Aufgewärmt am Start
Verbrennungsmotoren stehen zurzeit immer wieder in der Kritik. Zuerst waren es russende Diesel, denen man dann allerdings mit Partikelfiltern «helfen» konnte. Danach rückten, wiederum beim Diesel, schädliche Stickoxide in den Brennpunkt, die man mit komplizierten Abgasnachbehandlungssystemen (vermeintlich) in den Griff bekam – oder eben auch nicht, wie der Dieselskandal zeigte.
Was in der Diesel-Debatte oft übersehen wird: Auch Benzinmotoren tragen zur Feinstaubbelastung in den Städten bei. Besonders dort, wo viele Motoren kalt gestartet werden. Rund 90 Prozent aller Schadstoffe entstehen in der ersten Minute nach dem Kaltstart eines modernen Benzinmotors.
Anders ausgedrückt: Die ersten 500 Meter Fahrt belasten die Luft genauso stark wie die nächsten 5‘000 Kilometer, falls man nonstop so weit fahren würde. Um die Luftqualität weiter zu verbessern, sind also Auto-Katalysatoren erforderlich, die möglichst schnell warm werden – oder, noch besser, bereits bei der ersten Motorumdrehung nach dem Anlassen das Abgas effizient reinigen.
Potis Dimopoulos Eggenschwiler, Spezialist für Abgasnachbehandlung im Motorenlabor der Empa, forscht seit knapp zwei Jahren mit Unterstützung des Schweizerischen Nationalfonds (SNF) und des Bundesamts für Umwelt (BAFU) an einer Lösung für das Kaltstartproblem, das die Luft vor allem in Städten und bei kalten Aussentemperaturen stark belastet.
Und die hohen Kaltstartemissionen betreffen nicht nur Millionen von Benzinern, sondern auch Hybridmodelle. Diese schalten im Stadt- bzw. Kurzstreckenverkehr immer wieder auf den Elektromotor um; in diesen Phasen kühlen der Verbrennungsmotor und vor allem der Kat wieder ab, und zwar zum Teil unter die optimale Betriebstemperatur. Schaltet die Regeltechnik dann wieder auf den Benziner um, strömen erneut schadstoffhaltige Abgase durch den (ausgekühlten) Kat, fast wie nach einem Kaltstart.
Damit der Kat von der Stromversorgung des Autos mit möglichst wenig Energie auf 300 Grad Celsius aufgeheizt werden kann, noch bevor der Motor anspringt, muss er klein sein und Wärme möglichst gut leiten.
Dimopoulos Eggenschwiler hat mit seinem Team eine offenporige Struktur mit einer Spezialbeschichtung entwickelt, die von einem kleinen Mikrowellensender innert zehn Sekunden aufgeheizt werden kann – ähnlich wie beim Mikrowellenherd zu Hause.
Bereits im Jahr 2012 hat der Empa-Forscher einen besonders effizienten Katalysator entwickelt – einen Keramik-Abguss eines Polyurethanschaums, der die Abgase besser verwirbelt und weniger Gegendruck erzeugt als ein Katalysator mit herkömmlicher, wabenförmiger Struktur.
Keramik aus dem 3D-Drucker
Aus dem «Schaum-Kat» entstand nun die nächste Idee: eine geometrische Gitterstruktur aus dünnen Keramikstreben, die mit einer geringeren Edelmetall-Beschichtung auskommt, das darin verwirbelte Abgas aber trotzdem effizient reinigt. «Zunächst haben wir am Computer nach einer optimalen Struktur gesucht», so Dimopoulos Eggenschwiler. «Eine Struktur, die sich schnell aufheizt, chemische Reaktionen beschleunigt und dabei die Durchströmung so wenig wie möglich behindert.»
