Wenn Lieferanten den Kostenschleier lüften
Wie die Idee der „offenen Bücher“ funktionieren kann, zeigt das Beispiel des Herstellers von Leichtmetallprodukten Honsel. Der Automobilzulieferer aus Meschede hat Zugang zu Prozess- und Kosteninformationen eines Kunden. Zuvor schweißte dieser Kunde an die von Honsel gelieferten Motorblöcke Tragarme an. Honsel konnte ihm nun ein optimiertes Angebot unterbreiten: ein Motorblock mit integrierten Tragarmen. Die beim Gießen des Motorblocks anfallenden Mehrkosten waren deutlich geringer als die Anschweißkosten beim Kunden. Die gegenseitige Offenlegung von Kostengrößen, das Open Book Accounting, führte somit zu einer höheren Gesamteffizienz und damit zu einer Win-Win-Situation.
Open Book Accounting senkt nicht automatisch die Kosten
Doch ist Open Book Accounting kein Selbstläufer, denn Kostentransparenz allein senkt noch keine Kosten. Häufig fungiert der Kunde als Berater, der Wissen aus eigener Produktion beim Abnehmer einbringt. Nissan veranstaltet Schulungen für seine direkten Lieferanten. Diese helfen Ersparnisse im eigenen Unternehmen aufzuspüren beziehungsweise mit ihren Unterlieferanten bessere Verhandlungen zu führen. Das Selbstverständnis der Abnehmer spiegelt sich in folgender Aussage wider: „Wir greifen nicht ihre Profite ab, sondern ihre Kosten.“
Wann aber kommt der Austausch von Kosteninformationen zwischen Supply-Chain-Partnern zustande? In der betrieblichen Praxis lassen sich typische Muster des Open Book Accounting beobachten. Kosteninformationen werden vornehmlich einseitig von einem wirtschaftlich stark abhängigen Lieferanten bei einer langen Vertragsbeziehung offen gelegt.
Open Book Accounting: Entscheider gehen starke Vorbehalte
Controlling-Experte Professor Hoffjan und sein Doktorand Jan Piontkowski von der TU Dortmund haben dazu 80 internationale Manager befragt. Viele Praktiker äußerten erhebliche Vorbehalte gegenüber dem Kostenaustausch. Sie befürchten, dass die Informationen opportunistisch eingesetzt werden oder dass die erhaltenen Informationen manipuliert sind. Die Befragten zeigten sich eher bereit, Kosteninformationen offen zu legen, wenn der Geschäftspartner mehr eigene Informationen anbietet oder ein gemeinsames Projekt geplant ist.
Dass diese Ängste nicht ganz unberechtigt sind, zeigen zahlreiche Beispiele. Mit den Kosten legt ein Lieferant auch die eigene Marge offen. Dies erhöht seine Verwundbarkeit in Preisverhandlungen. Zuweilen werden die Kostendaten auch an Wettbewerber des Lieferanten weitergegeben. Konkurrenten können durch einen detaillierten Einblick in die Kostenstruktur innovative Prozessabläufe oder Produktionstechniken erkennen und vor allem deren Preissetzungsspielraum abschätzen. Manche Abnehmer suchen sich die laut Kalkulation ihrer Zulieferer kostengünstigsten Positionen heraus. Sie stellen sich einen kostenoptimalen fiktiven „Wunsch-Lieferanten“ zusammen. Mehr als diese Kosten sind sie dann nicht mehr zu bezahlen bereit.
Open Book Accounting hat zwei Seiten
Faktisch kann Open Book Accounting die Position eines beteiligten Unternehmen sowohl stärken als auch schwächen. Grundsätzlich ist der Zulieferer einem höheren Risiko ausgesetzt. Kooperationsromantik sei denn auch fehl am Platz, meint Professor Hoffjan. Wie aber sollen Unternehmen Informationen teilen, ohne zu viele vertrauliche Daten preis zu geben?
Dazu der Controlling-Fachmann von der TU Dortmund: „Dieser Zwiespalt kann mittels einer begrenzten Offenlegung von Kostendaten situationsabhängig gelöst werden.“ Honsel gibt beispielsweise einige Daten nur aggregiert an ihre Kunden weiter. Prozesswissen, das den Wettbewerbsvorteil des Unternehmens ausmacht, bleibt dem Kunden sogar komplett verborgen.
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