HYPERRAUM.TV-Doku: Blickpunkt RNA-Medizin
Die mRNA-Impfstoffe sind mit der Covid-Pandemie zu großer Bekanntheit aufgestiegen. Doch ursprünglich suchte die Forschung mit solchen RNA-Botenstoffen gar nicht nach einem Impfstoff, sondern nach einer Krebstherapie. Warum ist der Einsatz als Vakzin so rasch gelungen, scheitert bisher aber in der Tumorforschung? Dieses Thema behandelt die zweite Folge des Themenschwerpunktes DNA und RNA. In der Sendung „Blickpunkt RNA-Medizin – warum die Krebstherapie noch immer nach einer RNA-Therapie sucht“ spricht Susanne Päch noch einmal mit dem Chemiker Thomas Carell, hier über die Tricks, die Biochemiker heute kennen, um das Abwehrsystem von Zellen bei Impfungen zu überlisten. Er berichtet aber auch darüber, warum der Einsatz für künftige RNA-Therapien – beispielsweise für die Tumorbekämpfung – ein wesentlich schwieriges Forschungsunterfangen ist.
Der RNA kommt in der Zelle die Aufgabe zu, den in der DNA gespeicherten Gen Code mit ihren zugehörigen Funktionen in kleinen Stückchen für die Zellbildung zu kopieren. Die DNA dagegen ist der unveränderliche Mastercode des menschlichen Genoms, der in jedem Zellkern identisch vorliegt.
RNA ist jedoch nicht gleich RNA
Das Kopieren und den Transport aus dem Zellkern übernimmt die mRNA, wobei “m“ für messenger steht. Denn im Zytosol jeder Zelle, das den Kern umgibt, finden sich etliche weitere spezialisierte RNA-Typen, die nach dem Transport der Geninformation aus dem Kern bei der folgenden Zellproduktion zusammenarbeiten. Haben die RNA-Moleküle ihre Aufgabe erfüllt, werden sie im Zytosol durch biochemische Prozesse wieder in ihre chemischen Bestandteile zerlegt. Dieses Material kann dann im Bedarfsfall recycelt, also in den Kern zurückgebracht werden: als Nachschub für die künftige RNA-Produktion.
Jede RNA besteht wie die DNA aus nur vier Basen, drei davon sind bei DNA und RNA identisch, die vierte ist jedoch unterschiedlich. Diese Basen können allerdings in zahlreichen Varianten vorliegen, erstaunlicherweise vor allem bei der RNA. Warum hat die Evolution so viele Untertypen der RNA hervorgebracht, die lange Zeit nur als passives Kopierwerkzeug angesehen wurde? Und wofür werden sie überhaupt in den unterschiedlichen Zellen benötigt, da sie bei der Zellproduktion gar nicht zum Einsatz kommen? Diese wissenschaftlichen Fragen sind längst noch nicht gelöst.
Dennoch offenbarte die Erforschung der RNA in den letzten 20 Jahren für die Medizin schon weitreichende Perspektiven. Dazu muss man ein pharmazeutisches Mittel in der Form einer RNA von außen gezielt in die Zelle bringen. Geforscht wird daran seit über 10 Jahren. Doch bis heute sind sämtliche Versuche gescheitert, Wirkstoffe beispielsweise für die Krebsbekämpfung über solche RNA-Boten gezielt nur in defekte, nicht aber in gesunde Zellen zu schaffen. Warum, davon etwas später.
Denn mit der Methodik konnten die Forscher dennoch einen wichtigen Erfolg für die Pharmakologie verbuchen, als es ihnen gelang, Impfstoffe gegen das Covid-Virus zu entwickeln und mit biotechnologischen Verfahren in kurzer Zeit herzustellen. Im Dezember 2020, rund ein Jahr nach dem Ausbruch der Krankheit erhielt das erste Vakzin genau auf dieser RNA-Grundlage bereits die Zulassung für den breiten Einsatz. Mit ihm kam die öffentlich bald viel diskutierte Frage auf, inwieweit die Technologie genetische Rückwirkungen haben könnte – im Klartext: ob die Gensequenzen des viralen Impfstoffes bis in die Erbinformation in den Zellkern vordringen und so das Genom der DNA verändern können.
Es bedarf jedoch bei der RNA-Pharmakologie ausgeklügelter Tricks, die vielfältigen Schutzmechanismen des Organismus zu überwinden. Das fängt schon beim Einspritzen eines RNA-Impfstoffes in den Körper an. Zwar kann das allgemeine Immunsystem von Zellen überwunden werden. Doch ein paar RNA aus der Impfdosis mit dem Fluid von Milliarden Exemplaren des Erregers infizieren auch sogenannte dendritische Zellen – ein hochspezialisierter, noch besser geschützter Zelltyp, der im Körper die Immunabwehr verantwortlich ist. Die so entstehende lokale Infektion von wenigen dendritischen Zellen führt nun dazu, dass das Immunsystem aktiviert wird, indem sich umgangssprachlich Killerzellen, korrekt T-Zellen genannt, auf den Weg machen, um die infizierten Zellen abtöten. Durch das lokal aktive Vakzin geschult, lernt das Immunsystem so die Gefahr zu erkennen und kann mit diesem Wissen bei einer späteren, richtigen Infektion im Körper schneller einschreiten.
Für die biotechnologische Herstellung von RNA-Vakzinen benötigt man – wie in der Natur auch – zuerst einmal Enzyme, die in Bioreaktoren hergestellt werden. Für solche Forschungen hat sich die Biochemie als neuer Forschungszweig der altehrwürdigen Chemie herausgebildet. Sie arbeitet mit Enzymen, die als Katalysatoren Stoffe umwandeln.
Nach dem Erfolg mit dem Covid-Impfstoff rücken bereits weitere Impfstoffe ins nähere Blickfeld, beispielsweise auch für bestimmte Krebsarten. Warum aber sind die Fortschritte bei der RNA-Impfung so erstaunlich, während es bisher jedoch nicht gelungen ist, mit RNA-Methoden eine geeignete Krebstherapie zu entwickeln? Faktisch sind es verschiedene Themen, die dafür wissenschaftlich noch nicht gelöst sind, wie Carell berichtet: „Zuerst einmal fehlt es an einem Targeting, das nur vom Tumor befallene Zellen angreift.“ Beim Vakzin ist das logischerweise nicht nötig. Hier ist die „Intelligenz“ des Immunsystems der Problemlöser.
Doch mit dem Targeting allein ist es bei der Entwicklung eines medizinischen Therapeutikums noch nicht getan. Ein ganzes Bündel von Themen macht den Einsatz deutlich schwieriger als die Entwicklung eines Impfstoffes, wie Carell in der Sendung noch genauer erläutert. Der Einstieg in die RNA-Pharmakologie ist mit dem Impf-Vakzin allerdings eindrucksvoll gelungen. Jetzt geht es in der Forschung also darum, die durch Covid entstandene Dynamik in einen ganz neuen pharmazeutischen Bereich hineinzuführen. Carell ist überzeugt davon, dass die RNA-Therapie künftig eine wichtige Säule im medizinischen Alltag einnehmen wird.
Ansprechpartner:
Dr. Susanne Päch
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