Scharf organisiert

Mit ihnen ist die Zwiebel geschnitten, bevor Tränen fließen können – richtig gute, geschmiedete Qualitätsmesser durchlaufen vierzig Fertigungsschritte. Und eine verblüffend hohe Zahl Messervarianten und Zubehör für die Deutsche Nationalmannschaft der Köche oder für Mutti am Herd produziert das Unternehmen Wüsthof Dreizack KG in Solingen.

Das ist zum einen den verschiedenen Anforderungen der unterschiedlichen Nutzer und Nutzungen, im gewissen Maße aber auch Modetrends geschuldet. Wer in diesem Umfeld mit einer rein deutschen Produktion auf dem Weltmarkt bestehen will, benötigt eine gute, schnell reagierende Planung in Vertrieb und Produktion.“Deshalb mussten wir unsere IT-Strategie vor einigen Jahren grundlegend neu ausrichten, bzw. erst einmal entwickeln“, begründet IT-Leiter Thorsten Vogt die Proalpha Einführung. „Von einer eher rudimentären Datenverarbeitung hat Wüsthof quasi einen Zwei-Generationen-Sprung direkt zu einem umfassenden und integrierten System mit einigen speziellen Anpassungen geschafft.“ Ausgangspunkt der Überlegungen war, einen besseren Überblick über das gesamte Unternehmen mit seinen Funktionen zu erreichen sowie Vertrieb und Produktion besser zu verzahnen.

Die Installation startete mit der Finanzbuchhaltung, die auch zunächst allein in den Echtbetrieb ging. Vertrieb und Versand erforderten aufgrund der teils sehr speziellen Strukturen einige Sonderlösungen, dieser Bereich ging ein Jahr später in Betrieb. Die Produktionsplanung nutzte Proalpha ab dem Start mit sukzessive steigendem Niveau. Thorsten Vogt: „Wir sind ein sehr traditionelles Unternehmen mit vielen erfahrenen Mitarbeitern. Hier konnte die Technik mehr, als in der Organisation ad-hoc umsetzbar war.“ Das Ziel ist jedoch ganz klar: Weg vom Hin- und Herschieben von Aufträgen, hin zur weitgehend automatischen Planung. Mit steigendem Automatisierungsgrad dürfen Verschiebungen von Aufträgen immer weniger zugelassen werden, die Sicherheitsbestände müssen einfach stimmen. Denn die Produktion arbeitet mit einer Mischung aus bestands- und bedarfsgesteuerten Anteilen und vielfältigen Abhängigkeiten von Aufträgen untereinander. So werden beispielsweise die Klingen entsprechend definierter Bestände gesteuert, weil die in der Regel in mehreren Endprodukten eingesetzt werden.

