TV-Doku: Zwerggalaxien – klein, aber oho!
Seit Jahrtausenden blickt der Mensch ins Himmelszelt und versucht mit immer besseren Instrumenten, die Geheimnisse des Universums zu ergründen. Explodierende Sterne – Schwarze Löcher und ihre gewaltigen Jets – die Verschmelzung ganzer Galaxien … und dann sind da auch noch die kleinen Zwerggalaxien! Längste Zeit waren Sie für Astronomen gar nicht richtig existent. Diese Himmels-Kategorie gibt es erst seit einigen Jahrzehnten – und gegenüber Exoplaneten oder der Kollision von Schwarzen Löchern sind die unscheinbaren Zwerggalaxien für den Außenstehenden sowieso ein scheinbar langweiliger Gesprächsstoff. Doch die Galaxien en miniature haben es in sich und kommen in der Wissenschaft gerade ganz groß raus.
Diesem Thema widmet HYPERRAUM.TV deshalb mit „Klein, aber oho! – Zwerggalaxien als wichtige Bausteine der frühen Entwicklung des Universums“ eine ganze Sendung.
Noch kennen wir nicht einmal hundert Zwerggalaxien im Universum, alle in nächster Umgebung der Milchstraße, obwohl es viele hundert Millionen von ihnen geben muss. Doch für Kosmologen und theoretische Astrophysiker wie Marcel Pawlowski sind sie in den letzten Jahren zu einem extrem spannenden Forschungsobjekt geworden. Aus der Kollision solcher Zwerggalaxien haben sich allmählich große Sternansammlungen wie die Milchstraße gebildet. Andere konnten sich über die Jahrmilliarden erhalten und sind heute Relikte aus der frühesten Zeit der kosmischen Strukturierung. Doch ihre Verteilung und Zusammensetzung gibt Astrophysikern Rätsel auf.
Die kleinen Begleiter großer Galaxien sind verständlicherweise am besten in der Umgebung unserer Milchstraße zu beobachten. Gut fünfzig von ihnen in unterschiedlichsten Formen sind hier inzwischen bekannt, um andere Galaxien dagegen insgesamt nur rund dreißig, alle in unserer nächsten Nachbarschaft. Sterne aus dem mächtigen galaktischen Sternenteppich um uns den unscheinbaren Zwerggalaxien zuzuordnen, ist in jedem Fall eine zeitraubende Aufgabe. Und die großen Zwerggalaxien mit einer Milliarde von Sternen lassen sich heute auch nur bis zu einer Entfernung von rund 100 Millionen Lichtjahren eindeutig in Sterne auflösen – in einem All, das sich inzwischen 14 Milliarden Lichtjahre ausgebreitet hat.
Einige der heute als größere Zwerggalaxien klassifizierten Himmelsobjekte waren schon früher bekannt, aber nicht so oder gar falsch klassifiziert. Und ob es sich bei Canis Major, der uns vielleicht nächst gelegenen Zwerggalaxie in einer Entfernung von nur 25.000 Lichtjahren zur Erde, tatsächlich um eine eigenständige, in Auflösung befindliche Zwerggalaxie handelt, oder aber, ob es sich doch nur um eine konventionelle Sternansammlung im Außenbereich der Milchstraße dreht, auch das wird heute von Astrophysikern kontrovers debattiert. Selbst in nächster Nähe rankt sich um die kleinen Begleiter also manches Geheimnis.
Heute mögen die Zwerggalaxien klein und wenig dynamisch erscheinen, doch aus Sicht der Kosmologen spielen sie also bei der galaktischen Entwicklung des frühen Universums als „Bausteine der Galaxien“, wie Marcel Pawloski sagt, die erste Geige. Denn nach Ansicht der Kosmologen steht die Bildung von Zwerggalaxien am Anfang der universalen Strukturentwicklung. Es kam unter ihnen in der Frühzeit zu zahlreichen Kollisionen, aus denen sich immer größere Galaxien bildeten. Zwerggalaxien, die damals nicht in Kollisionen aufgegangen sind, zeigen heute als historische Relikte so gut wie keine Sternentstehung mehr. Diese archaischen kleinen Sternansammlungen bestehen vorwiegend aus leichteren Elementen und haben nach heutiger Einschätzung auch keine Schwarzen Löcher in ihrem Zentrum haben. Massereiche Schwarze Löcher sind dagegen typisch für große Galaxien, die durch zahlreiche Kollisionen im Lauf ihrer Geschichte so viel Masse ansammeln konnten, dass sich in ihrem Zentrum monströse Objekte herausbildeten.
Die kleinen Satellitengalaxien teilen alle ein gemeinsames Schicksal: Sie tragen ein hohes Risiko, im Lauf ihrer Existenz irgendwann einmal von der Zentralgalaxie eingefangen zu werden. Der Prozess läuft lange und schleppend über viele Milliarden Jahre. Vor über zwanzig Jahren wurde er erstmals bei der Zwerggalaxie Sagittarius entdeckt. Es beginnt damit, dass die Gravitation des Zentralgestirns die Struktur des Sternverbundes aufbricht und sie auseinander zieht. Zuletzt werden alle zugehörigen Sterne von der Milchstraße eingefangen. Der Zentralkörper reist dann als sogenannter Sternstrom durch die Milchstraße.
