Datenschutz für Biosignale am Beispiel EEG
Projekt »NEMO« erforscht Anonymisierungsverfahren für Medizinische Daten am Beispiel des Elektroenzephalogramms (EEG) .
Daten von Patientinnen und Patienten genießen in Europa einen umfangreichen Schutz. Das bedeutet jedoch oft, dass sie in der medizinischen Forschung nur eingeschränkt nutzbar sind. Das neu gestartete Projekt »NEMO« untersucht am Beispiel von EEG-Daten aus Schlafmonitoring-Systemen, inwieweit Personen durch Biosignale eindeutig identifizierbar sind. Anschließend sollen Anonymisierungsverfahren entwickelt werden, die einen datenschutzkonformen Einsatz in Forschung und Entwicklung zulassen. Koordiniert wird das neu gestartete Projekt durch das Fraunhofer IDMT in Oldenburg.
Medizinische Daten haben einen hohen Wert für die Wissenschaft. Um Erkenntnisse über Erkrankungen zu gewinnen und medizinische Technologien weiterzuentwickeln, müssen zahlreiche Daten aufgezeichnet und analysiert werden. Neben dem hohen gesellschaftlichen Wert ergeben sich durch die Datenerhebung aber auch Risiken. Insbesondere Biosignale können durch sogenannte Re-Identifizierungsanalysen Rückschlüsse auf einzelne Personen ermöglichen und potenziell sensible Informationen über sie preisgeben. Aus diesem Grund ist die Nutzung von personenbezogenen Daten durch die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) streng geregelt.
Das Konsortium des neu gestarteten Projekts »NEMO« (Nicht-Identifizierbarkeit von EEG-Daten und vergleichbaren Sensorsignalen aus medizinischer Versorgung für Open Science) untersucht in den kommenden drei Jahren, inwieweit durch EEG-Daten eine Person eindeutig identifiziert werden kann. Im Anschluss beschäftigt es sich mit technischen Lösungen zur Anonymisierung, damit eine Identifizierung verhindert werden kann, während die Nutzbarkeit der Daten für wissenschaftliche Fragestellungen erhalten bleibt.
Jeder schläft anders
Beispielhaft für Biosignaldaten betrachtet das Projektkonsortium Elektroenzephalogramme, die im Schlaf aufgezeichnet werden. Ein EEG stellt über Elektroden am Kopf aufgezeichnete Gehirnaktivitäten dar, die in diesem Fall für den Schlaf relevante Parameter abbilden. Der Oldenburger Standort des Fraunhofer-Instituts für Digitale Medientechnologie IDMT koordiniert das Vorhaben »NEMO« und forscht seit vielen Jahren an der mobilen EEG-Erfassung, insbesondere auch für den Einsatz in der Schlafforschung.
Dr. Insa Wolf, Gruppenleiterin Mobile Neurotechnologien, erklärt: »Aktuelle Publikationen deuten darauf hin, dass personenbeziehbare Merkmale aus einem EEG extrahiert werden können und so ein Potential zur Re-Identifizierung gegeben ist. Zugleich lassen sich aus den Daten relevante Informationen zum Gesundheitszustand ableiten und zukünftig möglicherweise auch Marker zur Früherkennung von Krankheiten. Auch im Consumer-Bereich finden sich mittlerweile Geräte, die EEG-Daten erheben, was die besondere Relevanz von Datenschutz in unserem Projekt »NEMO« unterstreicht.«
Im Projekt bringen die Oldenburger Expertinnen und Experten ihre neurophysiologische Expertise bei der Erkennung einzelner Phasen und Ereignisse im Schlaf ein. Außerdem identifizieren sie die genauen Anforderungen an EEG-Daten aus Sicht der Forschung.
Patientendaten schützen und gleichzeitig nutzbringend auswerten
Ihre Kolleginnen und Kollegen am Ilmenauer Standort des Fraunhofer IDMT erforschen und entwickeln seit Jahren Verfahren für Datensicherheit und technischen Datenschutz, wie zum Beispiel zur Anonymisierung von Audiodaten. Sie bringen das notwendige Know-how ein, um Verfahren zu entwickeln, mit denen die Risiken einer Re-Identifizierung bei EEG-Daten quantifiziert werden können. Auf dieser Basis werden sie anschließend neue Algorithmen für die Anonymisierung von EEG-Daten entwickeln.
