Zerspanung im Sog der Mikrotechnik
Der Mikrosystemtechnik wird eine glänzende Zukunft vorausgesagt, denn winzige Bauteile und filigrane Funktions-oberflächen mit Mikro- oder gar Nanometer kleinen Strukturen sind zunehmend gefragt. Biotechniker beispielsweise wünschen sich Bauteile mit filigranen Fluidkanälen oder Mikropumpen auf Biochips. Die Automobilindustrie würde gerne die Einspritzdüsen von Benzin- und Dieselmotoren noch kleiner gestalten. Auch Hersteller von Sensoren sind dabei, die Miniaturisierung weiter voranzutreiben.
„Das Wachstum der Mikrotechnik wird trotz der prognostizierten konjunkturellen Abschwächung überdurchschnittlich bleiben und im Bereich von 20 bis 30% liegen“, konstatiert Dr. Thomas Weisener, Geschäftsführer der HNP Mikrosysteme GmbH in Parchim und Vorsitzender der Fachgruppe Micro Technology im VDMA.
Beim Bearbeiten von solchen Mikrobauteilen stoßen die mechanischen Fertigungsverfahren dann an ihre Grenzen, wenn sich aufgrund der filigranen Strukturen die Bearbeitungskräfte oder eine Gratbildung negativ auf die Funktion des Bauteils auswirken. Auch an der Teilegeometrie, beispielsweise tiefen Kavitäten, können mechanische Verfahren scheitern. Unter solchen Bedingungen spielen berührungslos abtragende bearbeitende Verfahren wie Erodieren, Lasern und – seit wenigen Jahren — das sogenannte elektrochemische Fräsen ihre Vorteile aus.
Eine Domäne der Erodiertechnik ist der Werkzeug- und Formenbau. „Dort gewinnt die Mikroerosion immer mehr an Bedeutung in Betrieben, die sich zunehmend auf Werkzeuge für hochpräzise Bauteile spezialisieren“, betont Werner Tischler, Vertriebsprofi der Sodick GmbH in Magstadt.
Mikrotechnik setzt auf Funkenerosion
„Die Mikrotechnik hat bereits eine relativ große Bedeutung für die Funkenerosion, nicht unbedingt in der Stückzahl der verkauften Maschinen, sondern in der Umsetzung der erarbeiteten Techniken in Bereichen wie dem Werkzeug- und Formenbau“, weiß Hans-Jürgen Pelzers, Gesamtvertriebsleiter Erodiersysteme der Mitsubishi Electric Europe B. V. in Ratingen.
Er weist darauf hin, dass die Mikroerosion schon sehr weit entwickelt ist. „Die Standard-Spezifikationen für Oberflächenrauheit und Konturgenauigkeit unserer Maschinen werden im Allgemeinen bei der Suche nach den Machbarkeitsgrenzen deutlich überschritten. So können mit unserem Drahterodiersystem PA 20, dessen Spezifikation Oberflächengüten von Ra
Für die Senkerosion gelten ähnliche Werte. Sie zu erreichen, bedürfe es allerdings des entsprechenden Umfeldes, der Erfahrung und nicht zuletzt der dazugehörigen Messmethoden.
Kleinstmöglicher Durchmesser beim Erodierbohren schwer zu bestimmen
Die beim Erodierbohren prozesssicher möglichen kleinsten Durchmesser zu bestimmen, ist nicht ganz so einfach, weil sehr viele Einflussfaktoren eine Rolle spielen. Pelzers nennt dennoch einen Wert: „Präzise Bohrungen mit einem Durchmesser von 0,07 mm für optische Anwendungen haben wir auf unseren Drahterodiersystemen bereits in Serien hergestellt.“ Dabei war eine große Hürde zu überwinden, erinnert sich Pelzers: „Ein Erodierdraht mit 0,03 mm Durchmesser musste automatisch in eine Startbohrung mit 0,05 mm Durchmesser eingefädelt werden.“
Entwicklungen hin zu kleineren Drahtdurchmessern seien in Erprobung und werden mit Sicherheit folgen. Wie weit die Erodiertechnik in die Mikrowelt vorgestoßen ist, verdeutlicht die Vorserienherstellung eines Mini-Kardangelenks mit äußeren Abmessungen von 270 µm.
Die Stärken der Funkenerosion in der Mikrobearbeitung liegen auch beim Bearbeiten großer Aspektverhältnisse, wie Andreas Klink, wissenschaftlicher Mitarbeiter am WZL der RWTH Aachen, weiß: „Diese sind mit anderen Verfahren meistens nicht realisierbar, das gilt besonders für die Bearbeitung hochfester Werkstoffe wie gehärtete Stähle, Keramiken oder Hartmetalle, allerdings holen Verfahren wie Zerspanen, LIGA (Lithographie, Galvanik und Abformung) und Laser derzeit stark auf.“
Entwicklung stagniert seit sechs bis acht Jahren
Angesprochen auf das Entwicklungspotenzial sagt Klink, dass sich bezüglich der Bauteilgröße und filigraner Strukturen in den vergangenen sechs bis acht Jahren kein deutlicher Sprung vorwärts getan hat: „Aktuelle Entwicklungen zielen eher auf die großflächige Mikrostrukturierung von Bauteilflächen durch Funkenerosion beziehungsweise das Abbilden mehrerer gleichartiger Geometrieelemente, die auf einem Elektrodenhalter aufgebracht sind“, betont Klink.
