WIG-Engspalt-Verfahren im Kesselbau durch nichts zu ersetzen
In der industriellen Fügetechnik – insbesondere im Kesselbau für Kraftwerke – gewinnt das Wolfram-Inertgas-Schweißen (WIG) von dickwandigen rotationssymmetrischen Werkstücken zunehmend an Bedeutung: mit dem Orbitalverfahren am feststehenden Werkstück oder – umgekehrt – mit feststehendem Brenner am sich drehenden Werkstück. Als besonders geeignet erweisen sich die beiden Varianten, wenn es um die Automatisierung komplexer, qualitativ anspruchsvoller Schweißaufgaben geht.
Um den vielschichtigen Anforderungen jeder individuellen Schweißaufgabe gerecht zu werden, bedarf es erheblichen Know-hows; denn es kommt darauf an, die Schweißtechnologie den jeweiligen Gegebenheiten anzupassen, gerätetechnisch optimale Voraussetzungen zu schaffen und technologisch wie wirtschaftlich überzeugende Lösungen zu präsentieren.
Ab 25 mm Wanddicke ergeben sich wirtschaftliche Vorteile
Der Pionier des Orbital-Schweißens, Polysoude aus Nantes in Frankreich, hat bereits vor über zehn Jahren mit der Forschung und Entwicklung in der Verfahrens- und Gerätetechnologie zur Lösung der bis dahin eingeschränkten Anwendungen begonnen. Das hat sich ausgezahlt. Heute ist Polysoude weltweit Marktführer dieser Technologie, insbesondere auch bei der Verfahrensvariante WIG-Heißdraht-Engspalt-Schweißen.
Sobald eine Reihe spezifischer Rahmenbedingungen zusammentrifft, führt kaum mehr ein Weg an den technischen und wirtschaftlichen Vorzügen des WIG-Engspalt-Schweißens vorbei.
-Bereits ab 25 mm Wandstärke lohnt sich der höhere Aufwand für die präzise spanende Vorbereitung der Schweißnaht durch Drehen oder Fräsen. Bei Wandstärken über 60 mm verkürzt das Engspalt-Schweißen die Schweißzeit gegenüber dem konventionellen WIG-Prozess mit klassischer V-Naht um den Faktor 5 bis 10 – es müssen in Summe weniger Lagen geschweißt und dazu weitaus weniger Metallzusätze eingebracht werden; das Zuführen von bereits „vorgeheiztem Schweißzusatz“ (Heißdraht) reduziert die Schweißzeit zusätzlich.
-Sowohl die mechanische Vorbereitung der Schweißnaht als auch das Positionieren der Werkstücke erfordert Präzision. Der Versatz der filigranen Stege der Naht, zwischen welche die Nahtwurzel eingeschweißt wird, darf 75% der Steghöhe nicht überschreiten; der Luftspalt zwischen ihnen darf punktuell nur 0,5 bis 0,8 mm betragen.
-Die Schweißeigenschaften des Grundwerkstoffs entscheiden letztlich über die Anwendung des Eng-spalt-Verfahrens. Technische Finessen der Gerätetechnik wie automatische Mittenfindung, HF-freie Zündung, Nahtvorbereitung und optimierter Gasschutz erweitern die Anwendungsgrenzen. Geometrie und Spaltbreite der Schweißfuge richten sich nach den mechanischen Eigenschaften der zu verbindenden Werkstoffe. Besonderes Augenmerk gilt dabei dem Schrumpfverhalten der Naht.
Brennerposition und Verfahrensvariante determinieren die Produktivität
-Brennerposition und Verfahrensvariante – rotierend oder feststehend – entscheiden über die Dicke der einzelnen Schweißraupen und damit über die Produktivität. Bestimmte Legierungen gestatten ausschließlich das Schweißen von Fallnähten, andere nur das von Steignähten. Die Lösung: Schweißköpfe mit symmetrischen Drahtzuführungen vor und hinter dem Brenner zum Schweißen in beide Richtungen.
-Auch viele, vordergründig bedeutungslose Randbedingungen entscheiden, ob das Engspalt-Schweißen praktikabel und wirtschaftlich ist: Zugänglichkeit des Schweißbereichs, eindeutige Identifizierung von Grund- und Schweißzusatz-Werkstoffen, was wichtig für die Reproduzierbarkeit ist; außerdem müssen die Kosten für Vorbereitung und Schweißversuche zur Parameterermittlung wirtschaftlich vertretbar sein, und die ausführende Firma muss über erfahrene Fachleute und die notwendige Ausrüstung verfügen.
