TV-Doku: Quantenverschlüsselung
Mit den am Horizont aufsteigenden Quantencomputern und ihrer wesentlich verbesserten Rechenleistung wächst die Gefahr von erfolgreichen Hackerangriffen. Forscher suchen deshalb nach Technologien, wie sich Datenarchive auch im aufsteigenden Zeitalter der Quantencomputer sicher schützen lassen – selbstverständlich ebenfalls auf der Quantenphysik aufbauend.
Die neu entstehende Quantenkryptografie, um die sich in der HYPERRAUM.TV-Doku „Datenverschlüsselung – die Entwicklung kryptografischer Verfahren mit Quantenphysik“ alles dreht, steckt zwar noch in den Kinderschuhen, aber die Grundlagen des Verfahrens sind klar. Das zentrale Problem ist heute die Reichweite, mit der der Datenschutz mittels Quanten in Glasfasern einwandfrei funktioniert. Susanne Päch spricht mit Christoph Marquardt, einem der Top-Experten in Deutschland, über den Stand der Entwicklung dieser jungen Disziplin.
Weltweit wird der Quantenkryptografie eine große Zukunft vorausgesagt. Doch die Hürde, die industriell dafür genommen werden muss, ist hoch. Denn diese Quanten-Schlüssel bieten zwar theoretisch den besten Schutz vor Datenklau, und das Prinzip lässt sich im Labor schon vorführen, doch auch im zweiten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts ist die Quantenwelt extrem widerspenstig und schwer zu kontrollieren. Denn sobald Quanten mit der Umwelt – also mit jeglicher anderer Materie – interagieren, verändern sie sich. Das bedeutet: Sie müssen, wie der Quantenphysiker sagt, von der Umgebung mit anderer Materie weitgehend isoliert werden. Dafür arbeiten sie mit unterschiedlichen technologischen Methoden, beispielsweise im Vakuum oder bei Tiefsttemperaturen. Quantenphänomene sind zwar schwer zu beobachten, aber in unserer Welt allgegenwärtig. Sie liegen jeder Form von Materie zugrunde. Dank unterschiedlicher Versuchsanordnungen lassen sich Quantensysteme daher mit allen möglichen Teilchen erzeugen. Da dies unterschiedliche Vor- und Nachteile bringt, ist das auch für die Anwendungen relevant.
Die Quantenmechanik wurde zuerst bei Experimenten mit Licht und seinen masselosen Photonen entdeckt. Das Feld der Quantenoptik ist aber nicht nur historisch interessant, sondern hat heute auch im Anwendungsbereich große Bedeutung. Schon in den sechziger Jahren ging aus optischen Experimenten mit quantenphysikalischer Beschreibung eine Technologie mit breitem Einsatzfeld hervor: der Laser. Auch Laserlicht basiert auf der Ausnutzung eines speziellen Quanteneffekts: die stimulierte Emission. Das Ergebnis bezeichnet der Fachmann als „Kohärenz“. Mit Laserquellen laufen die Lichtwellen räumlich wie zeitlich im Gleichtakt. Der so erzeugte Lichtstrahl lässt sich auch über größere Entfernungen stark bündeln. Heute kommt diese Lichttechnologie nicht nur in der Materialbearbeitung oder der Medizin zum Einsatz, sondern auch für die breitbandige optische Datenübertragung – beispielsweise in Glasfasern. Denn hier erlaubt die um den Faktor tausend kürzere Wellenlänge eine wesentlich höhere Datenrate.
Auch quantenkryptografische Methoden gehören in den Bereich dieser Quantenoptik und zu einer neu entstandenen Teildisziplin: der Quanteninformation – an der Schnittstelle zwischen Quantenphysik und Informatik. Aus dem Problem der experimentellen Quantenforscher erwächst für die Quantenkryptografen ein unschätzbarer Vorteil, der die Ingenieure antreibt, die technologischen Hürden dafür zu nehmen: Denn Daten, die mit Hilfe eines Quantencodes verschlüsselt sind, beruhen nicht allein auf mathematischen Annahmen wie bisher. Schon der Eingriff durch den Hacker führt dazu, dass das Quantensystem durch dessen Interaktion messbar beeinflusst wird.
Das Feld der sicheren Datenverschlüsselung hat mit den dramatischen Fortschritten bei der Entwicklung von Quantencomputern erheblich an Brisanz gewonnen. Denn mit dem mit ihnen entsteht künftig ein weitreichendes Problem für sicherheitsrelevante, verschlüsselte Daten in historischen Archiven. Die in Servern gespeicherten, noch konventionell verschlüsselten Daten sind dann nämlich längst nicht mehr so sicher wie heute. Derzeitige Verschlüsselungsmethoden sind vor unerlaubtem Zugriff praktisch weitgehend sicher. Denn man braucht mit dem Durchprobieren aller möglichen Verschlüsselungsvarianten selbst mit den größten Computern zu viel Rechenzeit. Mit künftigen Quantencomputern dagegen und dem mit ihnen zu erwartenden Sprung in der Rechenleistung ändert sich dieses Bild gravierend. Alte Codes könnten dann für interessierte Hacker zu einem offenen Buch werden. Mit der Quantenkryptografie lässt sich also nicht nur die aktuelle Kommunikation, sondern auch jedes Datenarchiv nachträglich so schützen, dass die Informationen dauerhaft vor einem Hacker-Angriff sicher sind, auch dann, wenn Quantencomputer konventionelle Codes knacken könnten.
