FH und Sinn Spezialuhren präsentieren ersten Fliegeruhren-Standard

Wie lange brauche ich noch bis zum Ziel? Wann muss ich in Kontakt mit dem Fluglotsen treten? Wie lange kann ich mit 200 Liter Kerosin im Tank noch fliegen? Noch heute sind Fliegeruhren für Piloten unersetzliche Zeitmesser, vor allem in manchen Prototypen, Kunst- und historischen Flugzeugen.

In einer gemeinsamen Projektgruppe unter Leitung von Prof. Dr. Frank Janser haben der Fachbereich Luft- und Raumfahrttechnik der FH Aachen und die Sinn Spezialuhren GmbH, von der die Initiative zu diesem Forschungsprojekt ausging, einen technischen Standard für Fliegeruhren (TeStaF) entwickelt, mit dem Uhren zertifiziert werden, die den enormen Belastungen während des Fliegens standhalten und die die funktionalen Anforderungen von Piloten erfüllen.

Im deutschen Hauptsitz des führenden Hubschrauber- und Flugzeugkomponenten-herstellers Eurocopter in Donauwörth wurde der technische Standard offiziell der Öffentlichkeit präsentiert. Unter den geladenen Gästen waren namhafte Uhrenhersteller wie Eterna, Glashütte Original, Junkers, Oris und Porsche Design sowie zahlreiche Vertreter der Luftfahrtindustrie und der Presse. Moderiert wurde die Veranstaltung von Dr. Roger Uhle, Leiter der Stabsstelle für Presse-, Öffentlichkeitsarbeit und Marketing der FH Aachen.

„Fliegeruhren sind mehr als ein schönes Accessoire“, sagte Friedrich Hormel, Direktor und Mitglied der Geschäftsleitung von Eurocopter, bei seiner Begrüßungsrede. „Sie haben einen essentiellen und funktionalen Nutzen in der Fliegerei.“ Einen Nutzen, der bei schlechter Sicht oder dem Ausfall der Bordinstrumente sogar Leben retten kann. Die funktionalen Anforderungen des TeStaF sind hoch: Sie müssen nicht nur eindeutig und sekundengenau, sondern auch bei Nacht ablesbar sein. Zudem müssen sie einem raschen Temperaturwechsel sowie Veränderungen des Umgebungsdrucks bis 0,044 bar standhalten können – das entspricht einer Flughöhe von etwa 21 300 Metern.

Auch gegen Stöße und Vibrationen müssen Fliegeruhren gewappnet sein und das Eindringen von Wasser oder beispielsweise Kerosin verhindern. Dazu dürfen sie die Avionik und die Sicherheit des Fluggerätes nicht beeinträchtigen. „Es gibt viele Fliegeruhren auf dem Markt“, erklärt Dr. Martin Hoch, der als selbstständiger Berater für die wissenschaftliche Koordination des Projektes verantwortlich zeichnet. „Doch nur wenn eine Fliegeruhr diese und noch weitere Kriterien erfüllt, wird sie mit dem TeStaF-Zertifikat ausgezeichnet und damit für den professionellen Einsatz als tauglich ausgewiesen. Insofern ist der TeStaF eine besondere Auszeichnung und Gewährleistung.“ Die Eignung wird mit einem Zertifikat für einen festgelegten Seriennummernkreis und dem Qualitätssiegel „TeStaF“ auf dem Ziffernblatt und dem Gehäuse der Uhr besiegelt. „Auch für Uhrentests ist der TeStaF wichtig“, ergänzt Diplom-Journalistin Martina Richter, die leitende Redakteurin des auf Tests und Technik spezialisierten Uhren-Magazins, „denn zum ersten Mal gibt es jetzt einen objektiven Kriterienkatalog, der eine Vergleichbarkeit von Fliegeruhren in Tests möglich macht.“

