Aerogel – der Mikro-Baustoff der Zukunft

Um zu zeigen, dass sich feine Aerogel-Strukturen im 3D-Druck fertigen lassen, druckten die Forscher eine Lotusblüte aus Aerogel.

Empa

Aerogel ist ein hervorragender Wärmeisolator. Bislang wird es jedoch vor allem im Grossmassstab eingesetzt, etwa in der Umwelttechnik, bei physikalischen Experimenten oder in der industriellen Katalyse. Empa-Forschern ist es nun gelungen, Aerogele auch für die Mikroelektronik und im Bereich der Feinmechanik zugänglich zu machen: Ein Beitrag in der jüngsten Ausgabe der Fachzeitschrift «Nature» zeigt auf, wie 3D-gedruckte Teile aus Silica-Aerogel und Silica-Komposit-Werkstoffen mit hoher Präzision hergestellt werden können. Dies eröffnet zahlreiche neue Anwendungsmöglichkeiten in der Hightech-Industrie, etwa in Mikroelektronik, Robotik, Biotechnologie und Sensorik.

Hinter der schlichten Überschrift «Additive manufacturing of silica aerogels» – der Artikel erschien am 20. August in der renommierten Fachzeitschrift «Nature» – verbirgt sich eine bahnbrechende Entwicklung.

Silica-Aerogele sind leichte, poröse Schäume, die hervorragend thermisch isolieren. In der Praxis sind sie für ihr sprödes Verhalten bekannt, weshalb sie im Grossmassstab meist mit Fasern oder mit organischen bzw. Biopolymeren verstärkt werden. Aufgrund des spröden Bruchverhaltens ist es auch nicht möglich, kleine Stücke aus einem Aerogel-Block herauszusägen oder zu -fräsen.

Auch das Erstarren von Aerogelen in miniaturisierten Gussformen gelingt nicht zuverlässig – was zu hohen Ausschussraten führt. Im Kleinmassstab waren Aerogele daher bislang kaum einsetzbar.

Stabile, wohlgeformte Mikrostrukturen

Dem Empa-Team um Shanyu Zhao, Gilberto Siqueira, Wim Malfait und Matthias Koebel ist es nun gelungen, mit Hilfe eines 3D-Druckers stabile, wohlgeformte Mikrostrukturen aus Silica-Aerogel herzustellen. Die gedruckten Strukturen können bis zu einem zehntel Millimeter dünn sein.

Die Wärmeleitfähigkeit des Silica-Aerogels liegt bei knapp 16 mW/(m*K) – sie ist damit nur halb so gross wie diejenige von Polystyrol und sogar deutlich kleiner als diejenige einer unbewegten Luftschicht mit 26 mW/(m*K).

Gleichzeitig weist das neuartige, 3D-gedruckte Silica-Aerogel erst noch bessere mechanische Eigenschaften auf und lässt sich sogar bohren und fräsen. Dadurch ergeben sich vollkommen neue Möglichkeiten zur Nachbearbeitung von 3D-gedruckten Aerogel-Formteilen.

Mit der inzwischen zum Patent angemeldeten Methode ist es möglich, die Fliess- und Erstarrungseigenschaften der silikatischen Tinte, aus dem später das Aerogel entsteht, exakt einzustellen, sodass sowohl selbsttragende Strukturen als auch hauchdünne Membranen gedruckt werden können. Als Beispiel für überhängende Strukturen druckten die Forscher Blätter und Blüten einer Lotusblume.

Das Versuchsobjekt schwimmt aufgrund der hydrophoben Eigenschaften und geringen Dichte des Silica-Aerogels auf der Wasseroberfläche – genau wie sein natürliches Vorbild. Auch der Druck von komplexen 3D-Multimaterial-Mikrostrukturen ist durch die neue Technologie nun erstmals möglich.

Isolationsmaterialien für Mikrotechnik und Medizin

Mit solchen Strukturen ist es nun vergleichsweise trivial, auch kleinste elektronische Bauteile voneinander thermisch zu isolieren. Die Forscher konnten bereits die thermische Abschirmung eines temperaturempfindlichen Bauteils sowie das thermischen Management eines lokalen «Hot Spots» auf eindrückliche Art demonstrieren. Eine weitere mögliche Anwendung ist die Abschirmung von Wärmequellen im Inneren medizinischer Implantate, die zum Schutz des Körpergewebes eine Oberflächentemperatur von 37 Grad nicht übersteigen sollten.

Eine funktionelle Membran aus Aerogel

Durch den 3D-Druck lassen sich Multischicht-Multimaterial-Kombinationen deutlich zuverlässiger und reproduzierbarer fertigen. Neuartige Feinstrukturen aus Aerogel werden machbar und eröffnen neue technische Lösungen, wie ein zweites Anwendungsbeispiel zeigt: Die Forscher konstruierten mittels einer ausgedruckten Aerogel-Membran eine «thermomolekulare» Gaspumpe.

