Pneumatik ist fit für geregelte Systeme

Üblicherweise ist es bis zur Gleichberechtigung ein langwieriger Prozess. In der Antriebstechnik dauerte er gut zwei Jahrzehnte – bis elektrische und pneumatische Antriebe gleichberechtigt ihre Vorteile ausspielen konnten. Seitdem sind antriebstypische Eigenschaften wieder verstärkt ins Rampenlicht gerückt.

Das erleichterte den Herstellern pneumatischer Antriebe, die Automatisierungstechnik als Anwendungsbereich zu gewinnen. Mit Montage- und Handhabungssystemen erwirtschaftet die Pneumatikbranche laut VDMA inzwischen über 10% des Umsatzes in Deutschland – Tendenz steigend.

Der Einstieg kam mit der elektronischen Aufrüstung pneumatischer Antriebe. Sie vereinfachte den Zugang zur elektronischen Antriebssteuerung.Die technischen Möglichkeiten dazu schuf die Mikroelektronik. Seitdem wachsen pneumatische und steuerungstechnische Antriebskomponenten zusammen.

Digitalelektronik ermöglicht Durchbruch für pneumatische Antriebe

Mit dem Übergang von der Analog- zur Digitalelektronik begann dann das Übertragen von Steuer- und Regelalgorithmen auf Mikroprozessoren. Das war der Durchbruch, um elektrische und pneumatische Antriebe von der Steuerung her nahezu gleichwertig zu behandeln. So ist es heute möglich, an elektropneumatischen Antriebsachsen vor Ort Einstellungen vorzunehmen, ohne über detaillierte pneumatische Grundlagen zu verfügen.

Dennoch hat die Pneumatik die größte Verbreitung in der rein gesteuerten Antriebstechnik. Bei dieser Antriebsart muss sie keine nennenswerte Konkurrenz durch elektrische Antriebe fürchten. Die Gründe dafür sind:

-technische Einfachheit,

-hohe Leistungsdichte,

-Wartungsfreundlichkeit pneumatischer Antriebe und

-niedrige Investitionskosten.

Diese Vorteile prädestinieren die Pneumatik für viele Montage- und Handhabungssysteme – vor allem dann, wenn ein Positionieren der Achsen auf Anschlag ausreichend ist und sich so Kostenvorteile von 50 bis 70% im Vergleich zu elektrischen Antrieben ergeben.

Elektropneumatische Antriebsachsen schließen zur Elektromechanik auf

Aus dieser Stärke heraus sieht man mit elektropneumatischen Antriebsachsen die Möglichkeit, in Anwendungsbereiche der Elektromechanik vorzudringen. So werden Eigenschaften wie Dynamik und Geschwindigkeit als vergleichbar betrachtet.

Der Unterschied liegt in der Genauigkeit der Bewegungen. So ermögliche die Pneumatik im Allgemeinen, eine Positionierung bis auf 0,3 bis 0,5 mm genau zu regeln, berichtet Frank Schnur, Leiter des Technical-Centers der Norgren GmbH in Fellbach. „Bei höherer Genauigkeit sind elektrische Antriebe im Vorteil.“

Diese differenzierte Betrachtung bildet heute die Basis für die Antriebs- und Automatisierungsspezialisten bei der Auslegung jeder einzelnen Antriebsachse in Systemen. So setzt man bei Rexroth auf Antriebskombinationen. Für jede Achsenfunktion komme man daher zu einer geeigneten Lösung, erläutert Dr. Peter Saffe, Vertriebsleiter International im Branchenmanagement Pneumatik bei der Bosch Rexroth AG, Laatzen. Dazu stünden Pneumatik, Elektromechanik und elektrische Direktantriebe zur Verfügung.

Perfektes Zusammenspiel der einzelnen pneumatischen Achsen

Ziel ist es, schnelle, dynamische Prozesse sicher zu beherrschen. Bei Mehr-Achsen-Systemen müssen daher die einzelnen Antriebsachsen perfekt zusammenspielen. Dazu ist eine Signalerfassung, -aufbereitung und -auswertung vor Ort erforderlich. So sind bei pneumatischen Antrieben Sensoren und Mikroprozessoren im Ventil oder direkt im Aktor integriert. Dadurch werde eine „sehr schnelle Kommunikation erreicht“, erklärt Norgren-Application-Manager Schnur. „Dies ermöglicht weit bessere Regelergebnisse als bisher.“

Das zeigt sich beispielsweise bei pneumatischen Druckregelventilen, die aufgrund der lokalen Verknüpfung von Regelelektronik und robuster Pneumatik den Freiheitsgrad für eine wirtschaftliche Automatisierung erhöhen. Damit würden sie „den wachsenden Anforderungen in der Fabrikautomation“ gerecht, bemerkt Rexroth-Vertriebsleiter Saffe.

