Sparfuchs statt Hans-Dampf
In einem Kompressorraum brummt und rattert es den ganzen Tag an allen Ecken und Enden: Alle Kompressoren laufen ständig mit Volldampf. Was auf den ersten Blick nach einer optimalen Nutzung der Maschinen aussieht, entpuppt sich bei genauerem Hinsehen als pure Energieverschwendung. In der weitaus meisten Zeit wäre ein Volllastbetrieb der Druckluftanlage gar nicht nötig.
Kompressoranlagen oft überdimensioniert
„Oft liegen die Entscheidungen über die Größe der Kompressoren in den Betrieben viele Jahre zurück; heutigen Anforderungen genügt die Dimensionierung vielfach nicht mehr“, erläutert Reimund Scherff, Business Line Manager Oil-free Air bei Atlas Copco Kompressoren und Drucklufttechnik, eine häufige Ursache von verschwendeter Energie.
Die Auslegung der Druckluftstation spielt vor diesem Hintergrund nicht nur bei der Planung, sondern auch während des Betriebes eine immer wichtigere Bedeutung. Auslegungsfehler oder veränderte Betriebsbedingungen führen zwangsweise zu Energieverschwendung.
Wird etwa ein zu großer Kompressor eingesetzt, dann führt das zu langen Leerlaufzeiten, in denen die Energie verpufft. Selbst ein drehzahlgeregelter Kompressor, der falsch eingesetzt wird, verschwendet durch die entstehenden Regellöcher Energie. „Energieeffizienz nimmt einen immer wichtigeren Stellenwert ein“, bestätigt Jürgen Hütter, Leiter Produktmarketing bei Boge Kompressoren, die Dringlichkeit des Themas.
Steigende Energiepreise zwingen zu mehr Energieeffizienz
Wie heikel die Energieeffizienz von Druckluftsystemen ist, lässt sich leicht in Zahlen verdeutlichen: Um 1 kWh Arbeit zu erzeugen, werden 20 kWh elektrische Leistung benötigt. Der geringe elektrische Wirkungsgrad in Verbindung mit steigenden Energiepreisen hat klare Auswirkungen auf den Druckluft-Markt: „Die Nachfrage nach energetisch optimierten Drucklufttechnik-Komponenten wächst zusehends“, sagt Michael Bahr, Pressereferent bei Kaeser Kompressoren.
Um einen ersten Anhaltspunkt für die energieeffiziente Auslegung der Druckluftversorgung zu gewinnen, bietet sich der Einsatz so genannter Data-Logger-Systeme an. Sie ermöglichen es, eine Druckluftstation im Betrieb zu messen und so wichtige Betriebsinformationen zu erlangen. Mit einer solchen Momentaufnahme ist jedoch lediglich ein erster Schritt getan. „Betrachtet man nur einzelne Komponenten wird man selten nennenswertes Optimierungspotenzial finden, bei Betrachtung des Gesamtsystems kommt man zu beachtlichen Ergebnissen“, erklärt Boge-Spezialist Jürgen Hütter.
Ein wichtiger Ansatz zur Energieoptimierung von Druckluftsystemen bleiben weiterhin die Themen Steuerung und Drehzahlregelung, die sich kaum voneinander trennen lassen. „Bei schwankendem Druckluftbedarf muss aus Energieeffizienzgründen mindestens ein drehzahlgeregelter Kompressor je Station eingesetzt werden“, erläutert Reimund Scherff. Im Vergleich zu konstant laufenden Kompressoren seien durch die Drehzahlregelung Energieeinsparungen bis zu 35% möglich.
Leckagen beeinträchtigen Energieeffizienz deutlich
Das zweite große Thema bei der Betrachtung der Energieeffizienz in der Druckluftversorgung ist die Leckage. „Undichte Stellen wirken wie Düsen, aus denen die Luft mit enormer Geschwindigkeit austritt. Weil ausströmende Luft unsichtbar und geruchsneutral ist und keine direkte Gefahr darstellt, wird sie bisher meistens nicht mit ähnlicher Aufmerksamkeit behandelt wie ein Leck in einer Wasserleitung“, sagt Volker Thomassen, Produktmarketing-Manager bei Almig Kompressoren.
„Leckageverluste beeinträchtigen die Energieeffizienz von Druckluftsystemen mitunter ganz erheblich. So summieren sich die Druckluft- und somit die Energieverluste durch Leckagen in manchen Betrieben auf 20 bis 30%“, führt Michael Bahr von Kaeser aus.
