Gutenberg Gang-Datenbank

Biomechanische Ganganalyse
Abb./©: Florian Kibler / Fachhochschule St. Pölten

Weltweit größte Sammlung von Ganganalysen gesunder Probanden veröffentlicht.

Öffentlich zugängliche Datenbank bietet Vergleichsdaten für die Diagnose und Therapie von Gangstörungen – Erweiterung der Datenbasis geplant.

Jemand geht mit kleinen Trippelschritten, ein anderer zieht beim Gehen ein Bein nach. In einem Fall rollt ein Fuß nicht über die Fußsohle ab und in einem anderen Fall wird ein Fuß nicht genügend angehoben, sondern schleift über den Boden – Störungen des Gangbildes zeigen sich auf vielfältige Weise. Für die Betroffenen stellen sie manchmal nur eine leichte Beeinträchtigung im Alltag dar, manchmal jedoch sind sie eine schwere Einschränkung der Lebensqualität. In vielen Fällen sind solche Gangstörungen aber nur eine Begleiterscheinung oder das Symptom für eine dahinterliegende Erkrankung. Daher sind biomechanische Ganganalysen ein hilfreiches Werkzeug zur Diagnose und anschließenden Therapie.

„Bisher bestand allerdings weltweit ein Mangel an Vergleichsdaten von gesunden Personen“, sagt Dr. Fabian Horst von der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU). Nur wenn eine ausreichende Anzahl an Daten von gesunden Personen vorliegt, können Gangstörungen oder die zugrundeliegenden Krankheitsbilder zuverlässig als solche identifiziert und klassifiziert werden. Der Sportwissenschaftler hat nun eine Datenbank vorgestellt, mit der diese Lücke geschlossen wird. Dabei handelt es sich um die weltweit größte Datenbank mit gesunden Probanden, die öffentlich zugänglich ist.

Grundlage sind Daten von 350 gesunden Personen im Alter von 11 bis 64 Jahren

Dazu haben Fabian Horst vom Institut für Sportwissenschaft der JGU und sein Kooperationspartner Djordje Slijepčević von der Fachhochschule St. Pölten in Österreich die Daten von 350 gesunden Personen zusammengestellt, die in den vergangenen sieben Jahren das biomechanische Labor an der JGU aufgesucht hatten. Die Datenbank enthält Angaben zur Bodenreaktionskraft und dem Kraftangriffspunkt von zwei aufeinanderfolgenden Schritten. Solche Messungen werden mit in den Boden integrierten Kraftmessplatten während der gesamten Dauer des Bodenkontakts der Füße durchgeführt. „Die Bodenreaktionskraft beschreibt die Kraft, die während des Bodenkontaktes zwischen Fuß und Boden auftritt – dies gilt weltweit als Standardgröße in der biomechanischen Ganganalyse“, so Horst. Der Kraftangriffspunkt gibt zusätzliche Informationen über den Kraftverlauf wieder und seine Verlaufskurve ist neben den Kontaktkräften ein wichtiger Parameter zur Interpretation des Gangbildes.

Für die neue Datenbank nutzen die Wissenschaftler die Messergebnisse von 350 Teilnehmerinnen und Teilnehmern im Alter von 11 bis 64 Jahren. „Die Daten lagen in zehn Einzelstudien vor und mussten zunächst vereinheitlicht werden, bevor wir sie zusammenführen konnten“, erklärt Horst.

Gutenberg Gang-Datenbank steht allen interessierten Nutzern offen

Diese weltweit größte Datenbank mit Daten gesunder Menschen steht nun allen Interessierten offen und kann für eigene Zwecke genutzt werden. „Orthopädische Einrichtungen zum Beispiel können die Daten herunterladen, um Normwerte für die klinische Praxis zu erstellen, und Forschungseinrichtungen können auf der Grundlage dieser Daten neue Erkenntnisse über den menschlichen Gang gewinnen“, beschreibt Slijepčević die Anwendungsmöglichkeiten. Hierfür stehen den Datenbanknutzern sowohl Rohdaten als auch verarbeitete, gebrauchsfertige Daten zur Verfügung. „Diese Datensätze bieten neue Möglichkeiten für zukünftige Studien zum menschlichen Gang, zum Beispiel die Verwendung als Referenzdaten für die Analyse pathologischer Gangmuster oder für die automatische Klassifizierung durch maschinelles Lernen“, schreiben die Autoren in einem Beitrag für das Fachjournal Scientific Data.