»Unser Ziel ist es, Verfahren zu entwickeln, die einerseits eine unbeabsichtigte Preisgabe von Identitäten und sensiblen Informationen verhindern, andererseits aber eine möglichst unbeeinträchtigte Analyse und Nutzung der Schlafdaten ermöglichen. Dazu werden wir verschiedene Datenschutztechnologien für die Anwendung auf EEG-Daten untersuchen, auch unsere Verfahren zur Anonymisierung von Audiodaten. Wenn wir erfolgreich sind, können die Ergebnisse auch für vergleichbare Biosignaldaten und andere Gebiete der Gesundheitsforschung äußerst hilfreich sein«, sagt Patrick Aichroth, der die Gruppe Mediendistribution und Sicherheit am Fraunhofer IDMT in Ilmenau leitet.
Nutzerfreundliche Systeme und medizinische Expertise
Die klinische und medizinische Sicht auf die Projektthemen bringen die Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU) und das Universitätsklinikum Schleswig-Holstein Campus Kiel (UKSH) ein. Sie stellen darüber hinaus wichtige Schlafdaten für die Entwicklung der Algorithmen und deren Evaluation bereit. Die Ascora GmbH aus Ganderkesee übernimmt im Projekt die Entwicklung einer anwendungsbezogenen Plattform, die auf den entwickelten Anonymisierungs-Algorithmen aufbaut und der Datenexploration und -analyse sowie als Proof-of-Concept dienen soll. Sie soll Nutzerinnen und Nutzer in den Anonymisierungsprozess einbinden und ihnen Wirkungsweise und Mehrwert der eingesetzten Anonymisierungsvarianten deutlich machen.
Im Projekt »NEMO« werden also sowohl die Anforderungen des Datenschutzes als auch der Bedarf an verwendbaren Daten in Forschung und Entwicklung berücksichtigt. Konkrete Risikoszenarien sollen sichtbar gemacht und Anonymisierungsverfahren im sensiblen Feld der Gesundheitsdaten erprobt werden. Durch eine technische Infrastruktur im Sinne von »Open Data« sollen die Grundlagen für eine umfassende Nutzung von sicheren Gesundheitsdaten in Forschung und Entwicklung geschaffen werden.
Weitere Informationen zum Projekt und zu den beteiligten Projektpartnern finden Sie hier: https://www.idmt.fraunhofer.de/nemo
Über das Fraunhofer IDMT: Angewandte Spitzenforschung für Ihren Erfolg
Die Überwachung industrieller Fertigungsprozesse, Verkehrsmonitoring oder Identifizierung von Manipulationen in Daten – am Hauptsitz des Fraunhofer IDMT im Thüringischen Ilmenau dreht sich vieles um die sichere und effiziente KI-basierte Erkennung und Klassifizierung von Audio- und Videodaten. Ein weiterer Schwerpunkt ist die Entwicklung von Audiotechnologien für das virtuelle akustische Produkterleben sowie von maßgeschneiderten Lösungen zur Produktion und Wiedergabe authentischer und räumlicher Klangerlebnisse für die Bereiche Professional Audio und Entertainment. Den aktuellen Trend nach energieeffizienten und miniaturisierten Lautsprechern bedienen wir mit intelligenten Ansteuerungsalgorithmen.
Der im Jahre 2008 unter der Leitung von Prof. Dr. Dr. Birger Kollmeier und Dr. Jens-E. Appell gegründete Oldenburger Institutsteil Hör-, Sprach- und Audiotechnologie HSA steht für marktnahe Forschung und Entwicklung mit Schwerpunkten auf
– Sprach- und Ereigniserkennung
– Klangqualität und Sprachverständlichkeit sowie
– Mobile Neurotechnologie und Systeme für eine vernetzte Gesundheitsversorgung.
Mit eigener Kompetenz in der Entwicklung von Hard- und Softwaresystemen für Audiosystemtechnologie und Signalverbesserung setzen die Mitarbeitenden am Standort Oldenburg wissenschaftliche Erkenntnisse in kundengerechte, praxisnahe Lösungen um.
Über wissenschaftliche Kooperationen ist der Institutsteil eng mit der Carl von Ossietzky Universität, der Jade Hochschule, der Hochschule Emden/Leer verbunden. Das Fraunhofer IDMT ist Partner im Exzellenzcluster »Hearing4all«.
Kontakt für die Medien:
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Leiter Marketing und Kommunikation
Fraunhofer-Institut für Digitale Medientechnologie IDMT
Institutsteil Hör-, Sprach- und Audiotechnologie HSA
Marie-Curie-Str. 2
26129 Oldenburg
Telefon +49 441 2172-436
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