Kompressoren werden energieeffizienter konstruiert
Ein Bereich, der in den kommenden Jahren weiter an Bedeutung gewinnen dürfte, ist die konstruktionstechnische Optimierung der Kompressoren, beispielsweise die Geometrien der Verdichterelemente. Angesichts der enormen Potenziale bei Steuerung und Leckage steht das Thema derzeit zwar noch im Hintergrund, positive Beispiele gibt es aber jetzt schon. Atlas Copco etwa hat bei den neuen öleingespritzten Schraubenkompressoren der GA-Baureihe durch mehrere konstruktive Verbesserungen den Energiebedarf um 11% verringert.
Allein die neuartige Konstruktion des Verdichtungselementes ist für die Hälfte der Einsparungen verantwortlich. Sichergestellt wird das durch ein innovatives Schraubenprofil. Darüber hinaus wurden der Wasserabscheider ins Kühlsystem integriert, drehzahlgeregelte Lüftermotoren eingesetzt und die Standzeit des Ansaugfilters verdoppelt.
Ein weiterer Ansatzpunkt zur Optimierung von Druckluftsystemen ist die Verdichtungswärme der Kompressoren: Die Zusatzinvestition für eine Wärmerückgewinnung rechnet sich meistens sehr schnell, wie die Experten einhellig bestätigen.
Intelligente Lösungen bei den Drucklufttrocknern und die richtige Dimensionierung der Verteil- und Anschlussleitungen sind weitere Punkte, die Atlas-Copco-Spezialist Reimund Scherff ins Spiel bringt. Sinnvoll ist eine Optimierung jedoch nur, wenn das Gesamtsystem betrachtet wird – wobei der zwangsläufig höhere Preis für effizientere Druckluftstationen wieder relativiert wird. „Wenn der Kunde das Gesamtsystem betrachtet, ist er gewillt, einen ‚höheren Preis’ für ein energetisch günstigeres Produkt auszugeben“, bestätigt Volker Thomassen von Almig.
Trend zu mehr Energieeffizienz hält an
Dass die Verbesserung der Drucklufttechnik-Komponenten in Richtung Energieeffizienz weitergehen wird, steht für Michael Bahr von Kaeser außer Frage: „Das verbindliche Ziel für jede unserer Neuentwicklungen ist, noch energieeffizienter zu sein als das jeweilige Vorgängerprodukt.“
„Durch die weiter steigenden Energiekosten werden die Forderungen nach energieeffizienteren Kompressoren steigen und auch Kompressoren mit niedrigeren Antriebsleistungen einschließen“, nennt Jürgen Hütter von Boge als einen zukünftigen Trend.
Potenzial sieht man bei Almig in der Optimierung der drehzahlgeregelten Antriebe. Der Einsatz von sogenannten Epam-(Electroactive-Polymer-Artificial-Muscle-) Motoren bietet nach Einschätzung von Thomassen Möglichkeiten, den Wirkungsgrad weiter zu erhöhen. Bei den Kompressoren, die durch Epam-Motore angetrieben werden, wird das Magnetfeld durch Permanentmagnete im Rotor erzeugt. „Der Nutzen dieser Motorentechnologie liegt darin, dass neben der hohen Energieeffienzeinstufung auch ein unschlagbarer Vorteil im Bezug auf Größe und Gewicht gegeben ist,“ so Thomassen.
Steuerungen bieten noch Potenzial für mehr Energieeffizienz
Kaeser setzt für die Zukunft unter anderem bei der Optimierung der anlageninternen Steuerungen an. Ziel dabei ist einerseits eine noch einfachere Bedienung, andererseits eine weitere Verringerung von Maschinen-Leerlaufzeiten und noch bessere Kommunikation mit übergeordneten Leitsystemen. „Zukünftig werden zusätzliche Anforderungen in Richtung Monitoring und Fernwartung gestellt werden“, bestätigt Jürgen Hütter von Boge die Relevanz von Fernzugriffen auf Druckluftanlagen auch für die Entwicklungstätigkeit in seinem Unternehmen.
Irgendwann in der nahen Zukunft: In einem Kompressorraum schnurrt es leise. Ein Teil der Kompressoren ist abgeschaltet, der restliche Teil versieht unauffällig seinen Dienst. Vor der Druckluftstation ist ein Flachbildschirm aufgebaut, der eine Prinzipskizze der Anlage mit ihren aktuellen Werten abbildet. Aus der Ferne ein Rechner greift auf die Station zu. Der Flachbildschirm zeigt „Energieeffizienz: optimal“.
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