Retrofit ist das nachhaltige und kostensparende „Upgrade“ für alte Maschinen
Mittelstand 4.0-Kompetenzzentrum Chemnitz macht funktionstüchtige Maschinen fit für den Industrie 4.0-Betrieb und entwickelte Demonstratoren zur Erläuterung der Retrofit-Methode
Alte Maschinen und Anlagen müssen nicht zwangsläufig durch einen Neukauf ersetzt werden. Eine mögliche Option, teure Anschaffungskosten zu vermeiden und so nachhaltig zu agieren, bietet die sogenannte Retrofit-Methode. Retrofit setzt sich aus dem lateinischen Wort „retro“ (rückwärts) und dem englischen Wort „fit“ (anpassen) zusammen. Ein „Retrofit“ ist beispielsweise eine bereits bestehende Maschine, die bezüglich aktueller Anforderungen verbessert bzw. nachgerüstet wurde.
„Gerade im gegenwärtigen Zeitalter von Industrie 4.0 und beim Thema Künstliche Intelligenz ist es wichtig, Daten von Bestandsanlagen zu erfassen und zu übertragen. Hierbei kann insbesondere Retrofit unterstützen“, sagt Martin Folz vom Mittelstand 4.0-Kompetenzzentrum Chemnitz.
Der an der Professur Fabrikplanung und Fabrikbetrieb der Technischen Universität Chemnitz tätige Mitarbeiter sagt, dass im Gegensatz zu einer Neuanschaffung vieler Maschinen, der Retrofit einer Bestandsmaschine meist mit erheblichen Einsparungen bei der Investition verbunden sei.
„Die Mechanik einer Maschine altert im Vergleich zu der Kommunikations-, Steuerungs- oder Automatisierungstechnik nämlich deutlich langsamer“, so Folz. Die Nutzungsdauer der Maschine könne sich durch den Retrofit veralteter Komponenten enorm verlängern. „Denn durch die Ergänzung moderner Sensorik und Kommunikationsfähigkeit erhöht sich die Produktivität der Maschine und Ausfallzeiten werden reduziert. Zudem sinken die Produktionskosten, indem Energieeffizienz und Produktqualität steigen“, nennt der Wissenschaftler weitere Vorteile.
Digitale Frischkur für alte Bandsäge
Um die Retrofit-Methode in der Industrie bekannter zu machen, hat das Mittelstand 4.0-Kompetenzzentrum Chemnitz mehrere Demonstratoren in der Experimentier- und Digitalfabrik der TU Chemnitz entwickelt und zur Besichtigung ausgestellt. Dazu zählt eine Bandsäge, die mit Sensoren, einer speicherprogrammierbaren Steuerung und einem Einplatinenrechner nachgerüstet wurde. Folz erläutert das Vorgehen: „Ein neu hinzugefügter Schaltschrank enthält eine Siemens-Steuerung, die die Sensorsignale verarbeitet und an einen Einplatinenrechner weitergibt. Auf diesem Rechner vom Typ Raspberry Pi läuft eine Serveranwendung. Sie stellt unter anderem die Visualisierung für das Bedien-Tablet zur Verfügung. Verschiedene Geräte können somit über einen Webbrowser auf nutzerzentrierte Informationen zugreifen.“
Retrofit ermöglicht sichere Wartung einer Dampfmaschine
Neben der Bandsäge wurde auch eine Dampfmaschine modernisiert. Deren Retrofit basiert auf den Anwendungsfällen „Condition Monitoring“ und „Bedarfsgerechte Instandhaltung“. Da die Lager der Dampfmaschine alle zehn Betriebsminuten geölt werden müssen, war ein wesentliches Ziel, die sichere Wartung in kurzen Abständen zu gewährleisten. Dazu Hendrik Unger von der Professur Fabrikplanung und Fabrikbetrieb: „Im ersten Schritt wurde dazu eine Lichtschranke angebracht. Sie nimmt zum einen die Drehzahl des Schwungrades auf und erlaubt zum anderen bei laufendem Schwungrad Rückschlüsse auf die Betriebszeit. Nach acht Minuten im Betrieb schaltet die Steuerung die Heizung der Dampfmaschine automatisiert ab.
In den folgenden zwei Minuten kühlt der Kessel herunter und nach zehn Minuten erscheint im Display eine Meldung, die an die Wartung erinnert.“ Zusätzlich führe das Display Temperatur und Druck des Kessels auf – als Momentan-Werte sowie Werte im Zeitverlauf. Durch diese erfassten Parameter lässt sich auf die verschiedenen Betriebszustände, in denen sich die Anlage befinden kann, zurückschließen. Eine Signalleuchte visualisiert diese Betriebszustände. Sie werden zudem in Textform auf dem Display angezeigt und sind über das Netzwerk, in das die Dampfmaschine eingebunden ist, abrufbar.
Digitalisierte Rundstrickmaschine im Chemnitzer Industriemuseum
Um die Werbetrommel für Retrofit zu schlagen, gingen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Mittelstand 4.0-Kompetenzzentrums Chemnitz noch einen Schritt weiter. In Vorbereitung der Sonderausstellung „MaschinenBoom.“ der 4. Sächsischen Landesausstellung wurde in Zusammenarbeit mit dem Industriemuseum Chemnitz ein weiteres Retrofit-Projekt durchgeführt und eine Rundstrickmaschine aus dem Museumsbestand „digitalisiert“. Das Exponat kann bis zum 31. Dezember 2020 zu den Öffnungszeiten des Museums besichtigt werden. Details zu diesem Projekt sind im Begleitmagazin „Transmission“ aufgeführt oder unter folgendem Link zu finden: https://betrieb-machen.de/up_industriemuseum/
Hintergrund: Mittelstand-Digital
Das Mittelstand 4.0-Kompetenzzentrum Chemnitz gehört zu Mittelstand-Digital. Mit Mittelstand-Digital unterstützt das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie die Digitalisierung in kleinen und mittleren Unternehmen und dem Handwerk.
Wissenschaftliche Ansprechpartner:
Martin Folz, Telefon 0371 531-38790, E-Mail martin.folz@mb.tu-chemnitz.de, und Hendrik Unger, Telefon 0371 531-35983, E-Mail hendrik.unger@mb.tu-chemnitz.de
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