HYPERRAUM.TV-Doku: Leuchten in ewiger Dunkelheit
Tiefseeforschung (Folge 3):
Glühwürmchen kennt man aus dem eigenen Garten. Dass das Phänomen der sogenannten Biolumineszenz bei Organismen in der dunklen Tiefsee sogar weit verbreitet ist, erscheint zuerst einmal merkwürdig. Doch das Verhalten vieler Organismen ist dort unten in dauerhafter Dunkelheit durch sie bestimmt. Mit dem Neurobiologen und Biolumineszenz-Fachmann Prof. Dr. Hans-Joachim Wagner geht Susanne Päch in der Sendung „Leuchten in ewiger Finsternis“ sowohl den durch die Biolumineszenz entstandenen Verhaltensweisen und den dafür entwickelten Wahrnehmungs-Methoden nach.
Die Natur hat für die Biolumineszenz Leuchtorgane entwickelt. In ihnen kommt es zu einer chemischen Reaktion. Immer sind dabei Sauerstoff und Enzyme mit im Spiel. Durch diese Reaktionen werden Lichtquanten ausgestrahlt, die Organe beginnen zu leuchten. Die meisten Lebewesen, die selbst Licht machen können, leben nicht an Land, sondern im Wasser, und da vor allem tief unten in jener Zone, die der Meeresbiologe Tiefsee nennt. Sie beginnt per Definition 200 m unter der Wasseroberfläche, wo am Tag allerdings noch Dämmerlicht hineinreicht. Erst ab 1.000 Metern Tiefe herrscht dauerhafte Dunkelheit. Rund 90 Prozent der Tiefsee erstreckt sich 3.000 bis 6.000 Meter tief, dorthin, wo sich ausgedehnte Tiefsee-Ebenen ausbreiten.
Die Biolumineszenz gibt es hier unten in zwei unterschiedlichen Arten. Tiefsee-Wesen haben einerseits Leuchtorgane wie die Glühwürmchen entwickelt, können also selbst Licht erzeugen. Dann gibt es aber noch eine zweite Methode, die Tiefsee-Lebewesen zu Leuchten bringt. Und die hängt mit einer dort unten weit verbreiteten Verhaltensweise zusammen: die Symbiose von Organismen. Der große Mangel an Nahrung in diesen Regionen fördert wahrscheinlich symbiotisches Zusammenleben: eine Win-Win-Situation. Häufig leben Bakterien mit größeren Organismen in solchen Symbiosen zusammen, der Biologe spricht von Endiosymbionten.
Der Biolumineszenz-Experte Hans-Joachim Wagner von der Uni Tübingen erklärt in der Sendung, wie es dazu kommt – und dass die biolumineszenten Reaktionen, die die Bakterien im Körper ihrer Wirte auslösen, möglicherweise einen ganz anderen evolutionären Hintergrund haben als den, bloß Licht machen zu können. Hans-Joachim Wagner erklärt: „Die dafür erforderlichen Bakterien, sogenannte Endiosymbionten, machen im Körper freie Radikale unschädlich, eine wesentliche Aufgabe zum Überleben. Doch da sich die Biolumineszenz entwickelt hatte, bildete sich in der Tiefsee spezifisches Verhalten heraus.“ Wir kennen Bioluminiszenz als Dauerleuchten oder sogar mit Blendeneffekt. Organismen nutzen sie zur Anlockung von Artgenossen, für die Suche nach Nahrung und sogar zum Schutz vor Fressfeinden, indem bioluminiszente Wolken ausgestoßen werden, hinter denen man sich im wahrsten Sinn des Wortes „aus dem Staub“ machen kann.