Inzwischen kommt ein ganz anderes Übertragungskonzept in die Debatte: die Satellitenkommunikation mit der optischen Nachrichtenübertragung. Hier würden verschlüsselte Nachrichtensignale von A nach B über den Umweg Weltraum zwar meist länger als bei einer direkten Verbindung laufen, davon aber nur zehn Kilometer durch die Atmosphäre hinauf und dann wieder hinunter. Der Rest der Laufzeit liegt in dem frei Haus mitgelieferten Vakuum, das die Störung der Quantenkommunikation weitestgehend eliminiert. Doch technologisch einfacher wird es trotzdem nicht. Denn auch die kabellose Durchquerung der stark streuenden Atmosphäre ist heute für die Datenübertragung mit Lasertechnologien je nach Wetterlage ein Problem. Deshalb wird heute die optische Nachrichtenübertragung im Weltraum kommerziell ausschließlich für Datenübertragung innerhalb des Orbits einsetzt – die Kommunikation mit der Erde läuft noch konventionell über Radiofrequenzen. Doch auch hier gibt es bereits orbitale Tests, mit denen nach geeigneten Lösungen gesucht wird, Lasersignale bis zum Boden zu bringen.
China verfolgt die satelliten-gestützte Quantenkryptografie übrigens seit einigen Jahren ganz gezielt, was schon 2017 zu einem publicity-trächtigen ersten Satellitentest führte – mit quantenkryptografischen Experimenten auf der Grundlage österreichischer Forschungsergebnisse und einer Teststrecke zwischen Shanghai und Wien. Denn Wissenschaftler von österreichischen Universitäten gehören seit vielen Jahren zu den weltweit bedeutendsten Quantenforschern – und China hat dieses Potenzial auch mit hofierenden Ehrungen der Pioniere früh und schnell für sich akquiriert.
Chinas Aktivitäten haben inzwischen auch Politik und Industrie in Europa wachgerüttelt. Die EU will ein eigenes weltraumgestütztes Kommunikations-Netz entwickeln, das zuerst einmal für Nutzer von Behörden und Institutionen kritischer Infrastrukturen gedacht ist. Doch noch gibt es kein klares Bild oder gar konkrete Pläne dazu. Gleichzeitig soll in diesem Projekt auch die Standardisierung für Quantenschlüssel vorangetrieben werden – denn in der westlichen Welt nationaler Grenzen und unterschiedlicher Hersteller aus der Privatwirtschaft braucht es für einen erfolgreichen Markt einen verbindlichen offenen Standard, dem alle folgen. Welcher Standard zum Zuge kommt, dessen Technologien heute im Wettbewerb privater Unternehmen entwickelt werden, beeinflusst die Marktchancen von Herstellern ganz erheblich. Das Gerangel hinter verschlossenen Türen um diese Pole-Position ist deshalb groß.
China verfolgt diesen Weg auch politisch-strategisch. Die Regierung soll schon seit Jahren weltweit daran arbeiten, konventionelle Verschlüsselungs-Codes von sicherheitskritischen Daten aus westlichen Ländern zu erfassen und zu lagern. Auch wenn diese Schlüssel heute noch nicht geöffnet werden können, so könnte das China gelingen, sobald Quantencomputer verfügbar sind. Das Land des Lächelns – mit zweistelligen Milliarden-Dollar-Investitionen zur Nummer Eins bei der quantenkryptografischen Zukunft avanciert.
Wo also bleibt in diesem Machtspiel Europa, und wo vor allem steht Deutschland? – mit seiner weltweit führenden klassischen Lasertechnologie und den bedeutenden Forschungen in der Quantenoptik. In der globalen Positionierung ist Deutschland mit Europa bisher noch nicht besonders auffällig geworden. Die deutsche Industrie brilliert vor allem im B2B-Geschäft, aber eben irgendwie mehr im Verborgenen, dort, wo seriöses, aber wenig glamourös-schillerndes Tüftler-Know-how von Zulieferern gefragt und der bodenständige deutsche Mittelstand im Spiel ist. Ob dieser dezente Standpunkt im Hintergrund reichen wird, Europas Unabhängigkeit bei der Kommunikation auch in der Zukunft noch zu sichern?
Ansprechpartner:
Dr. Susanne Päch
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