Spröde Werkstoffe beugen sich dem Laserstrahl
Der Bediener an der Tru-Bend 7018 nimmt ein bereits zugeschnittenes Blechteil aus Magnesium in die Hand und beginnt mit einem herkömmlichen Werkzeug die Kantungen zu biegen. So richtig funktionierts aber nicht. Denn die Schenkel brechen genau an der Kantlinie ab. Was ist passiert? Mit der Kaltumformung ist dem Magnesium wie auch anderen spröden Materialien nicht beizukommen – es ist immer ein Ergebnis, das auf Biegen und Brechen hinausläuft.
An einer zweiten Abkantpresse unternimmt der Bediener einen weiteren Versuch, das Magnesiumblech zu biegen. Diesmal ist das Ergebnis einwandfrei, das Werkstück ist stabil und die Kanten zeigen ein hervorragendes Ergebnis. Grund dafür ist das auf dieser zweiten Abkantpresse nachgerüstete Verfahren zum laserunterstützten Gesenkbiegen, das bei Trumpf momentan noch in der Erprobungsphase ist, aber schon im Herbst 2009 erste Anwendungen möglich macht.
Laserunterstütztes Gesenkbiegen – ein Meilenstein in der Biegetechnik
„Mit dieser Innovation beschritten wir ganz neue Wege“, sagt Dipl.-Ing. Friedrich Kilian, Geschäftsführer der Trumpf GmbH + Co. KG sowie Geschäftsführer Forschung und Entwicklung Trumpf Werkzeugmaschinen GmbH + Co. KG. Der neue Weg wurde gemeinsam mit dem Institut für Fertigungs- und Hochleistungslasertechnik an der TU Wien gegangen. Partner war und ist Prof. Dieter Schuöker, Leiter des Instituts. Ziel war es, ein Verfahren zu entwickeln, das es ermöglichen sollte, bisher als unbiegbar geltende Materialien genauso einfach zu biegen wie Stahlwerkstoffe. Dafür sollte auch eine standardmäßige Tru-Bend-Abkantpresse als Basis dienen.
Das laserunterstützte Gesenkbiegen ist nach Meinung der Experten ein entscheidender Meilenstein in der Biegetechnik. „Diese neue Umformtechnologie hat durchaus das Potenzial, das Spektrum heutiger Anwender stark zu erweitern“, erklärt Dipl.-Ing. Armin Rau, Geschäftsführer der Trumpf Maschinen Austria. Darüber hinaus könnte das laserunterstützte Gesenkbiegen auch die Konstruktion künftiger Gesenkbiegemaschinen maßgeblich beeinflussen.
Die Dehnung an der Außenseite eines Bauteils aus hochfestem Stahl, Aluminium, Titan oder Magnesium wird durch die Erwärmung des Bauteils auf zirka 150 bis 300 °C unterstützt. Bei zahlreichen Materialien hat sich gezeigt, dass dabei die Bruchdehnung um ein Vielfaches steigt. „Bei Versuchen in der Vergangenheit wurden Werkstücke im Ofen oder durch direkte Flammeneinwirkung erwärmt, was allerdings zeitintensiv war und leicht die Oberflächen beschädigte“, weiß Prof. Schuöcker zu berichten. „Zudem ist ein selektives Erwärmen der Biegelinie völlig ausreichend. Im Vergleich zu Plasma- oder Induktionsanwendungen kann der Laserstrahl dies auf einer sehr schmalen Spur leisten.“
Verfahrensablauf bei der Abkantpresse Tru-Bend 7018
Der Verfahrensablauf stellt sich auf einer standardmäßigen Abkantpresse Tru-Bend 7018 folgendermaßen dar: Nach dem Einlegen des Werkstückes beziehungsweise des zu kantenden Bleches wird eine kleine Kaltkantung vorgenommen, die das Werkstück versteift. Anschließend beginnt der im Unterwerkzeug verbaute Laser mit der lokalen und nur kurzzeitigen Erwärmung des Materials. Ein im Oberwerkzeug integriertes Thermoelement erfaßt die Wärmedaten und stellt fest, ob das vorgegebene Temperaturniveau erreicht ist. Die Temperatur lässt sich dabei für unterschiedliche Materialien und Materialdicken entsprechend einstellen. Dann wird der Biegevorgang und die Erwärmung fortgesetzt.
Zum Einsatz kommen beim laserunterstützten Gesenkbiegen 200-W-Diodenlaserbarren auf Mikrokanalkühlern. In einem je 100 mm hohen und 100 mm langen Untergesenk mit 16 mm Gesenkweite ist ein Diodenlaser mit acht dieser Laserdiodenbarren installiert. Über einfache Steckverbindungen können beliebig viele solcher Diodenlaser-Gesenke aneinandergereiht werden. Der gesamte Aufbau ist modular, so dass die Diodenlaser in jedem Falle leicht ausgetauscht werden können.
Laserunterstütztes Gesenkbiegen eröffnet neue Anwendungsperspektiven
In die gemeinsamen Untersuchungen der TU Wien und Trumpf wurden auch verschiedene Anwender mit ihren individuellen Anforderungen mit einbezogen. Zum einen ist dies die Amag Rolling, eine Tochtergesellschaft der Austria Metall AG, die hochfeste Aluminiumlegierungen für die Herstellung von Automobil-Karosserieteilen, Flugzeug-Strukturteilen und Spezialartikeln für die Sportindustrie liefert. Zum anderen ist die Salzgitter Magnesium-Technologie GmbH, eine Tochter der Salzgitter AG, mit Magnesium-Walzplatten, Magnesium-Bauteilen und Magnesium-Konstruktionen mit im Boot.
Für beide Werkstoffspezialisten bietet das neue, laserunterstützte Gesenkbiegen ein erhebliches Potenzial, durch das sich neue Anwendungsperspektiven eröffnen. „Es besteht ein erhebliches Potenzial und grundsätzlicher Bedarf für das Warmbiegen von Magnesium-Blechteilen, von der Fertigung ultraleichter Feinblechgehäuse bis hin zu Stanzbiegeteilen der Verkehrstechnik“, konstatiert Dr. Peter Juchmann, Geschäftsführer der Salzgitter Magnesium-Technologie GmbH.
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