Ein weiteres wichtiges Merkmal der veröffentlichten Datenbank ist, dass sie in Verbindung mit dem GaitRec-Datensatz, dem größten Datensatz für pathologische Gangmuster, verwendet werden kann. „Die Kombination dieser Datenquellen ermöglicht die Entwicklung von komplexeren und robusteren Algorithmen für die automatische Analyse von Gangmustern“, erklärt Djordje Slijepčević.

In Zukunft soll die Datenbank kontinuierlich erweitert werden. „Die Erhebungen umfassten bisher vorwiegend jüngere Menschen. Erstrebenswert wäre es, eine noch größere und ausgewogenere Datenbasis im Hinblick auf das Alter und andere Faktoren zu erhalten“, fasst Fabian Horst von der Abteilung Trainings- und Bewegungswissenschaft der JGU die Zielsetzung zusammen.

Bildmaterial:
https://download.uni-mainz.de/presse/02_sport_trainings_gangdatenbank.jpg
Biomechanische Ganganalyse
Abb./©: Florian Kibler / Fachhochschule St. Pölten

Weiterführende Links:
https://springernature.figshare.com/collections/Gutenberg_Gait_Database_A_ground… – Zugang zur Gang-Datenbank
https://sport.uni-mainz.de/bewegungs-und-trainingswissenschaft/ – Abteilung Trainings- und Bewegungswissenschaft
https://research.fhstp.ac.at/projekte/intelligait-3d-gait-data-mining/ – „IntelliGait 3D“ Projekt
https://icmt.fhstp.ac.at/ – Institut für Creative\Media/Technologies
https://www.nature.com/articles/s41597-020-0481-z – GaitRec-Datensatz

Wissenschaftliche Ansprechpartner:

Dr. Fabian Horst
Abteilung Trainings- und Bewegungswissenschaft
Institut für Sportwissenschaft
Johannes Gutenberg-Universität Mainz
55099 Mainz
Tel. +49 6131 39-23581
E-Mail: horst@uni-mainz.de
https://sport.uni-mainz.de/horst-fabian/

Dipl.-Ing. Djordje Slijepčević
Forschungsgruppe Media Computing
Institut für Creative\Media/Technologies
Fachhochschule St. Pölten
3100 St. Pölten, Österreich
E-Mail: djordje.slijepcevic@fhstp.ac.at
https://icmt.fhstp.ac.at/en/team/djordje-slijepcevic

Originalpublikation:

Fabian Horst et al.
Gutenberg Gait Database, a ground reaction force database of level overground walking in healthy individuals
Scientific Data, 2. September 2021
DOI: 10.1038/s41597-021-01014-6
https://www.nature.com/articles/s41597-021-01014-6

https://www.uni-mainz.de/

Media Contact

Petra Giegerich Kommunikation und Presse
Johannes Gutenberg-Universität Mainz

Alle Nachrichten aus der Kategorie: Kommunikation Medien

Technische und kommunikationswissenschaftliche Neuerungen, aber auch wirtschaftliche Entwicklungen auf dem Gebiet der medienübergreifenden Kommunikation.

Der innovations-report bietet Ihnen hierzu interessante Berichte und Artikel, unter anderem zu den Teilbereichen: Interaktive Medien, Medienwirtschaft, Digitales Fernsehen, E-Business, Online-Werbung, Informations- und Kommunikationstechnik.

Zurück zur Startseite

Kommentare (0)

Schreiben Sie einen Kommentar

Neueste Beiträge

Sensoren für „Ladezustand“ biologischer Zellen

Ein Team um den Pflanzenbiotechnologen Prof. Dr. Markus Schwarzländer von der Universität Münster und den Biochemiker Prof. Dr. Bruce Morgan von der Universität des Saarlandes hat Biosensoren entwickelt, mit denen…

3D-Tumormodelle für Bauchspeicheldrüsenkrebsforschung an der Universität Halle

Organoide, Innovation und Hoffnung

Transformation der Therapie von Bauchspeicheldrüsenkrebs. Bauchspeicheldrüsenkrebs (Pankreaskarzinom) bleibt eine der schwierigsten Krebsarten, die es zu behandeln gilt, was weltweite Bemühungen zur Erforschung neuer therapeutischer Ansätze anspornt. Eine solche bahnbrechende Initiative…

Leuchtende Zellkerne geben Schlüsselgene preis

Bonner Forscher zeigen, wie Gene, die für Krankheiten relevant sind, leichter identifiziert werden können. Die Identifizierung von Genen, die an der Entstehung von Krankheiten beteiligt sind, ist eine der großen…