Extreme Automatisierung neben Handarbeitsplätzen
Typischerweise ist die Produktion anonym organisiert, es gibt keinen direkten Bezug zwischen Produktions- und Kundenauftrag. Da die Durchlaufzeit der Aufträge aufgrund der Vielzahl von Fertigungsschritten zumeist mehrere Wochen beträgt und häufig ein „Bauteil“ in mehrere Endprodukte eingeht – und dementsprechend mehrere Artikelnummern haben kann – werden konsolidierte Bedarfe aus mehreren Kundenaufträgen erzeugt. Die tatsächliche Produktionsmenge resultiert aus verschiedenen Dispositionsparametern wie Sicherheits- und Auftragsbeständen. Allerdings realisiert Wüsthof auch eine Art „Kleinkundenschutz“: Um auch Kunden mit sporadischen Bestellungen und geringen Mengen zuverlässig und mit kurzen Lieferzeiten zu bedienen, kann aus der anonymen Produktion ein direkter Kundenbezug hergestellt werden. Dem liegt eine manuelle Entscheidung zugrunde.Eine rein auf Lagerbeständen fußende Steuerung ist kaum zu realisieren, weil Einflüsse wie der Anlauf der Konjunktur nur schwer vorhersagbar sind. Um solche Effekte abzufedern, findet einmal wöchentlich eine Planungsrunde mit Geschäftsleitung, Produktion und Arbeitsvorbereitung statt. Intensive Marktbeobachtung und das Bewerten von Markttrends beeinflussen die Produktionsplanung maßgeblich. Hier werden Prioritäten festgelegt und das wird in Proalpha umgesetzt.Von den vielen handwerklichen Fertigungsschritten geht der Trend stark zur intensiven Automatisierung in komplexen, verketteten Fertigungsstraßen mit Robotern. Das ist nicht nur eine Kostenfrage – gute Messerschleifer beispielsweise sind immer schwerer zu rekrutieren. Trotzdem werden solche Arbeitsplätze, auch bei externen Dienstleistern, noch möglichst lange erhalten, zum einen als Backup, aber auch für kleinere Serien. Es wird situativ entschieden, ob Produkte in einer automatisierten Anlage oder in Handarbeit gefertigt werden.
Meister organisiert die Fremdvergabe
Unabhängig von der Art der Abarbeitung wird jeder Auftrag mit dem auf den Auftragspapieren gedruckten Barcodes an- und abgemeldet. Die BDE-Lösung samt Terminals kommt von Tisoware und ist in Proalpha integriert. Die aktuelle Auslastungssituation der verschiedenen Fertigungsanlagen wird hier anhand selbst generierter Masken übersichtlich dargestellt. Zudem kann auch über mehrere Maschinen oder Kapazitätsgruppen hinweg kumulativ festgestellt werden, wie viele Stück einer bestimmten Serie inzwischen fertig sind.Eine wichtige Stellung nimmt die alternative Vergabe von Aufträgen an Externe ein, um Kapazitätsengpässe zu vermeiden. Hier unterstützen die in Version 5.2 deutlich erweiterten Funktionen der Fremdarbeit die Abläufe sehr weitreichend: „Die flexible Fremdvergabe direkt aus dem Produktionsauftrag heraus ist gängige Praxis. Auch das noch sehr späte Splitten bei unvorhergesehenen Problemen ist möglich“, erklärt Systemadministrator Pascal Schmitz. Der Meister vor Ort kann also kurzfristig die Fremdvergabe veranlassen. Er bildet die vorgesehene Menge und entscheidet, wer aus einem Pool von Zulieferern im Umfeld des Werks den Auftrag bekommt. Der Meister legt eine entsprechende Aktivität im System an und generiert damit automatisch die Bestellung und den Ausdruck des Warenbegleitscheins im Einkauf. Diese Funktionen wurden auch auf Betreiben von Wüsthof im entsprechenden Arbeitskreis der Proalpha Anwender in den Softwarestandard integriert.
Wachstum realisieren – Kosten im Griff behalten
Von der kurzfristig negativen Entwicklung im Jahr 2008 und Anfang 2009 abgesehen, ist die Wüsthof-Produktion in den letzten Jahren jeweils deutlich gewachsen, sowohl im In- als auch im Ausland, was den größeren Teil des Geschäftes ausmacht.. Dabei hat die Variantenvielfalt zugenommen, während die Bestellmengen tendenziell kleiner werden. Diese Entwicklung wurde ohne Ausweitung der Personalressourcen bewältigt. Das ist zum einen der weiter fortschreitenden Automatisierung zu verdanken, aber auch der besseren Vertriebs- und Kapazitätsplanung in Proalpha. „Bei der Einführung haben wir uns vor allem an den entscheidenden Stellen bewusst weitestgehend an den Standard gehalten, obwohl wir doch eine ganze Reihe spezieller Funktionen benötigen“, so Thorsten Vogt. „Das gelang vielleicht auch deshalb, weil wir besonders im Produktionsbereich nahezu alles komplett neu aufgesetzt hatten und mit Projektleitern zusammengearbeitet haben, die umfangreiches Projektwissen einbringen konnten“, ergänzt Pascal Schmitz. Zudem wurde über den Anwenderkreis sehr direkt Einfluss auf die Standardentwicklung genommen. Und heute werden erforderliche Anpassungen an den Frameworks zumeist in Eigenregie schnell und unspektakulär erledigt, ohne den Standard zu verlassen. Der Integrationsgrad der Lösung bis hin zur aufwendigen Packmittelverwaltung im unternehmensweit nur einem System wird auch künftig dabei helfen, die Produktion flexibel am echten Bedarf auszurichten. Meinolf Dröge / ee

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