Hyperraum-TV.Doku: Die Quantencomputer kommen!

Nach dem Rechnen mit Bits kommt nun das Rechnen mit QuantenBits. Sie werden, davon sind Quanten-Ingenieure überzeugt, die Rechenleistung klassischer Computer bald in den Schatten stellen. Wie man mit QuantenBits rechnet, wo die größten Probleme für die Entwickler liegen und welche neuen Anwendungen von der Materialforschung über die Pharmazie bis zur Teilchenphysik am Horizont bereits sichtbar werden, das sind die Themen dieser Sendung „Quantencomputer im Kommen! – mit QuantenBits rechnen im hochdimensionalen Hilbertraum“. Susanne Päch hat dazu mit der europäischen Forschungschefin von IBM, Dr. Heike Riel, gesprochen.

Quantencomputing – eine grundlegend andere Art der Informationsverarbeitung – nutzt quantenmechanische Phänomene. Man rechnet nicht mehr mit Null und Eins, sondern in einem hochdimensionalen Hilbert-Raum. Noch am Beginn des neuen Jahrtausends schien das Science Fiction. Doch die Fortschritte in den letzten zehn Jahren sind enorm. Auf Fachmessen kann man heute schon den Stand der Technik rund um die Quantenwelt sehen.  Die führenden Firmen D-Wave und IBM haben bereits im Jahr 2016 die ersten konkurrierenden Quantencomputer im Markt angeboten. IBM war dabei das erste Unternehmen, das einen künftig universell rechnenden Quantencomputer zugänglich gemacht hat. Sie unterscheiden sich von den sogenannten Quanten-Annealern von D- Wave darin, dass darin nicht nur zwei, sondern drei Quantengatter arbeiten. Quantenannealer können nicht beliebige Rechnungen durchführen, sondern sind spezialisiert im Einsatz, beispielsweise für Simulationen. Über die zwei Gatter können sie heute bereits mit tausend und mehr QuBits arbeiten.  Das Besondere der Quantencomputer mit drei Gattern: Sie sollen künftig wie der klassische Computer für beliebige Rechnungen einsetzbar sein. Die Aufgabe der QuBits ist es, Daten für die Weiterverarbeitung zu speichern.  Die Algorithmen für deren Steuerung sind jedoch  wie bisher digital programmiert.

Wie aber bringt man Qubits mit digitalen Algorithmen zum „Rechnen innerhalb quantenmechanischer Gesetze“? IBM nutzt dafür supraleitende Schaltkreise. Es handelt sich um Chips mit Transmon, das für „transmission line shunted plasma oscillation“. Sie ähneln tiefgekühlten Mikroresonatoren. Angesteuert und kontrolliert werden diese von „klassischer Kontroll-Elektronik“ über Mikrowellen. Dafür setzt beispielsweise IBM Qiskit als Software- und Steuerungselement ein, das auch mit der bekannten Software Python nutzbar ist.

Die Unternehmensberatung Morgan Stanley Wschätzt den Markt für Quantencomputer 2025 auf etwa 10 Milliarden Dollar, während der Markt mit Digitalrechnern derzeit bei knapp 40 Milliarden liegt.  Dennoch scheint der konventionelle Computer sein finales Reifestadium bald erreicht zu haben. Heute liegen die kleinsten Transistoren im Größenbereich von einigen zehn Nanometern. Damit stößt die technologische Miniaturisierung von digital arbeitenden Schaltkreisen an eine natürliche Grenze. Das Mooreschen Gesetz hatte bisher ausgessagt, dass sich die Anzahl integrierter Schaltkreise auf gleicher Fläche alle ein bis zwei Jahre verdoppelt. Dieser Trend lässt sich kaum fortschreiben. Denn es können auch mit der Nanotechnologie keine Transistoren hergestellt werden, die aus weniger als einem Atom bestehen. Das begrenzt die Leistung mit klassischen Rechnern, auch wenn diese bei gleichbleibender Transistorzahl durch andere Entwicklungen noch erhöht werden kann. Populärstes Beispiel: der Einsatz von besonders schnell rechnender Hardware wie Grafikprozessoren. Dennoch scheint es, als sei die Entwicklung bald ausgereizt.

Bei den Quantencomputern scheint die grundsätzlich mögliche Rechenleistung jedoch schier unbegrenzt. Hier wird mit jedem neuen Qubit die Rechenleistung verdoppelt, wie Dr. Heike Riehl, Europa-Forschungschefin von IBM betont. Dieses enorme Potential von Quantencomputern ist es, das die Entwicklerwelt trotz zahlreicher technologischer Hürden vorantreibt.

Quantenrechner haben diese Power, weil sie anders rechnen als klassische Computer.