Dann galt es, die Struktur in Keramik nachzubauen. Spezialisten an der «Scuola universitaria professionale della Svizzera italiana» (SUPSI) in Lugano fertigten das am Computer entworfene Gitter mittels Stereolithographie, eine Art 3D-Druck aus Flüssigkeiten und UV-Licht. Die Empa-Forscher beschichteten die Keramik danach mit Siliziumkarbid, Zirkoniumoxid und Aluminiumoxid – und den aktiven Katalysatorsubstanzen Platin, Rhodium und Palladium. Die Tessiner Firma EngiCer SA übernimmt die Fertigung der ersten Kleinserien und ist in der Lage, bei grösserem Bedarf ihre Kapazitäten auszuweiten. Mit dabei ist auch der Schweizer Katalysatorhersteller HUG Engineering AG.
Die Erwartungen erfüllt
Der wahrscheinlich weltweit erste Abgaskatalysator aus dem 3D-Drucker erfüllte im Praxis-Test sämtliche Erwartungen: Im künstlich erzeugten Abgasstrom des Empa-Modellgasreaktors reinigte die neue Polyeder-Geometrie die Schadstoffe sogar noch besser als der Schaum-Kat aus dem Jahr 2012.
Nachdem erste Laborversuche mit kleinen Modell-Kats erfolgreich verlaufen sind ist nun ein Nachfolgeprojekt in Vorbereitung: Ein 3D-Kat in Originalgrösse wird in ein Prototypenfahrzeug eingebaut und dann auf dem Prüfstand und auf der Strasse erprobt.
Im nächsten Schritt soll die Mikrowellenheizung integriert werden. «Wichtig ist, dass wir nicht die ganze Keramikstruktur aufheizen», erklärt Dimopoulos Eggenschwiler. «Wir wollen die mit wertvollem Batteriestrom erzeugten Mikrowellen nur auf den ersten Teil des Katalysators konzentrieren. Laufen die ersten chemischen Reaktionen ab, wärmt sich der übrige Katalysator sehr schnell auf.»
Ein bis zwei Kilowatt Leistung für zehn bis 20 Sekunden könnten aus der Autobatterie leicht abgezweigt werden, sagt der Abgasspezialist. «Das müsste reichen.» Sobald der Motor läuft, liefert das Abgas und die chemischen Reaktionen im Katalysator selbst genügend Hitze, um diesen warm zu halten. Dann kann die Mikrowelle abgeschaltet werden. Kaltstartemissionen könnten somit bald Geschichte sein.
Kasten: Partikel zum Frühstück
Für die Feinstaubbelastung in Innenstädten sind nicht nur Dieselfahrzeuge ohne Filter verantwortlich. Auch Benziner tragen dazu bei – und zwar vor allem dann, wenn sie mit kaltem Motor vom Parkplatz oder aus der Tiefgarage starten. Ein Forscherteam um André Prévôt vom Paul Scherrer Institut (PSI) konnte in einer so genannten Smog-Kammer nachweisen, wie diese Feinstaubpartikel entstehen. Die Forscher sammelten die Abgase der Testfahrzeuge in einer zwölf Kubikmeter grossen, aufblasbaren Kammer, deren Wände aus transparenter Teflon-Folie bestehen. Darin werden die Autoabgase mit angefeuchteter Luft und einigen typischen Spurengasen vermischt und mehrere Stunden lang mit UV-Lampen bestrahlt, um einen sonnigen Tag zu simulieren. Aus dem «frischen» Auspuffgas, , wird nun etwas völlig anderes: Es entstehen Salzpartikel wie Ammoniumnitrat. Unverbrannte Kohlenwasserstoffe oxidieren in der Umgebungsluft, oder kondensieren auf in der Luft getragene Partikel. So entstehen neue Partikel, sogenannter «sekundärer» Feinstaub, deren Wirkung und Eigenschaften von den Forschern in Abhängigkeit der klimatischen Verhältnisse untersucht werden. An manchen Tagen können bis zu 90 Prozent der Feinstaubbelastung auf diese Weise entstehen.
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