Skalierbarer Elektroantrieb für Busse, Trucks und Co.

In Elektro-Nutzfahrzeugen der Zukunft ist der Antrieb in die Achse integriert. Die Module aus Antrieb und Achse sind auf verschiedene Fahrzeugtypen skalierbar. © Fraunhofer IWU / Hochschule für Wirtschaft und Technik, Aalen

Elektromotoren gehört die Zukunft – auch bei Nutzfahrzeugen. Bislang jedoch bleiben viele Entwicklungen im Prototypen-Status hängen oder sind enorm teuer: Meist muss für ein Elektrofahrzeug das Doppelte bis Dreifache auf den Tisch gelegt werden.

Der Grund: Es hapert an den entsprechenden Technologien zur Serienfertigung. Hier setzt das Projekt ESKAM an, kurz für »Elektrisches, skalierbares Achsmodul«. Es wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung BMBF gefördert. Insgesamt elf Partner, darunter das Fraunhofer-Institut für Werkzeugmaschinen und Umformtechnik IWU in Chemnitz, entwickeln darin ein Achsmodul für Nutzfahrzeuge. Es besteht aus Motor, Getriebe und Leistungselektronik.

Alles ist kompakt in einem gemeinsamen Gehäuse untergebracht. Über eine Rahmenkonstruktion, die die Wissenschaftler ebenfalls entwickelt haben, lässt sich dieses Gehäuse in das jeweilige Fahrzeug einbauen.

Die Vorteile des Achsmoduls sind zahlreich: Es verfügt über eine hohe Leistungsdichte und ein sehr hohes Drehmoment. Für den Fahrer heißt das: Er kann sehr schnell beschleunigen. Während die Drehzahl bei den meisten Elektromotoren bei etwa 10.000 bis 15.000 Umdrehungen pro Minute liegt, schafft der ESKAM-Motor 20.000.

»Als wir vor drei Jahren mit dem Projekt begannen, waren wir die einzigen, die eine so hohe Drehzahl erreichen konnten«, erinnert sich Dr. Hans Bräunlich, Projektleiter am IWU. »Mittlerweile wagen sich auch andere an ähnlich hohe Drehzahlen. Da wir aber schon frühzeitig Erfahrungswerte sammeln konnten, haben wir hier einen entwicklungstechnischen Vorsprung, den wir weiter ausbauen wollen.«

Günstige Fertigung durch Serientechnologien

Der Hauptvorteil liegt jedoch in einem anderen Punkt: Die Forscher und Entwickler konstruierten nicht nur das Achsmodul, sondern entwickelten die nötigen Serientechnologien gleich mit. Federführend dabei war das IWU, das auch die technische Leitung des Gesamtprojekts innehat.

»Aufgrund des innovativen Konzeptes lassen sich die Module flexibel herstellen – kleine Stückzahlen ebenso wie eine Großserie«, sagt Bräunlich. Die Serienfertigung bringt wirtschaftliche Vorteile mit sich – die Produktionskosten sinken laut Bräunlich um bis zu 20 Prozent.

Ein Beispiel: Das Getriebe, das einen Teil des Achsmoduls bildet, besteht aus Wellen und Zahnrädern. Üblicherweise werden die Wellen aus teuren Rohren oder durch Tieflochbohren hergestellt. Das überschüssige Material geht dabei verloren. Die Forscher am IWU setzen dagegen auf neue, kurze Prozessketten und materialeffizientere Verfahren. So etwa auf das Bohrungsdrücken, eine IWU-Entwicklung. Zwar bearbeitet man dabei auch einen Materialblock, allerdings ist der Rohling kürzer als die spätere Welle.

»Man muss sich den Prozess vorstellen wie das Töpfern: Der Werkstoff wird während der Umformung verdrängt – und nach außen und in Längsrichtung herausgedrückt. So können wir fast das gesamte Material nutzen. Das reduziert die Materialkosten um etwa 30 Prozent und macht die Bauteile insgesamt leichter«, erläutert Bräunlich.

Für dieses Verfahren gab es bislang nur Ansätze, die Wissenschaftler haben es nun zur Serienreife gebracht. Auch die Zahnräder fräsen die Wissenschaftler nicht mehr aus dem Material heraus, sondern fertigen sie in einem ebenfalls am IWU entwickelten Umformverfahren, dem Verzahnungswalzen. Bei dieser Methode fallen keine Metallspäne mehr an, der Materialverlust ist gleich null.

Flexibel einsetzbar – vom Kleinwagen bis zum Bus

Die Flexibilität des Achsmoduls beschränkt sich nicht nur auf die Seriengröße, sondern schließt auch die Geometrie mit ein. »Das Modul ist skalierbar, wir können es sowohl bei einem kleinen Transporter oder Kommunalfahrzeug einsetzen als auch bei einem Bus oder Truck«, sagt Bräunlich. Bei einem Radnabenmotor wäre das nicht möglich.

Zwar bietet dieser durchaus Vorteile – etwa einen größeren Lenkungswinkel und direkteres Ansprechverhalten – allerdings eignet er sich nicht für Nutzfahrzeuge: Denn er leistet kaum mehr als 2.000 Umdrehungen pro Minute. Zudem wären die Kosten höher, da für jedes Rad eine eigene Leistungselektronik erforderlich ist. »Beide entwickelten Varianten haben durchaus ihre Daseinsberechtigung und müssen zielgerichtet für den geplanten Fahrzeugtyp ausgewählt werden«, so Bräunlich.

Die Einzelmodule, die die verschiedenen Partner entwickelt haben, sind fertig, und auch die Herstellungsverfahren sind einsatzbereit. In einem nächsten Schritt setzt das Konsortium die Einzelteile nun zu einem Demonstrator zusammen. Ende 2015 wollen sie das Achsmodul dann in ein reales Auto einbauen und testen.

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Hendrik Schneider Fraunhofer Forschung Kompakt

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