Verantwortlich dafür ist, dass aufgrund der Verknüpfung immer mehr Anwendungen in der Automatisierungstechnik für pneumatische Antriebe offen stehen. Gleichzeitig hat die Integration von Regelelektronik in Ventilen zu einer Kostensenkung geführt.

„Technisch und kommerziell“, sagt Schnur, profitiere die Servopneumatik von dieser Entwicklung. Sie sei heute zur elektromechanischen Antriebstechnik „eine Alternative, insbesondere bei Aufgaben des Positionierens in Kombination mit Kraftregelung“.

Für geregelte pneumatische Antriebe spricht die automatische Nachregelung, die wie eine pneumatische Feder funktioniert. Im Gegensatz dazu ist mit elektrischen Antrieben bei diesen Aufgaben zwingend eine programmierte Nachregelung erforderlich. Aufgrund dieses Vorteils spielen geregelte Proportionalventile in der Pneumatik eine besondere Rolle. Sie haben sich laut Saffe „bezüglich der hohen Robustheit und Zuverlässigkeit bewährt“.

Trend geht zu integrierten Systemen mit Lage- und Druckregelung

Das ist besonders in Kombination mit pneumatischen Leichtlaufzylindern der Fall, die mit Weg- und Druckmesstechnik ausgestattet werden können. Optional lässt sich auch die Druckmesstechnik im Ventil integrieren. Stets erhält man geregelte pneumatische Antriebe mit sehr schneller, hochdynamischer Ventiltechnik.

Dazu kommt, dass die Verwendung eines überschneidungsfreien, servopneumatischen Ventils eine übliche Endlagendämpfung überflüssig macht. Der Grund dafür sei „die exakte Profilierung und Regelung von Position und Druck im Zylinder“, erläutert Schnur.

Fein geregelter Zu- und Abluftstrom erspart Endlagendämpfung

Dazu wird der Zu- und Abluftstrom feinfühlig reguliert. Voraussetzung dafür ist eine schnelle Verstelldrossel. Das Ergebnis entspricht laut dem Norgren-Application-Manager „einer elektrischen Endlagendämpfung“.

Die Antriebs- und Automatisierungsspezialisten bieten diese Entwicklungen als Kompletteinheit an. „Der Trend geht zu vollintegrierten Systemen“, berichtet Saffe. In diesen Systemen werden auch Lage- und Druckregler kombiniert.

Somit kann man komplexe Antriebslösungen erzeugen, wie sie beispielsweise bei pneumatischen Schweißzangen erforderlich sind. Für diese Anwendung benötige man Systeme mit hohem Durchfluss und Präzision, erklärt der Rexroth-Vertriebsleiter.

Außerdem setzt die Systemintegration die Kombination von pneumatischer Antriebs- und mechanischer Lineartechnik voraus. Darüber hinaus ist eine Systemanbindung über eine Diagnoseeinheit an einen Feldbus möglich. „Diese Struktur besteht aus einem Busmodul zur Kommunikation mit einem übergeordneten Feldbus und anderen Teilnehmern im Strang“, schildert Saffe. So kann die Diagnoseeinheit DDL von Rexroth bis zu 14 „Kommunikationspartner“ haben.

Reduzierte Stick-Slip-Effekte verbessern Reaktionszeiten

Solche Module beschleunigen den Zugriff auf die Antriebstechnik bei Fehlerdiagnose. In geregelten Systemen werden dadurch die Reaktionszeiten auf die einzelnen Antriebsachsen kurz gehalten. Insgesamt ist das zeitliche Optimierungspotenzial bei pneumatischen Antriebsachsen jedoch noch nicht ausgeschöpft. So hält Saffe „schnellere Regelventile“ für möglich.

Außerdem versprechen Antriebe mit verbessertem Reibungsverhalten zusätzliche Einspareffekte. Gerade in Zylindern sieht man darin die Möglichkeit zur Reduzierung des Slip-Stick-Effekts. Der Ansatz dazu sei, den Unterschied zwischen Haft- und Gleitreibung zu minimieren, argumentiert Schnur.

Weitere Potenziale zur Beschleunigung des Antriebsverhaltens werden in einer höheren Auflösung der Sensorsignale und in schnelleren Mikroprozessoren gesehen. Darüber hinaus lässt eine vereinfachte Programmierung eine leichtere Antriebshandhabung und somit Zeitersparnis erwarten. Davon ist Rexroth-Vertriebsleiter Saffe überzeugt: Die Lösung liege in selbsteinstellenden Regelalgorithmen.

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