Schwierige Zukunft für Krümmer aus Grauguss


Jenaer Werkstoff-Experte prophezeit das Ende herkömmlicher Auspuffrohre

Jena (05.07.00) „Wenn die neue EU-Abgasnorm für alle Neufahrzeuge – oder gar eine noch schärfere Norm – in Kraft tritt, hat Grauguss als Material für Auspuffkrümmer von Otto-Motoren ausgedient“, prophezeit Prof. Dr. Uwe Glatzel. Der Werkstoffwissenschaftler von der Friedrich-Schiller-Universität Jena hat gemeinsam mit der Adam Opel AG, Rüsselsheim, in rund zweijährigen Forschungsarbeiten die Materialqualität herkömmlicher Auspuffkrümmer untersucht. „Die Möglichkeiten der traditionellen Graugusskrümmertechnologie sind ausgeschöpft“, lautet ein Fazit von Glatzels Forschungen. Darüber ist er sich mit der Kraftfahrzeug- und Zuliefer-Industrie einig.

Ab nächstem Jahr soll die Abgasnorm E3 der Europäischen Union (EU), die bereits seit Jahresbeginn für neue Fahrzeugmodelle gilt, für alle neu zugelassenen Kraftfahrzeuge verpflichtend sein. Sie stellt bedeutend höhere Ansprüche an die Schadstoffemission. Um die geforderten niedrigen Abgaswerte zu erhalten, muss der Katalysator näher an den Motor rücken, denn nur so erreicht er frühzeitig seine Betriebstemperatur. Aber, so platziert, sorgt er auch für einen Anstieg des Abgasdrucks und damit für eine längere Verweildauer der heißen Abgase im Krümmerbreich – das Gussmaterial heizt sich stärker auf. Beim Abkühlen bilden sich Spannungszustände, die bei ungünstigen Bedingungen zum Riss und so zu einer Bauteilundichtigkeit führen können.

Grauguss ist ein preiswertes Material, und sein Graphitanteil dämpft Schwingungen sehr gut. Allerdings kann dessen Kohlenstoff Ketten bilden, die die Nahtlinien zukünftiger Brüche sind, wie die Jenaer Wissenschaftler nachgewiesen haben. Hauptnachteil von Grauguss ist aber vor allem, dass er ab etwa 700 °C verhältnismäßig weich wird und dadurch externe Belastungen nur noch auf Grund der recht hohen Wandstärken ertragen kann.

Exakte Daten zu diesem Vorgang haben Prof. Glatzel und sein Mitarbeiter Dipl.-Ing. Henrik Banse während des Forschungsprojektes durch Werkstoffprüfungen und Materialuntersuchungen gesammelt. Dabei konnten sie, ergänzt durch Simulationen des Motorzyklus’, am konkreten Objekt nachweisen, dass der Krümmer sich durch die Erhitzung um 2 % bis 4 % ausdehnt. Mit den in Jena ermittelten Werkstoffdaten haben die Ingenieure der Adam Opel AG ein gutes Werkzeug zur präzisieren Lokalisation der kritischen Stellen im Krümmer, an denen die schädlichen Spannungen und schließlich erste Risse auftreten können.

„Die Spannungen im Krümmer sind während der Fahrt relativ gering“, bemerkt Prof. Glatzel. In den rund zwanzig Minuten nach dem Abstellen des Motors entstehen jedoch „enorme Wärmespannungen, die zu Mikrorissen führen“. Solche Dehnungen, die vom heißen Material relativ problemlos absorbiert werden können, führen beim erkaltenden Krümmer viel schneller zu Brüchen. „Das Abkühlen unter Last schädigt den Werkstoff extrem“, bestätigt Glatzel. Sein Team konnte erstmals nachweisen, dass die Dehnungen beim Abkühlen im Bereich von etwa 1,2 % liegen. Sie werden um so stärker, je heißer das Material ist und je mehr die beim Abkühlen entstehenden Bewegungen behindert werden. Abkühlender Grauguss kann so große bleibende Deformationen kaum aufnehmen.

Diese Erkenntnis kommt die Industrie auf Grund des Veränderungszwanges durch die EU-Abgasnorm teuer. Es gibt zwar Materialien, wie Werkstoffe auf Nickel-Basis, die den neuen Ansprüchen gerecht würden. Diese sind der Auto-Industrie aber auf Grund kostspieliger Nachbearbeitung und zu erwartender hoher Ausschussanteile beim Gießen für den Großserieneinsatz im Mittel- und Kompaktwagensegment zu teuer. Sie setzt deshalb auf neue konstruktive Lösungen. Daher bereitet Prof. Glatzel gerade ein neues Forschungsprojekt vor, in dem mehrlagige Krümmer in Rohr- oder Schalenbauweise aus verschiedenen Materialien untersucht werden sollen. Dazu hofft er nicht nur auf weitere Partner aus der Industrie. Glatzel sucht auch neue Mitarbeiter, denn „sowohl die Doktoranden als auch die Studenten haben nach Abschluss ihres Studiums keine Probleme, eine Anstellung in der Industrie zu finden“, sagt der Jenaer Professor für Metallische Werkstoffe.

Ansprechpartner:
Prof. Dr.-Ing. Uwe Glatzel
Technisches Institut der Universität Jena
Löbdergraben 32
07743 Jena
Tel.: 03641/947790
Fax: 03641/947792
E-Mail: uwe.glatzel@uni-jena.de

Friedrich-Schiller-Universität
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Axel Burchardt M. A.
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