Die Kombination von UV-Tiefenlithographie und Galvanoabformung biete neue Möglichkeiten zur Herstellung von Mikroelektroden. In dem von der DFG geförderten Projekt „neue Werkzeugelektroden für die Mikrofunkenerosion“ entwickeln und untersuchen das WZL und das Institut für Mikrotechnik der Uni Hannover gemeinsam die Möglichkeiten und Grenzen dieser neuartigen Prozesskette.
Laser sind flexibel, hochpräzise und können alle Werkstoffe bearbeiten
„Die feinsten Strukturen mit Größen unter 100 nm können heutzutage mit Femtosekunden-Lasern, vorzugsweise in keramische Werkstoffe, einschließlich Halbleiter, und Glas, eingebracht werden“, rückt Dr. Andreas Voß, Leiter Laserentwicklung und Laseroptik des Instituts für Strahlwerkzeuge der Uni Stuttgart, die Vorzüge der Lasermikrobearbeitung ins rechte Licht. Die Laser seien flexibel, hochpräzise und könnten — mit angepassten Strahlquellen — alle Materialien bearbeiten. Das ist ein wesentlicher Vorteil gegenüber der Mikroerodiertechnik, dort müssen die Werkstoffe elektrisch leitfähig sein.
„In der Mikrobearbeitung kommen generell gepulste Festkörperlaser mit Pulsdauern im Nano-, Piko- und Femtosekundenbereich zum Einsatz“, erläutert Voß. So werden gütegeschaltete Laser mit Pulsdauern von 2 bis 200 ns und typischen Wiederholraten im Bereich von 1 bis 200 kHz bevorzugt für Prozesse verwendet, die eine hohe Produktivität erfordern. „Dies liegt nicht nur an der relativ einfachen, kostengünstigen und erprobten Technik der Laser“, weiß Voß, „sondern vor allem an der hohen erzielbaren Abtragtiefe von mehreren 10 µm pro Laserpuls.“ Nachteilig sei der recht hohe Schmelzeanteil, der die Präzision der Bearbeitung begrenze.
Pikosekundenlaser erzeugen hochpräzise Strukturen
Pikosekundenlaser kommen dann zum Einsatz, wenn höchste Präzision, feinste Strukturen und Laserbearbeitung ohne Nachbearbeitung gefordert werden. Allerdings bewegt sich die Abtragtiefe typischerweise im Bereich von rund 1 µm pro Puls.
Noch nicht sehr verbreitet im industriellen Einsatz sind Femtosekundenlaser, weil sie erst seit wenigen Jahren in geeigneter Form verfügbar und immer noch sehr teuer sind. Diese Laser können bei nichtmetallischen Werkstoffen wie Glas, Keramik, Halbleitern einen praktisch schmelzefreien, ultrapräzisen und extrem schädigungsarmen Abtrag erzielen.
Qualität beim Mikrolasern hängt stark vom Werkstoff ab
Welche Fertigungsqualität beim Mikrolasern erreicht wird, ist unter anderem vom Werkstoff, der Tiefe und Form der Kavität, der Abtragsleistung und der Laserquelle abhängig und kann deshalb nicht verallgemeinert werden. Eine mögliche Größenordnung beim Laserbohren, die allerdings nur bei einem bestimmten Werkstoff, nämlich Titan, und einer Dicke von 30 µm erreicht worden ist, nennt Robby Ebert, Projektleiter an der Hochschule Mittweida: „Wir haben schon Bohrungen mit einem Durchmesser von 27 ± 1 µm für einen Kunden hergestellt.“
Wenn es um die Herstellung kleinster Bohrungen, Nute oder Stege geht, haben die etablierten Mikrobearbeitungsverfahren mittlerweile einen Konkurrenten bekommen: das so genannte elektrochemische Fräsen. Dieses neue Fertigungsverfahren, im Jahr 2001 am Fritz-Haber-Institut der Max-Planck-Gesellschaft in Berlin entwickelt, hat den Schritt aus dem Labor in die industrielle Fertigung vollzogen. Im Herbst des vergangenen Jahres stellte die ECMTEC GmbH, Holzgerlingen, die serienreife elektrochemische Fräsmaschine Mikro vor.
„Die Vorteile des elektrochemischen Mikrofräsens liegen im werkzeugverschleißfreien, berührungslosen, gratfreien und thermisch stressfreien Abtrag grundsätzlich aller metallischen Werkstoffe“, erklärt Geschäftsführer Thomas Gmelin und schränkt gleich ein: „Allerdings benötigt nahezu jeder Werkstoff einen angepassten Elektrolyten.“ Die Maschine, sie arbeitet mit Werkzeugdurchmessern von 2 bis 500 µm bei einer Zustellgeschwindigkeit von etwa 1 µm/s, kann derzeit CrNi-Stähle, einige Werkzeugstähle sowie Reinmetalle wie Kupfer, Nickel, Gold und Wolfram bearbeiten.
Elektrochemisches Fräsen im Werkzeugbau
Auch für den Spritzgießwerkzeugbau ist dieses Verfahren interessant. „Dort werden Kavitäten mit Erodieren oder Fräsen vorbearbeitet“, so Gmelin, „und nur die Bereiche elektrochemisch gefräst, die wegen der erforderlichen Genauigkeit oder Strukturfeinheit nicht anders bearbeitet werden können.“
Als weiteren wichtigen Anwendungsfall nennt er die Bearbeitung von Bauelementen, bei denen eine thermische Belastung durch die Bearbeitung wegen drohender Gefügeveränderungen oder entstehender Spannungen zu einem verfrühten Verschleiß führen kann.
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