Produktivitätssteigerung durch Strichraupentechnik
Das WIG-Engspalt-Schweißen in Strichraupentechnik ermöglicht höchste Produktivitätssteigerungen und ist vergleichsweise einfach zu praktizieren. Allerdings erfordert die Ermittlung der notwendigen Schweißparameter einen relativ hohen Aufwand, denn es sind doch sehr komplexe Vorgänge – etwa Schrumpfung der Schweißnaht und Prozessführung – zu berücksichtigen. Lage für Lage wächst die 1,5 bis 2,5 mm dicke Schweißraupe in der 8 bis 10 mm breiten Fuge. Der beidseitige Flankeneinbrand ist sehr gut.
Das Schweißen von Wandstärken unter 40 mm erfordert keinen besonderen Engspalt-Brenner. Mit laminarem Maschinenbrenner und angepasstem Elektrodenüberstand – Stick out – wird die ausreichende Gasabdeckung des Schweißbads und damit der Schutz vor oxidierendem Luft-sauerstoff garantiert. Dazu hat Polysoude einen Maschinenbrenner entwickelt, der den Elektroden-Stick-Out motorisiert – das heißt, entsprechend der zu schweißenden Restwandstärke vorprogrammiert einstellt.
Mit zunehmenden Wandstärken spielt das Engspalt-Schweißen seine Vorzüge immer mehr aus. Das Herzstück dafür, der filigrane und doch so leistungsstarke Brenner, ist ein Meisterwerk hoher Konstrukteurskunst – lediglich 7 mm breit, dabei mechanisch äußerst robust und hitzebeständig. Das Nahtverfolgungs-System schützt zuverlässig vor Kollision mit den haarscharf vorbeigleitenden Fugenkanten.
Das WIG-Engspalt-Schweißen mit zwei Schweißlagen pro Umlauf in Strichraupentechnik ist eine Alternative zum Verfahren mit Einstrichraupe. Es verlängert zwar die Schweißzeit pro Lage um den Faktor 2 bis 3, hat jedoch in zwei Fällen spezifische Vorzüge. Sobald die Nahtvorbereitung oder die Positionierung die notwendigen engen Toleranzen – 0,1 bis 0,3 mm – für eine Strichraupe pro Lage überschreitet, ist sie das Mittel der Wahl. Gleiches gilt, wenn Eigenschaften eines empfindlichen Grundwerkstoffs begrenzte Schrumpfspannungen erfordern oder die notwendige Streckenenergie bei einer Raupe zum Aufschmelzen der Werkstückkanten zu hoch ist. Zudem gestattet das Fügen mittels zweier Schweißraupen den Einsatz erheblich breiterer, hitzebeständigerer Schweißbrenner mit höheren Standzeiten.
Schweißen mit gependelter Elektrode für große Dicken
Das WIG-Engspalt-Schweißen mit gependelter Elektrode ist ideal bei sehr großen Wandstärken von 150 bis 200 mm – insbesondere wenn für das Fügen mit einer Strichraupe pro Lage notwendige Randbedingungen wie Genauigkeit der Nahtvorbereitung, Beherrschung des Schrumpfprozesses, Konstruktion des Brenners nicht mit vertretbarem Aufwand erfüllt werden können. Die dazu benötigte Gerätetechnik wird allerdings sehr viel komplexer (motorisch erzeugte Pendelbewegung von Elektrode und Zusatzdraht, programmierbar, elektronisch gesteuert und überwacht) und schwerer und kann nur bei entsprechend groß ausgelegten Anlagen präzise positioniert werden.
Zu 100% durchgeschweißte Fügenähte im Kraftwerksbau
Verfahrens- und gerätetechnisch sind viele Kombinationen möglich. Zwischen WIG-Heißdraht- oder -Kaltdraht-Schweißen kann prinzipiell immer gewählt werden. Zu den Auswahlkriterien zählen neben der Anzahl der herzustellenden Schweißverbindungen rein technische Gesichtspunkte, wie etwa die bessere Kontrolle der eingebrachten Energie, um die mechanischen Eigenschaften des Schweißgutes zu optimieren.
Kraftwerksbauer in aller Welt, wie etwa Alstom, Metso, Foster Wheeler, Shanghai Boiler, Harbin Boiler, Doosan, Siemens und Ansaldo, bestätigen, dass kein anderes Lichtbogen-Schweißverfahren besser Produktivität mit Qualität kombiniert als das WIG-Heißdraht-Verfahren. Die Fügenähte sind zu 100% durchgeschweißt und röntgensicher, und sie erreichen höchste metallurgische wie mechanische Güte.
Jean-Pierre Barthoux ist Leiter der Abteilung Technologie der Polysoude SAS, Nantes/Frankreich. Dieter Schnee ist freier Fachjournalist in Frankfurt am Main.
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