Serienbauteile im Fertigungstakt mit Videotechnik automatisiert vermessen
Die Verbindung aus Messtechnik und Automation beim Prüfen von Kolbenringen — dieses Ziel verfolgten Produktionsstandorte eines weltweit führenden Automobilzulieferers jahrelang. Mittlerweile ist die Maschine zusammen mit den Experten von Schneider Messtechnik realisiert worden. Im Praxiseinsatz weiß das System seit September letzten Jahres vollauf zu überzeugen.
Vermessung wegen minimaler Toleranzanforderungen schwierig
Als Entwicklungspartner von zukunftsweisenden Konzepten, Produkten und Systemen für die Weiterentwicklung des Verbrennungsmotors gehört das süddeutsche Unternehmen mit seinen global 110 Produktionsstandorten zu den 30 weltweit größten Automobilzulieferern. Im Bereich Verbrennungsmotor und Motorperipherie bietet das über 80-jährige Unternehmen eine einzigartige Systemkompetenz mit Blick auf Kolbensysteme, Zylinderkomponenten, Ventiltriebsysteme, Luftmanagement-Systeme und Flüssigkeitsmanagement-Systeme.
Im niedersächsischen Werk des Automobilzulieferers wird der U-Flex-Ring produziert (siehe Kasten), im Monat rund 250000 Stück. Den dortigen Spezialisten fiel in diesem Zuge die Aufgabe zu, dieses Produkt zu industrialisieren, das heißt, ein richtiges Serienteil daraus zu machen: Außer der technischen Qualität des Produktes müssen auch die Fertigungskosten stimmen. Aufgrund seiner Beschaffenheit und sehr kleiner Toleranzen im Hundertstel-Millimeter-Bereich stellt jedoch die gleichermaßen zuverlässige wie schnelle Vermessung des U-Flex-Rings ein großes Problem dar.
Selbst bei Ringen für die sensible Formel 1 erfolgte die Prüfung bisher lediglich unter dem Mikroskop in 25-facher Vergrößerung. Die Niedersachsen setzten bislang auf die 100%-ige Sichtkontrolle durch vier Mitarbeiterinnen, die die Ringe zudem im Zweischicht-Betrieb befettet sowie anschließend sortiert und verpackt haben. Das Profil des U-Flex-Rings wurde visuell geprüft, während die Wanddicke von einem externen Dienstleister vermessen wurde. Dadurch fielen im Mittel monatlichen Kosten im fünfstelligen Euro-Bereich an. Um den Ring wirtschaftlich und in höchster Qualität zu produzieren, war also eine Maschine gefragt, die eine optimale Verbindung aus Messtechnik und Automation darstellt.
Für Kunden Sonderkonstruktion entwickelt
Genau an diesem Punkt steckte jedoch das eigentliche Problem, denn es gab keinen Messautomaten zum Prüfen von derartigen Kolbenringen auf dem Markt. Dass Wettbewerber bereits an dieser Aufgabe scheiterten, machte dieses Projekt für Schneider umso reizvoller. Das Unternehmen bildete ein internes Projektteam, das von der Angebotsabgabe über die Ausarbeitung bis hin zur Ablaufplanung eng mit den Experten des Automobilzulieferers zusammenarbeitete. Das Ergebnis dieses Referenzprojektes war schließlich eine auf dem Video-CAD-System basierende Sonderkonstruktion.
Das Messsystem besteht aus zwei Modulen, von denen das erste unter anderem die Wanddicke misst, während das zweite die Laufflächenbreite bestimmt. Die besondere messtechnische Herausforderung lag im Modul 2 – und deren Lösung sicherlich auch für andere potenzielle Kunden eine interessante Variante darstellt.
Video-CAD garantiert verzerrungsfreie, kalibrierte Erfassungsbereiche
Video-CAD ist ein Video-Messgerät zum genauen und schnellen Messen zweidimensionaler Geometrien in einem entsprechend großen Bildfeld. Die hochauflösende Optik des Systems garantiert verzerrungsfreie, kalibrierte Erfassungsbereiche, die sich genauso wie die geometrische Auflösung aus der Kombination von Kamera und Objektiv bestimmen. Zu den Besonderheiten von Video-CAD gehört die hohe Messgeschwindigkeit, die die Messaufnahme und die Auswertung in Sekundenschnelle erlaubt, ebenso wie die monochrome, höchstauflösende Kamera, die Auflösungen im µm-Bereich ermöglicht.
