Kunststoffe mit Erinnerungsvermögen


Selbstreparierende Kotflügel und intelligente Implantate –
Formgedächtnispolymere als Materialien der Zukunft

Es hat gerumst, der Kotflügel ist eingedellt. Ein neuer ist fällig. Wäre es nicht schön, die Delle könnte – schwupps – einfach wieder verschwinden? Derartige „intelligente“ Materialien sind bereits in der Entwicklung, wie Andreas Lendlein und Steffen Kelch in einem Übersichtsartikel in der Angewandten Chemie erklären.
Formgedächtnispolymere, so heißt das Zauberwort: Nach einer unerwünschten Deformation, wie der Delle im Kotflügel, „erinnern“ sich diese Kunststoffe an ihre ursprüngliche Form. Erwärmen hilft ihrem „Gedächtnis“ dabei auf die Sprünge – die Delle könnte einfach weggefönt werden.
Kunststoffe mit Formgedächtnis besitzen nämlich eine sichtbare, aktuelle und eine gespeicherte, permanente Gestalt. Nachdem diese mit konventionellen Verarbeitungsverfahren hergestellt wurde, wird dem Material durch geschicktes Erwärmen, Verformen und anschließendes Abkühlen eine zweite, temporäre Form aufgeprägt. Diese behält der Kunststoff so lange, bis die permanente Form durch einen vordefinierten äußeren Reiz wieder abgerufen wird. Das Geheimnis der schlauen Kunststoffe ist ihre mit aufschmelzbaren Schaltsegmenten versehene molekulare Netzwerkstruktur. Durch eine Temperaturerhöhung kann die „Umschaltung“ aktiviert werden: Die auskristallisierten Schaltsegmente schmelzen auf, und das Material nimmt seine ursprüngliche Gestalt wieder ein.
Bei dem Kotflügel hat man es zunächst nur mit einer Form zu tun: der unbeschädigten Ursprungsform. Durch den Aufprall entsteht eine temporäre Form, die sich durch Erwärmen wieder in die Ursprungsform zurückverwandelt – der Kunststoff hat sich selbst repariert.
Besonders interessante Anwendungen versprechen sich die beiden Forscher von bioverträglichen Formgedächtnispolymeren. Sie kommen wie gerufen für die Knopfloch-Chirurgie, die schonende Operationstechnik der Zukunft. Denkbar sind großvolumige Implantate, die in komprimiertem Zustand minimal invasiv in den Körper eingeführt werden und sich im folgenden an ihre Ursprungsform erinnern. Die Materialien lassen sich zudem vollständig bioabbaubar gestalten, verschwinden also über kurz oder lang aus dem Körper des Patienten.

Angew. Chem. 2002, 114 (12), 2138 – 2162

Kontakt: Dr. A. Lendlein
Institut für Technische und Makromolekulare Chemie
RWTH Aachen und
Deutsches Wollforschungsinstitut an der RWTH Aachen e.V.
Veltmannplatz 8
D-52062 Aachen
Deutschland

Fax: (+49) 241-4469-100

E-Mail: lendlein@dwi.rwth-aachen.de

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Dr. Kurt Begitt idw

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Die Materialwissenschaft bezeichnet eine Wissenschaft, die sich mit der Erforschung – d. h. der Entwicklung, der Herstellung und Verarbeitung – von Materialien und Werkstoffen beschäftigt. Biologische oder medizinische Facetten gewinnen in der modernen Ausrichtung zunehmend an Gewicht.

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