Angepasste Universal-Bearbeitungszentren für Qualität und Wirtschaftlichkeit der Medizintechnik
Den Kauf des ersten der vier Dreh-Fräs-Zentren vom Typ XP4-42 hatte man beim Zulieferer JR-Medizintechnik im schwäbischen Kreenheinstetten noch als Test betrachtet. Schließlich sollte nicht die „Katze im Sack“ gekauft werden. Sprich: „Wir wollten die Maschine in der täglichen Produktion beurteilen können“, berichtet JR-Geschäftsführer und Inhaber Jörg Rettkowski. Bereits nach wenigen Monaten fiel die Entscheidung. Es wurde die zweite Maschine gekauft.
Effiziente Bearbeitungszentren gefordert
Inzwischen werden auf allen vier Maschinen täglich 12 bis 16 h lang Dreh-Fräs-Teile aus dem Edelstahl V2A für die Medizintechnikbranche produziert. Dass sich dazu Rettkowski vor einigen Jahren auf eine ausgiebige Maschinensuche begab, lag an den Anforderungen, die von Zulieferern dieser Branche an eine effiziente Produktion gestellt werden: „Es wird ein großer Wert auf hohe Universalität und einfache Bedienbarkeit gelegt“, bemerkt Helmut Müller, Geschäftsführer der Müga Werkzeugmaschinen GmbH, Villingen-Schwenningen.
Daraus leitet er konkrete Anforderungen wie schnelles und einfaches Umrüsten, aber auch wenig Platz für die Maschinenaufstellung ab. Die meisten Dreh- und Frästeilhersteller der Branche seien kleinere Betriebe, die Teile aus Edelstahl-, Kobalt- und Titanlegierungen in kleinen Losgrößen fertigen, sagt Müller.
Kostengünstige Standardmaschinen mit hoher Anpassungsfähigkeit
Diese Teile sind anspruchsvoll in der Fertigung. Das liegt nicht nur an der geforderten Maßgenauigkeit, sondern auch an den Anforderungen hinsichtlich der Oberflächengüte. Beides, erläutert Müller, setze eine „sehr hohe Steifigkeit und Anpassungsfähigkeit der Maschine“ voraus.
Diesen Anspruch erfülle die jüngste Müga-Maschinenreihe. Generell wird von den Herstellern dazu jedoch kein Sondermaschinenbau betrieben. Vielmehr handelt es sich um Standardmaschinen. So werden beim Maschinenhersteller Haas Automation das Preis-Leistungs-Verhältnis und die Maschinenfunktion an oberster Stelle in den Anforderungslisten der Zulieferer gesehen.
Maschinen werden für die Medizintechnik aufgerüstet
Für die Bearbeitung von Metallteilen erfolgt eine branchenspezifische Aufrüstung. „Wir können jede Drei-Achs-Maschine auf vier oder fünf Achsen aufrüsten, auch noch Jahre nach dem Kauf “, berichtet Katja Mader, Marketingdirektorin bei Haas Automation Europe in Brüssel.
In erster Linie sind es die zu bearbeitenden metallischen Werkstoffe, die eine spezifische Ausstattung erforderlich machen. Jedes Gesamtpaket umfasst daher laut Mader „eine von Haus aus steife Maschine mit einer leistungsstarken Spindel aus entsprechend hohem Drehmoment und weitem Drehzahlbereich“.
Medizintechnik stellt höhere Ansprüche an die Maschinenausstattung
In dieser Konstellation zeigen sich bereits Unterschiede zur Maschinenausstattung in der Feinwerktechnik. Dort sind die Werkstoffe in der Bearbeitung weniger anspruchsvoll. „Im Gegenzug gibt es Unterschiede in der Qualitätsanforderung“, stellt die Haas-Marketingspezialistin fest. Meist liegt der Grund dafür in einer größeren Anzahl an mechanischen Prozessen zur Oberflächenbearbeitung, die dem Drehen, Fräsen und Bohren folgen.
Aber auch von Zulieferer zu Zulieferer sind die Anforderungen unterschiedlich. Die Basis dafür liegt im Produktspektrum der Medizintechnikbranche, das sich prinzipiell in Implantate und medizinische Instrumente unterteilen lässt.
Fertigung von Implantaten meist auf Fünf-Achs-Maschinen
Dabei wird nach Freiformflächen unterschieden. „Für die Fertigung von Implantaten kommen überwiegend Fünf-Achs-Maschinen zur Anwendung“, berichtet Mader. „In der Instrumentenfertigung genügen dagegen meist Maschinen mit drei oder vier Achsen.“
Außerdem gibt es bei Implantaten einen Trend zu sehr kleinen Werkzeugdurchmessern. „Oftmals liegen sie nur im Zehntelmillimeter-Bereich“, bemerkt Müga-Geschäftsführer Müller. „Aus diesem Grund ist es erforderlich, High-Speed-Spindeln automatisch einwechseln zu können.“ Vom Hersteller Müga wurde daher eine austauschbare Spindel für maximale Drehzahlen bis 150 000 min–1 entwickelt.
Konjunkturelle Schwankungen in der Medizintechnik kleiner als in anderen Branchen
Gerade für die Implantatfertigung haben die Maschinenhersteller das Ausstattungsprogramm erweitert. So wurden im vergangenen Jahr vermehrt kompakt gebaute Bearbeitungszentren, die eine Fünf-Achs-Bearbeitung ermöglichen, am Markt eingeführt: darunter das Bearbeitungszentrum Super Mini Mill 2 von Haas Automation und die Fünf-Achs-Maschine RMV 250-RT von Müga.
„Die Medizintechnik entwickelt sich für uns zunehmend zu einem wichtigen Absatzmarkt“, stellt Müga-Geschäftsführer Müller fest – und zwar nicht nur bezüglich der Maschinentechnik, sondern des Teilhandlings. Ausschlaggebend für diese Einschätzung ist die Nachfrageentwicklung auf den einzelnen Absatzmärkten: „Wir messen der Medizintechnik eine große Bedeutung zu, weil die konjunkturellen Schwankungen in dieser Branche weit weniger stark ausgeprägt sind als in anderen wie der Automobilindustrie“, argumentiert Haas-Managerin Mader.
Optimale Medizintechnik-Fertigung noch nicht erreicht
Ein weiterer Grund liegt im Fortschritt, was die Fertigungstechnik für Implantate betrifft. So gehören Kniegelenkimplantate mit Freiformflächen zwar heute zum Stand der Technik, doch ist dabei in der Fertigung bezüglich Qualität und Wirtschaftlichkeit noch nicht der optimale Spagat gelungen.
„Aufgrund der Anforderungen nach hoher Präzision und immer kostengünstigerer Fertigung sind die Zulieferer auf der Suche nach Produktionsmitteln, die diesen Anspruch erfüllen“, beobachtet Müller. Zum Beispiel denkt Rettkowski von JR-Medizintechnik derzeit über ein Fünf-Achs-Bearbeitungszentrum für Edelstahlteile nach.
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