Diese Permeationspumpe kommt ganz ohne bewegliche Teile aus und wird in der Fachsprache auch als Knudsen-Pumpe bezeichnet, benannt nach dem dänischen Physiker Martin Knudsen. Das Wirkungsprinzip beruht auf dem eingeschränkten Gastransport in einem Netzwerk von nanoskaligen Poren oder eindimensionalen Kanälen, deren Wände an einem Ende heiss und am anderen Ende kalt sind.

Das Team fertigte eine solche Pumpe aus Aerogel, dass an einer Seite mit schwarzen Manganoxid-Nanopartikeln dotiert wurde. Stellt man diese Pumpe ins Licht, dann wird sie an der dunkel eingefärbten Seite warm und beginnt Gase oder Lösungsmitteldämpfe von der kalten zur warmen Seite zu pumpen.

Abluftreinigung ohne bewegliche Teile

Diese Anwendungen zeigen die Möglichkeiten des 3D-Drucks auf eindrückliche Weise: Das Hochleistungsmaterial Aerogel wird durch den 3D-Druck zu einem Baumaterial für funktionelle Membranen, die sich rasch für verschiedenste Anwendungen modifizieren lassen.

Die lediglich durch Sonnenlicht angetriebene Knudsen-Pumpe kann nämlich mehr als nur pumpen: Ist die Luft mit einer Verunreinigung oder einem Umweltgift wie dem Lösemittel Toluol belastet, so kann die Luft mehrmals durch die Membran zirkulieren; der Schadstoff wird dabei durch eine an den Manganoxid-Nanopartikeln katalysierte Reaktion chemisch abgebaut. Derartige sonnengetriebene, autokatalytische Lösungsansätze bestechen in der Luftanalytik und -reinigung im Kleinstmasstab aufgrund ihrer Einfachheit und Langlebigkeit.

Inzwischen suchen die Empa-Forscher bereits nach Industriepartnern, die 3D-gedruckte Aerogel-Strukturen in neue Hightech-Anwendungen integrieren wollen.

Wissenschaftliche Ansprechpartner:

Dr. Wim Malfait
Building Energy Materials and Components
Tel. +41 58 765 4983
wim.malfait@empa.ch

Dr. Matthias Koebel
Building Energy Materials and Components
Tel. +41 58 765 4780
matthias.koebel@empa.ch

Redaktion / Medienkontakt

Rainer Klose
Komunikation
Tel +41 58 765 4733
redaktion@empa.ch

Originalpublikation:

S Zhao, G Siqueira, S Drdova, D Norris, C Ubert, A Bonnin, S Galmarini, M Ganobjak, Z Pan, S Brunner, G Nyström, J Wang, MM Koebel, WJ Malfait; Additive manufacturing of silica aerogels; Nature (2020), DOI: 10.1038/s41586-020-2594-0.

Weitere Informationen:

https://www.empa.ch/web/s604/aerogel-als-mikrobaustoff
https://www.youtube.com/watch?v=Yl8yz28xQbw&feature=push-u-sub&attr_tag=…

Media Contact

Rainer Klose Kommunikation
Empa - Eidgenössische Materialprüfungs- und Forschungsanstalt

Alle Nachrichten aus der Kategorie: Materialwissenschaften

Die Materialwissenschaft bezeichnet eine Wissenschaft, die sich mit der Erforschung – d. h. der Entwicklung, der Herstellung und Verarbeitung – von Materialien und Werkstoffen beschäftigt. Biologische oder medizinische Facetten gewinnen in der modernen Ausrichtung zunehmend an Gewicht.

Der innovations report bietet Ihnen hierzu interessante Artikel über die Materialentwicklung und deren Anwendungen, sowie über die Struktur und Eigenschaften neuer Werkstoffe.

Zurück zur Startseite

Kommentare (0)

Schreiben Sie einen Kommentar

Neueste Beiträge

Selen-Proteine …

Neuer Ansatzpunkt für die Krebsforschung. Eine aktuelle Studie der Uni Würzburg zeigt, wie ein wichtiges Enzym in unserem Körper bei der Produktion von Selen-Proteinen unterstützt – für die Behandlung von…

Pendler-Bike der Zukunft

– h_da präsentiert fahrbereiten Prototyp des „Darmstadt Vehicle“. Das „Darmstadt Vehicle“, kurz DaVe, ist ein neuartiges Allwetter-Fahrzeug für Pendelnde. Es ist als schnelle und komfortable Alternative zum Auto gedacht, soll…

Neuartige Methode zur Tumorbekämpfung

Carl-Zeiss-Stiftung fördert Projekt der Hochschule Aalen mit einer Million Euro. Die bisherige Krebstherapie effizienter gestalten bei deutlicher Reduzierung der Nebenwirkungen auf gesundes Gewebe – dies ist das Ziel eines Projekts…