Ein binäres Bit mit seinen Zuständen 0 oder 1 kann zwei Informationszustände speichern. Im Gegensatz zu diesem kann ein Qubit auch eine beliebige Überlagerung aus 1 und 0 annehmen. Alle Qubits bilden zudem mit der sogenannten Quanten-Verschränkung  ein zusammenhängendes Gesamtsystem. Die Berechnung jedes einzelnen Qubits kann sich also durch diese Verschränkung auf das gesamte System auswirken. All das ermöglicht einen exponentiell größeren Rechenraum und gibt Quantencomputern perspektivisch das Potenzial, extrem komplexe Probleme zu lösen, zu denen selbst die leistungsfähigsten klassischen Supercomputer nicht in der Lage sind.

Das kommerzielle IBM Quantum System One arbeitet heute mit mehr als 400 verschränkten QuBits. In Kürze werden Systeme mit über 1000 Qubits erwartet. Bereits heute entspricht die Komplexität eines Quantencomputers theoretisch bereits dem, was die größten klassischen Supercomputer simulieren können. Noch aber ist das Zukunftsmusik. Denn es gibt noch große technologische Hürden, mit denen Ingenieure zu kämpfen haben. Quantensysteme sind enorm störanfällig. Die verschränkten Quantenzustände – und damit auch die Ergebnisse von Berechnungen – sind extrem fragil. Jedes supraleitende Qubit muss deshalb fast auf den absoluten Nullpunkt herunter gekühlt werden. Denn wenn sich die Elektronen im System erwärmen, bewegen sie sich mehr, was im Quantensystem zu Rauschen und Fehlern führt.

Die Fehlerquoten der Hardware werden jedoch immer weiter gesenkt. IBM hat dafür auch eigene Techniken entwickelt, die auf der sogenannten  Fehler-Mitigation beruhen: Rechnungen werden für ihre bessere Messbarkeit durch mehrfache Wiederholung zuerst künstlich erhöht und dann auf Null-Fehler extrapoliert. Die mit solchen Methoden ermöglichte Genauigkeit bleibt aber bis heute eines der wichtigsten Entwicklungsprobleme auf dem Weg zu einem universellen Quantencomputer. IBM veröffentlicht den Stand der Entwicklung für Nutzer laufend aktualisiert. https://quantum-computing.ibm.com/services/resources?system=ibm_kyiv

Die neue Welt der Quantencomputer hat für den breiten Einsatz noch viele Hürden zu nehmen, doch die Experten sind sich sicher, dass sie auch in andere Bereiche weiter vordringen wird, beispielsweise dort, wo Big Data, Künstliche Intelligenz und mathematische Optimierungsverfahren eine wichtige Rolle spielen: von der Meteorologie über die Börsenwelt bis zur Grundlagenfoschung. Dabei wird die Quantentechnologie den klassischen Computer nicht verdrängen, sondern ergänzen.

Auch die energetische Perspektive des Quantencomputing gibt Anlass zur Hoffnung: Trotz der erforderlichen extremen Kühlung der Quanten-CPU kann sich der Energieverbrauch von Quantencomputern gegenüber klassischen Systemen durchaus sehen lassen. Supercomputer haben heute einen Stromverbrauch von etwa 20-25 MegaWatt –  ein vergleichbarer Quantencomputer benötigt nach Aussage von IBM dagegen nur  ca. 36 KiloWatt.

IBM bietet derzeit Quanten-Rechenzeit hauptsächlich als Cloudservice für Wissenschaft und Industrie-Entwicklung an, derzeit arbeiten weltweit mehr als 460.000 Nutzer mit ganz unterschiedlichen Einsatzbereichen. Heute wird sie in Deutschland beispielsweise von Forschungsinstituten wie dem Fraunhofer und der Universität der Bundeswehr München genutzt. Aber auch die Industrie wie Bosch ist mit dabei.

Interessant ist der Quantencomputer auch für die Teilchenphysik. Schon heute kommt dort Software für neuronale Netze zum Einsatz, um die bei den Experimenten in den Detektoren entstehende, dank verbesserter Detektoren stets wachsende Datenflut zu minimieren. Mit der Mustererkennung lassen sich wichtige Daten der Messungen bei den Teilchenkollisionen herausfiltern. Künftig können die Modelle für diese Mustererkennung dank leistungsstarker Quantencomputer weiter detailliert und damit die Filtermechanismen verbessert und so die  Datenspeicher entlastet werden. Aber auch die theoretischen Grundlagen lassen sich mit mehr Rechenleistung weiter optimieren. Heute sind die in der Teilchenphysik benötigten Hamiltonschen Gleichungen für klassische Computer aufgrund des extremen Rechenaufwandes eine ziemlich große Nuss und oft nur approximativ zu berechnen. Der Traum der Teilchenphysiker: Mit Quantencomputern Simulationen machen zu können, die es vielleicht sogar erlauben, in einem Minimodell bis zum Urknall zurück zu reisen. Doch das ist schon das Thema der nächsten Story von HYPERRAUM!

Ansprechpartner:

Dr. Susanne Päch
Chefredaktion HYPERRAUM.TV
Bavariafilmplatz 3
82031 Grünwald
susanne.paech@hyperraum.tv

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