Virtuelle Produktion verhilft zum schnellen Serienstart

Der Produktionsanlauf in der Serienfertigung ist für Hersteller wie Anwender automatisierter Fertigungsanlagen ein großer Unsicherheits- und Kostenfaktor. Bislang erfolgen abschließende Testserien in der Regel an realen Maschinen vor Ort beim Kunden. Vor allem in Hochlohnländern kann dies aber ein teures Unterfangen sein. Um im globalen Wettbewerb bestehen zu können, lässt sich bereits vor der eigentlichen Produktion – auf dem Weg von der Produktidee bis zum Serienstart – einiges verbessern. Hierzu gehört, die gesamte Prozesskette im Vorfeld mit dem Computer zu simulieren, um damit Planungszeiten und Kosten zu reduzieren.

In diesem breiten Forschungsfeld ist auch das Werkzeugmaschinenlabor (WZL) der RWTH unter anderem in einem Teilbereich des Exzellenzclusters „Integrative Produktionstechnik für Hochlohnländer“ aktiv. Das einzige Cluster für Produktionstechnik, welches von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) im Rahmen der Exzellenzinititaive im Jahr 2006 bewilligt wurde, wird in den nächsten fünf Jahren mit insgesamt 32 Millionen Euro gefördert.

„Die Simulation in der Produktion ist zwar bereits verbreitet, aber es sind noch Insellösungen. Sie werden zur Untersuchung von Einzelaspekten wie beispielsweise dem thermischen, statischen, dynamischen, steuerungs- oder antriebstechnischen Verhalten eingesetzt“, erläutert Diplomingenieur Werner Herfs, der am WZL für den Bereich „Steuerungstechnik und Automatisierung“ verantwortlich ist. Bisher würden nur einzelne Entwicklungs- oder Produktionsschritte am Rechner simuliert. Da die Datendurchgängigkeit nicht vorhanden ist und Schnittstellen oder Simulationsmodelle für einen durchgängigen Ansatz fehlen, könnten heutige Simulationssysteme nicht miteinander kommunizieren. Eine komplexe, technologie- und maschinenübergreifende virtuelle Abbildung und Optimierung der gesamten Prozesskette ist daher derzeit noch nicht möglich.

Dies möchten die WZL-Forscher ändern. Gemeinsam mit dem Fraunhofer-Institut für Produktionstechnologie (IPT) in Aachen arbeiten sie im Rahmen des Exzellenzclusters an einer integrierten Simulationslösung. „Die DFG-Förderung bietet die einzigartige Chance, die vielfältigen Kompetenzen des IPT und WZL in Aachen gut zu vernetzen“, betont Werner Herfs. Nach Aussagen des Ingenieurs beinhaltetet das Zukunftsszenario, dass möglichst alle Beteiligten auf die homogenen und stets aktuellen Datenbestände einer Firma in sämtlichen Stufen der Prozesskette Zugriff haben. Und: „Ein gemeinsamer modularer Datenstamm kann letztendlich auch die Grundlage für eine komplexe virtuelle Simulation am PC sein. Die Software reagiert intelligent auf Veränderungen und macht teilautomatisiert Lösungs- oder Optimierungsvorschläge.“

Zudem müsse die Simulation einzelner Fertigungsschritte optimiert werden. „Wenn beim Testlauf heute die Bearbeitungszeiten nicht erreicht werden oder Ungenauigkeiten auftreten, stellt sich die Frage: An welchen Prozess- oder Maschinenparametern ist eine Veränderung herbeizuführen?“ erläutert Dipl.-Ing. Mirco Vitr, ebenfalls Mitarbeiter des WZL. „Im schlimmsten Fall müssen einzelne Komponenten oder das gesamte Maschinenkonzept überarbeitet werden, was einem Werkzeugmaschinenhersteller teuer zu stehen kommen kann“, führt der Gruppenleiter für NC-Technik fort.

Auch Programmänderungen werden meist noch direkt an der Maschine vorgenommen. Die Folge: Programmversionen und Datenbestände in der Arbeitsvorbereitung seien häufig nicht auf dem aktuellen Stand, was sich bei Umstellungen in der Produktion bemerkbar mache. „Heute liegt das Detailwissen meist beim Bediener der Maschine. Ziel muss aber sein, dass das Wissen in einer intelligenten Software allen Abteilungen von der Entwicklung bis zur Produktion zur Verfügung steht“, erklärt Herfs. So sollten beispielsweise Temperaturveränderungen einzelner Maschinenkomponenten oder Verschleißerscheinungen an der Werkzeugmaschine sofort von der Software registriert und entsprechend verarbeitet werden, um Ungenauigkeiten bei der Fertigung zu vermeiden.

Im Cluster „Integrative Produktionstechnik für Hochlohnländer“ der RWTH Aachen werden generell neue Konzepte, Strategien und Technologien erarbeitet, um die Produktion in Hochlohnländern zukunftsfähig zu halten. Es wurden anlässlich der Exzellenzinitiative vier Forschungsschwerpunkte – so genannte Domains – festgelegt, bei denen das WZL mit renommierten Aachener Instituten sowie Industriepartnern kooperiert. So wird mit Exzellenzförderung außer im Bereich „Virtuelle Produktionssysteme“ in den Bereichen „Hybride Produktionssysteme“, „Selbstoptimierende Produktionssysteme“ und „Individualisierte Produktion“ geforscht.

von Ilse Trautwein

Weitere Informationen:
Dipl.-Ing. Werner Herfs, WZL der RWTH Aachen, Tel. 0241-80-27410, E-Mail Herfs@wzl.rwth-aachen.de; im Internet unter www.wzl.rwth-aachen.de oder www.production-research.de.

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