euro, um ihren Second Life Auftritt zu kreieren. Auch von Privatpersonen ist zukünftig eine Second Life-Flut zu erwarten und damit wird dem Handel deutlich mehr Schwergewicht beigemessen werden als heute. Das ganze befindet sich sozusagen noch in den Kinderschuhen. Gegenwärtig, gibt ca. ein Fünftel der befragten Personen an, bisher noch nicht die durch reales Geld zu erwerbende virtuelle Währung `Linden Dollars? ausgegeben zu haben.

Auf die Frage, welche Marken die Befragten gern in Second Life sehen würden, herrschen erste wage Vorstellungen. Am meisten wurden bekannte Luxusmarken wie Chanel, Ferrari oder Mercedes angeführt. Häufig tauchten Unternehmen der Bekleidungsindustrie unter den Antworten auf.

Nun steht der nächste Schritt der Auswertung der ersten Studie der HHL im Second Life an. Es gilt nun, weiter ins Detail zu gehen. Wie unterscheiden sich Frauen und Männer in Bezug auf ihr Verhalten im Second Life? Gibt es Gemeinsamkeiten zwischen denen, die Second Life mehr als 20 Stunden in der Woche nutzen und Nutzern, die sich dort nur gelegentlich aufhalten? Wird Second Life zu einer ernst zu nehmenden Parallelwelt avancieren oder ist das ganze lediglich eine temporäre Modeerscheinung? Die aktuellen Diskussionen zu diesem Thema können intensiver nicht sein – egal ob innerhalb der Lehre, Forschung oder Praxis.

Weitere Informationen:
HHL – Leipzig Graduate School of Management
Lehrstuhl Marketingmanagement
Frau Kathrin Jung
Jahnallee 59
D-04109 Leipzig
T: +49(0)341-9851-680
F: +49(0)341-9851-684
eMail: Kathrin.Jung@hhl.de

Media Contact

Volker Stößel idw

Weitere Informationen:

http://www.hhl.de/marketing

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