Um Licht wahrnehmen zu können, braucht es auf der anderen Seite Sinnesorgane mit geeigneten Rezeptoren: also Augen. Nicht alle Lebewesen hier unten sind damit ausgerüstet. Es gibt Tiere am Boden der Tiefsee, die überhaupt keine Augen haben. Für sie ist Licht ein völlig irrelevanter Faktor. Bei jenen, die Augen haben, sind sie oft fast monströs vergrößert – auf der Suche nach dem wenigen Licht, das da unten überhaupt noch zu entdecken ist. Aber auch sonst sind die Augen der Tiefseefische ein spannendes Forschungsgebiet.
Farbe spielt in der Finsternis übrigens keine Rolle. Der größte Teil der Organismen kann nur im Bereich blau-grün sehen, nicht aber die Farbe rot, angepasst an jenen Spektralbereich, der in der Übergangszone in rund 1000 Metern Tiefe noch vorhanden ist, da der langwellige rote Anteil des Spektrum in höheren Schichten des Meerwassers schon absorbiert wird. Die Evolution hat in der Tiefsee mit der Entwicklung von Augen viel herum experimentiert. Zuerst einmal ist es wichtig, möglichst viel Licht einzufangen. Doch es gilt dabei mehr im Blick zu behalten. Das führt zu manchmal sogar monströs scheinenden Augen. Doch es gibt ein Problem dabei: Je größer sie sind, desto größer der Kopf – und desto weniger Stromlinienform. Was also tun? Eine evolutionäre Lösung dieses Dilemmas sind spezielle Röhren-Augen, die wie bei einem Teleskop viel Licht einsammeln können. Das gute Sehen im Dunkeln ist allerdings mit einem sehr kleinen Gesichtsfeld erkauft. Doch auch dafür hat die Natur Lösungen parat: Sie hat beispielsweise Röhrenaugen entwickelt, die sich kippen lassen. Und bei manchen Fischen haben sich sogar Nebenaugen herausgebildet, mit denen der Fisch gleichzeitig in die entgegengesetzte Richtung schauen kann.
Die Forscher stoßen mit Unterwasser-Robotern, den sogenannten ROVs, in diese geheimnisvolle Welt der Dunkelheit immer weiter bis zu mehreren tausend Meter vor. Um dort arbeiten, also auch etwas sehen zu können, müssen sie meist Licht mitbringen. Wie aber wirkt sich die Erforschung des Menschen in der Tiefsee auf die Tiere mit solchen Augen aus? Wagner ist sicher, dass sie Kollateralschäden auslöst. Wie man in der Tiefsee mit möglichst wenig Licht forschen kann, auch das ist daher ein Thema, über das der Wissenschaftler in der Sendung berichtet. Infrarot-Kameras sind ein Beispiel, doch die haben den Nachteil geringer Reichweite. Speziell für die Erforschung biolumineszenter Organismen kann statt mit hellen Scheinwerfern und mit schwachen Leuchtmustern gearbeitet werden, die die Tiere für die Beobachtung dann anlocken.
Die Tiefsee ist in den letzten Jahren in ein breiteres Interesse der Öffentlichkeit geraten. Im Schifffahrtsmuseum in Rostock kann man noch bis September 2023 eine Sonderausstellung sehen. Im Senckenberg-Museum gibt es eine große Dauerausstellung zur Tiefsee. Doch Erkenntnisgewinn über das Verhalten der Lebewesen in der Tiefsee bleibt schwierig und bringt hohe Hürden. Bei größeren Organismen kann man es nur vor Ort verfolgen, unten in der Tiefe mit unbemannten Robotern. Bis auf weiteres gilt daher das Schluss-Statement des Tiefseeforschers Wagner: „Was wir bisher nicht geschafft haben, ist die Entwicklung von Aquarien, in denen man Tiefseefische an Bord der Forschungsschiffe längere Zeit lebendig halten. Vom Verhalten der Tiere wissen wir daher nichts aus direkter Beobachtung. Die Annahmen sind abgeleitet aus Lebensformen oder aus dem Mageninhalt – aber faktisch sind es heute nur indirekte Beobachtungen.“
Ansprechpartner:
Dr. Susanne Päch
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