Einsatzbereiche des Systems stellen insbesondere die Messung von Profilen aus Kunststoff, Aluminium, Holz, Gummi, Gummi-Metall und Metall oder Stanzteilen jeder Art, Schablonen, Dichtungen, Layouts und vielen anderen Teilen – auch in der Serienproduktion – dar. In Verbindung mit der in Modul 1 eingesetzten Mess- und Auswertesoftware Saphir bietet Video-CAD ein vielseitiges Anwendungsspektrum. Beim Modul 2 wurde softwareseitig auf eine Standard-Steuerung von Siemens zurückgegriffen. Eine Lösung, die sich beispielsweise auch schon bei Kurbelwellen Ladesystemen bewährt hatte, weswegen die Verknüpfung zu Saphir kein Problem darstellte.
Messung der Laufflächenbreite im Profil sowie der Formabweichung während des Teiletransports
Die beiden Module werden im niedersächsischen Werk in der Endkontrolle eingesetzt und sind dabei in den Arbeitstakt der Fertigung integriert. Der Ablauf ist wie folgt: Die in einer Säule übereinanderliegenden Ringe werden durch einen Schieber in Modul 1 eingeführt. Dort findet das Vermessen der Wanddicke, des Außendurchmessers sowie aller Segmente an jedem U-Flex-Ring mit einer Messunsicherheit von ±2,5 µm statt. Pro Ring sind das also rund 100 Messungen, die alle innerhalb einer bestimmten Spezifikation liegen müssen.
Im Anschluss daran wird das Teil vom Modul 2 aufgenommen. Dort erfolgt — während des Transports von der Beladestation zur Entladestation an einem rotierendem Werkzeug — mit mehreren Kameras und einer Messunsicherheit von ±2,0 µm die Messung der Laufflächenbreite im Profil sowie der Formabweichung der einzelnen Segmente.
Dieser Messablauf war im Übrigen entscheidend für die Verwirklichung der geforderten Taktzeit von 4 s. Abschließend werden die Teile, ausgerichtet auf einer Transportpappe – jeweils 85 Ringe übereinander – abgelegt, wie sie letztlich auch zum Kunden geliefert wird. Ein Mitarbeiter bestückt Modul 1 und entnimmt die bestückten Transportpappen aus Modul 2. Alles andere läuft automatisch. Die beiden Schneider-Module haben zwar unterschiedliche Aufgaben, arbeiten aber zusammen. Während Modul 1 auf einer Standardlösung basiert, kommt bei Modul 2 eine Sonderkonstruktion mit speziellen Kameras zum Einsatz.
Erwartungen der Messtechniker wurden erfüllt
Die Vorteile der seit September 2009 problemlos arbeitenden Maschine von Schneider Messtechnik sind offensichtlich: Das System gibt dem Anwender die Möglichkeit, Kosten zu reduzieren sowie den Kunden eine 100%-Kontrolle inklusive Dokumentation anzubieten. Zumal auch der Service von Schneider die Niedersachsen überzeugt hat und die Maschine wie geplant läuft: Sie prüft alle 4 s einen Ring und sortiert Ausschussteile zuverlässig aus, womit die Erwartungen der Messtechniker absolut erfüllt werden. Das Besondere an diesem System ist letztlich die Verbindung aus Messtechnik und Automation — diese stellt sicherlich auch die Zukunft dar.
Die Maschine hat sich in der Praxis bewährt und bietet dem Anwender verschiedene Möglichkeiten: So kann die Endkontrolle nicht nur genauer, sondern auch rationeller durchgeführt werden. Die Leistungen des externen Dienstleisters bei der Wandmessung sind nicht mehr erforderlich. Zudem müssen nicht mehr vier Mitarbeiterinnen für die Sichtkontrolle der U-Flex-Ringe eingesetzt werden.
Dr.-Ing. Wolfram Kleuver ist Geschäftsführer Technik + Entwicklung der Dr. Heinrich Schneider Messtechnik GmbH, Uwe J. Keller Marketingleiter des Unternehmens. Theo Drechsel ist Inhaber der Agentur 4marcom+PR.
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