Da Zwerggalaxien nicht notwendigerweise aus der Scheibenebene kommen müssen und außerdem gegenüber den Sternen der Muttergalaxie meist unterschiedliche Geschwindigkeiten haben, ziehen solche Sterne auf ungewöhnlichen Bahnen wie Querschläger durch die galaktische Sternstruktur. Manche der Zwerggalaxien haben jedoch einen so steilen Einfallswinkel, dass sie nicht in die Scheibe diffundieren, sondern schon im kugeligen Stern-Halo der Milchstraße hängen bleiben. Astrophysiker gehen davon aus, dass die meisten Sterne des heutigen Halos der Milchstraße von solchen eingefangenen Zwerggalaxien stammen.
Doch es gibt nicht nur Kollisionen der Milchstraße mit Zwerggalaxien. Wenn auch nur noch selten gegenüber den Anfängen des Universums kommt es im expandierenden Universum immer wieder einmal zum Zusammenstoß von zwei großen Galaxien. Die Milchstraße und Andromeda sind nach übereinstimmender Einschätzung der Astrophysiker heute Kandidaten dafür und bewegen sich auf direktem Kurs aufeinander zu. Bei solchen Verschmelzungen kommt es zum Entstehungsprozess neuer Zwerggalaxien. Diese erst bei der Kollision von Galaxien in den Gasen entstehenden Folge-Generationen junger Zwerggalaxien bezeichnen Astrophysiker heute als „Gezeiten-Zwerggalaxien“. Sie lassen sich eigentlich von den sehr alten Zwerggalaxien gut unterscheiden. Denn die Materie setzt sich aufgrund ihres unterschiedlichen Alters anders zusammen: in ihnen finden sich deutlich höhere Anteile schwerer Elemente, was als die Metallizität von Sternansammlungen bezeichnet wird.
Pawlowskis Forschungsschwerpunkt sind die Bewegungen der Zwerggalaxien im Umfeld der Milchstraße. Auch hier gibt es ungewöhnliche Phänomene zu studieren. Denn eigentlich wäre mit den Simulationen über die Strukturierung im Universum zu erwarten, dass sich Zwerggalaxien aufgrund der großen Halos aus Dunkler Materie eher zufällig um die Muttergalaxie verteilen. Doch diese Simulationsergebnisse passen so gar nicht mit den bisherigen – wenn auch nur exemplarischen – Beobachtungen zusammen. Denn Zwerggalaxien zeigen eine deutliche räumliche Orientierung in einer Art Scheibe. Stammen sie also gar nicht aus der Frühzeit des Universums, sondern sind Gezeiten-Zwerggalaxien?
Und dann gibt es da noch ein viel gravierenderes Fragezeichen: Warum folgen Zwerggalaxien nicht der im Kosmos sonst üblichen Verteilung Dunkler Materie?
Die Himmelsmechaniker sagen uns, dass rund 27 Prozent der Materie des Universums dieser dunklen Seite zuzuordnen sind. Sie muss vor allem dort zu finden sein, wo auch die sichtbare Materie in Sternen leuchtet, also in Galaxien und Galaxien-Haufen, denn dort fehlt Masse, die dringend benötigt wird, damit das Universum himmelsmechanisch so funktioniert, wie es Astrophysiker mit ihren Instrumenten nun einmal vermessen.
Die Dunkle Materie ist zwar bis heute nicht nachgewiesen worden, doch für den Theoretiker gehört sie seit Jahrzehnten zum Standard der kosmologischen Modelle. Dunkle Materie legt sich wie ein Kokon in und um die Galaxien – und bringt so wieder alles mit der Beobachtung ins Lot. Für den Himmelsmechaniker ist es auch ein Leichtes, die Dunkle Materie einer Galaxie genau zu berechnen. Dazu muss er die Masse aller beobachteten Sterne und Gase einer Galaxie in Relation zur Rotationsgeschwindigkeit setzen. Je höher, desto schneller. Doch Masse und Rotationsgeschwindigkeit von Galaxien passen im Universum einfach nicht zusammen – das führte schon Mitte des letzten Jahrhunderts zu ersten Konzepten einer Dunklen Materie, die in den achtziger Jahren zum kosmologischen Standardmodell führte. Wie ein Kokon in und um Galaxien liegt die Dunkle Materie – und scheint so wieder alles ins Lot zu bringen. Aber was genau ist Dunkle Materie? Das Problem dabei: Trotz intensivster Anstrengungen hat sie bisher keiner nachweisen können. Sie ist und bleibt theoretische Mathematik. So sind seither konkurrierende Detailkonzepte für die Teilchen der Dunklen Materie erdacht worden, die unter anderem ihre postulierte Verteilung im Universum und den Galaxien beeinflussen.
Ein sehr kleiner Teil der Kosmologen geht viel weiter und bestreitet die Existenz der Dunklen Materie. Stattdessen postulieren sie, dass das Gravitationsgesetz keine im ganzen Universum gleichbleibende Kraft ist, sondern dass sie sich im Universum bei geringer werdender Masse verändert. Und gerade die Winzlinge im All mit ihrer Anomalie der Dunklen-Materie-Verteilung scheinen für solche Überlegungen die himmlischen Vorzeige-Objekte zu sein. Denn ihre messbare Stellardynamik braucht bei veränderter Gravitation keinen Masse-Pep aus Dunkler Materie mehr.
Zwerggalaxien und Gezeiten-Zwerggalaxien– viel unscheinbares Kleinzeug, das sich da um die mächtige Milchstraße bewegt – und dabei für den Forscher ziemlich viel Durcheinander offenbart, das dringend einer weiteren Klärung bedarf. Diese kleinen Sternstrukturen halten also viel kosmologischen Zündstoff bereit und bringen sogar das Modell der Dunklen Materie ins Wanken – davon bald mehr!
Ansprechpartner:
Dr. Susanne Päch
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