Vier Jahre lang haben die FH Aachen und Sinn Spezialuhren intensiv am TeStaF gearbeitet. Den Anstoß dazu gab der Inhaber und Geschäftsführer von Sinn Spezialuhren, Diplom-Ingenieur Lothar Schmidt: „Wir wollten eine Lücke schließen und die Expertisen in diesem Bereich bündeln, denn eine Norm für Fliegeruhren, wie es sie bereits für Taucheruhren gibt, existierte bislang nicht.“ In der FH Aachen wurde ein idealer Partner für das Projekt gefunden. „Als spezialisierte Hochschule besitzt sie zwei Forschungsflugzeuge sowie ein Fluglabor und verfügt über umfassende Kenntnisse und Erfahrungen im Bereich der Messtechnik und Avionik im Flugbetrieb“, erklärt Diplom-Ingenieur Arno Gabel, Prokurist von Sinn Spezialuhren. Im Rahmen des gemeinsamen Forschungsprojektes wurden am Fachbereich Luft- und Raumfahrttechnik umfangreiche Experimente und Messungen in Labors, Flugzeugen und Hubschraubern durchgeführt, bestehende uhren- und luftfahrtspezifische Vorschriften auf ihre Anwendbarkeit auf den TeStaF geprüft sowie Piloten verschiedener Fluggeräteklassen zu den funktionalen und praktischen Anforderungen befragt. „Da, wo es in der Luftfahrt bereits eine Norm gibt, wurde geprüft, ob und wie sie in den TeStaF aufgenommen werden kann“, erläutert Prof. Janser. „In den Bereichen, in denen es noch keine Norm gibt, haben wir dann eigene Anforderungen entwickelt.“ Praktisch erprobt wurden die theoretischen Erkenntnisse im Rahmen eines Prototypen-Tests in Hitze, Kälte und großer Höhe durch den Cheftestpiloten Volker Bau unter Leitung von Antoine Van Gent, dem Manager der Testflüge bei Eurocopter.

Bei den Anwesenden stieß die lebhafte Präsentation des TeStaF und die intensive Diskussion auf großes Interesse; auch die ersten Reaktionen aus der Uhrenindustrie und von Seiten der Fachpresse belegen, dass mit dem TeStaF ein lang erwarteter Schritt in die richtige Richtung getan wurde. Der TeStaF ist nun als wissenschaftliche Publikation der FH Aachen in Deutsch und Englisch erhältlich. Als kostenloser Download steht er, zusammen mit weiteren Informationen, auf der Webseite www.testaf.org zur Verfügung. Über das Aachen Institute of Applied Sciences e.V. (AcIAS) bietet die FH Aachen allen Uhrenherstellern die Prüfung und Zertifizierung von Fliegeruhren gemäß den Anforderungen des TeStaF an. „Auch wenn die Anforderungen hoch sind, können Uhren die Tests durchaus bestehen“, betont Prof. Janser. „Die TeStaF-Zertifizierung ist ein ambitioniertes, aber erreichbares Ziel.“ Die Nettozeit für alle Tests beträgt etwa 38 Stunden, die Gesamtdauer beläuft sich auf mehrere Wochen.

Wie lange das Zertifikat gilt und ob das Testverfahren, das bisher nur für mechanische Uhren erprobt ist, sich auch auf Quartz-Uhren übertragen lässt – diesen Fragen wird sich ein wissenschaftlicher Beirat widmen, der eigens für die Weiterentwicklung des TeStaF gegründet wurde. Er besteht aus dem Vorsitzenden Prof. Dr. Frank Janser, Dipl.-Ing. Volker Bau, Dr. Wolfgang Schonefeld, Leiter Technische Entwicklung bei Sinn Spezialuhren, Martina Richter, Jürgen Hensiek als außerordentliches Mitglied vom Technologie- und Wissenstransfer der FH Aachen sowie Dr. Martin Hoch. „Wir freuen uns, dass wir mit dem TeStaF unser Alleinstellungsmerkmal in der Flugmesstechnik und im Prüfverfahren für Luftfahrtgeräte weiter ausbauen können“, sagt Prof. Dr. Peter Dahmann, Dekan des Fachbereichs Luft- und Raumfahrttechnik. „Das ist eine wichtige Ergänzung des umfassenden Kompetenz-Portfolios einer der größten und angesehensten Ausbildungsstätten für Luft- und Raumfahrtingenieurinnen und -ingenieure in Deutschland.“

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Team Pressestelle idw

Weitere Informationen:

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