Neuartiger Peer-to-Peer-Simulator vorgestellt

Mit PeerfactSim.KOM simulieren die Darmstädter Forscher beispielsweise P2P-Systeme, um digitale Inhalte wie Videos oder Podcasts effizienter verteilen zu können. Darüber hinaus eignet sich der Simulator, um Anwendungen wie Dateitauschbörsen, aber auch Szenarien aus dem Katastrophenmanagement nachzubilden. Der Open Source-Simulator wurde in diesem Frühjahr auf einem EU-Workshop vorgestellt und wird künftig auch von Forschergruppen verschiedener europäischer Universitäten genutzt.

Darmstadt. Schon heute geht ein Großteil des Datenverkehrs im Internet auf Peer-to-Peer-Systeme (P2P) wie Musiktauschbörsen und Internet-Telefonie zurück. „Dieser Trend wird sich weiter verstärken und das Internet schon in einigen Jahren völlig verändern“, ist sich Prof. Ralf Steinmetz vom Fachgebiet Multimedia Kommunikation (KOM) der TU Darmstadt sicher.

Diese Systeme kommen ohne zentrale Kontrollinstanz aus, alle Teilnehmer des Netzwerks sind gleichberechtigte Mitglieder (Peers). Doch noch sind viele potenzielle Anwendungen für P2P-Systeme reine Theorie, weil die Qualität der Systeme noch nicht ausgereift ist. Ein neuartiger Simulator, der am Fachgebiet KOM entwickelt wurde, soll helfen, einen Leistungsvergleich für P2P-Systeme aufzubauen.

„Das Neue an unserem Simulator PeerfactSim.KOM ist, dass er komplette Peer-to-Peer-Systeme simulieren kann“, erläutert Nicolas Liebau, Leiter des Forschungsbereichs Peer-to-Peer-Networking am Fachgebiet KOM, der die Software entwickelt hat. „Bislang war es nur möglich, einzelne oder eine Gruppe von Komponenten nachzubilden, wie zum Beispiel das Overlay-Netzwerk oder die Verteilstrategie für Medieninhalte. Nun können wir modular alle Komponenten der P2P-Systeme miteinander verknüpfen und auch eventuelle Wechselwirkungen untersuchen“, meint der Darmstädter Wirtschaftsingenieur.

Das erwähnte Overlay-Netzwerk ist ein virtuelles Netzwerk, das über dem eigentlichen Netzwerk, dem Internet, liegt und lediglich virtuelle „Ende-zu-Ende“-Verbindungen darstellt. Weitere Komponenten sind die Nutzerschicht, in der das Nutzerverhalten simuliert wird, sowie die Anwendungsschicht, auf der Anwendungen wie Dateitauschbörsen oder ein Katastrophenszenario modelliert werden können.

„Eine für die Zukunft wichtige P2P-Anwendung ist die Verteilung von Medieninhalten“, betont Liebau. Die Downloads nehmen stetig zu, so dass auch für den Anbieter die mit der Verteilung verbundenen Kosten stark steigen, weil die Bandbreite für den steigenden Datenverkehr erhöht werden muss. Mit P2P-Systemen könnte ein Großteil Kosten auf die Nutzer verteilt werden, da diese sich an der Verbreitung der Inhalte beteiligen“, so Liebau. „Am Fachgebiet KOM simulieren wir P2P-Systeme, beispielsweise um digitale Inhalte wie Videos oder Podcasts effizienter verteilen zu können.

Wir berücksichtigen dabei auch den Standort der Netzwerk-Teilnehmer (Peers). Damit können wir überprüfen, ob Daten erst einmal rund um die Welt geschickt werden, bevor sie am Ziel ankommen. So etwas sollte natürlich vermieden werden. Auch wollen wir Aussagen darüber treffen, welches Overlay am besten für ein Szenario X funktioniert.“ Denn eine ungünstige Konstruktion des Overlays kann dazu führen, dass der Verwaltungsaufwand beispielsweise bei hohem Abwanderungs- und Zuwanderungsquoten der Teilnehmer eines Netzwerks exponentiell zunimmt. „Wir vermuten jedoch, dass es DAS beste Overlay-Netzwerk nicht gibt. Wahrscheinlich lässt sich keine allgemeingültige Aussage treffen, weil die Leistungsfähigkeit eines Netzwerks unter anderem auch abhängig ist vom Nutzerverhalten.“

Der Open-Source-Simulator steht seit Ende letzten Jahres Interessierten im Internet zur Verfügung. „Ende Juli haben wir die dritte Version von PeerfactSim.KOM online gestellt“, erzählt Liebau. Diese Version ist schneller, kann mehr Knoten, also Netzwerk-Teilnehmer, berücksichtigen und ist nach dem von der Resi-Gruppe (Reference for Network Simulations) vorgeschlagenen Konzept mit anderen Simulatoren kombinierbar. „Auf diese Weise werden unterschiedliche Peer-to-Peer-Mechanismen zu einem bestimmten Szenario miteinander vergleichbar“, erklärt der Wissenschaftler. Mit der Software lassen sich Szenarien zum Beispiel aus dem Katastrophenmanagement, aus Dateitauschbörsen oder auch aus dem Bereich Video-on-Demand simulieren. Bislang wird PeerfactSim.KOM für Forschungszwecke am Fachgebiet KOM und innerhalb der Forschergruppe der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) „QuaP2P“ genutzt. Nach einer Präsentation im Rahmen eines EU-Workshops im Februar dieses Jahres wollen nun auch verschiedene europäische Universitäten den Simulator für ihre Forschungen nutzen.

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Gerda Kneifel idw

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