Nie wieder putzen
Darauf haben Hausfrauen und Hausmänner schon lange gewartet: Fliesen und Badezimmerarmaturen, Badewannen, Waschbecken, Böden und Töpfe, auf denen weder klebrige Kinderhände noch Wasserspritzer oder Bratfett Spuren hinterlassen und die jahrein, jahraus blitzen wie in der Fernsehwerbung.
Jetzt ist der Traum von den sich selbst reinigenden Oberflächen, auf dem Weg in die Realität: Die Forscher vom Fraunhofer-Institut für Silicatforschung ISC haben ein Edelstahlwaschbecken mit einer Schicht überzogen, die verhindert, dass Fingerabdrücke und Wassertropfen Spuren hinterlassen. Und am Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung IPA wurden verchromte Badezimmerarmaturen mit Antihaftschichten versehen.
Eine solche Schmutz abweisende Beschichtung hochglänzender Metalle wäre bis vor wenigen Jahren undenkbar gewesen: Mit dem »Lotuseffekt«, einer noppenartigen Strukturierung, konnten Oberflächen zwar antiadhäsiv – also nicht haftend – gemacht werden, doch dabei ging der Glanz verloren.
Die »Sol-Gel-Technik« hat diesen Nachteil nicht. Die Polymere, die in einem mehrstufigen Prozess aufgebracht und ausgehärtet werden, bilden eine glatte Schicht, der Glanz von Edelstahl oder Chrom bleibt erhalten.
Mit den am Fraunhofer-Institut für Silicatforschung ISC entwickelten ORMOCER®en lassen sich beispielsweise Edelstahloberflächen schmutzabweisend machen. Die Beschichtung hat eine niedrige Oberflächenenergie, ist daher antiadhäsiv und leicht zu reinigen. Für die Kuhfuss Sanitär GmbH entwickelten die Würzburger Forscher eine Anti-Finger-Print-Beschichtung. Auf diesen Oberflächen lagert sich zum einen kein Fett ab. Zum anderen sieht man leichte Verschmutzungen gar nicht. Das neu entwickelte Verfahren zur ORMOCER®-Beschichtung will die Kuhfuss Sanitär GmbH demnächst auch in der Serienproduktion einsetzen.
Durch einen Trick gelang es den Forschern am IPA sogar Chrom zu beschichten. Chrom war bisher der Schrecken der Galvanotechniker, weil sich an der Oberfläche des Chroms eine Oxidschicht ausbildet. Diese Oxidschicht erschwert jedoch die Haftung von Beschichtungen. »Als die Hansa-Metallwerke AG an uns herantrat, mit der Bitte, eine Methode zur Beschichtung verchromter Armaturen zu entwickeln, war das eine echte Herausforderung«,, so Dr. Siegfried Berg, Projektleiter am IPA. Die Zutaten für die Sol-Gel-Beschichtung lieferte die FEW-Chemicals GmbH in Wolfen. »Das Problem war die Prozessentwicklung: Die Beschichtung haftete erst, als es uns gelang, die oberflächliche Chromoxidschicht durch alkalische Lösungen zu entfernen«, so Berg.
Mittlerweile testen die Forscher den Prozess an Kleinserien: Im IPA-Labor durchlaufen die Mischbatterien drei Stationen, in denen sie vorbehandelt, mit Sol beschichtet, getrocknet und gehärtet werden. Beim Härten verbinden sich die fein verteilten Solteilchen zu einem stabilen Polymergel. Die Ingenieure der Hansa-Metallwerke AG prüfen die beschichteten Armaturen jetzt in einem Feldversuch. Erfüllen die Ergebnisse die Erwartungen, soll die Sol-Gel-Technik bald in der Serienproduktion eingesetzt werden. »Die bisherigen Resultate sind Erfolg versprechend«, resümiert Berg. »Wenn es gelänge, schmutzabweisende, glänzende Chromarmaturen auf den Markt zu bringen, wäre das ein echter Durchbruch.«
Die Zahl der möglichen Anwendungen für antiadhäsive Sol-Gel-Schichten sind unbegrenzt: Denkbar sind schmutzabweisende Bodenfliesen, Arbeitsplatten, Badewannen, Waschbecken, Duschkabinen und Autos. »Grundsätzlich lassen sich alle Materialien mit den Hybridpolymeren beschichten, die die zum Aushärten notwendige Temperatur aushalten«, so Dr. Johanna Kron, Projektleiterin am ISC.
Trotz aller Begeisterung warnen die Forscher vor allzu hoch gesteckten Erwartungen: Ganz ohne Putzen wird das Haus auch in Zukunft nicht sauber werden, denn selbst antiadhäsive Oberflächen reinigen sich nicht von selbst. Ohne Putzlappen werden Hausfrau und Hausmann also auch weiterhin nicht auskommen. Schrubber und Scheuerpulver jedoch können dank der neuen Beschichtungstechniken vielleicht eines Tages zu den historischen Haushaltswerkzeugen zählen.
Media Contact
Alle Nachrichten aus der Kategorie: Materialwissenschaften
Die Materialwissenschaft bezeichnet eine Wissenschaft, die sich mit der Erforschung – d. h. der Entwicklung, der Herstellung und Verarbeitung – von Materialien und Werkstoffen beschäftigt. Biologische oder medizinische Facetten gewinnen in der modernen Ausrichtung zunehmend an Gewicht.
Der innovations report bietet Ihnen hierzu interessante Artikel über die Materialentwicklung und deren Anwendungen, sowie über die Struktur und Eigenschaften neuer Werkstoffe.
Neueste Beiträge
Sensoren für „Ladezustand“ biologischer Zellen
Ein Team um den Pflanzenbiotechnologen Prof. Dr. Markus Schwarzländer von der Universität Münster und den Biochemiker Prof. Dr. Bruce Morgan von der Universität des Saarlandes hat Biosensoren entwickelt, mit denen…
Organoide, Innovation und Hoffnung
Transformation der Therapie von Bauchspeicheldrüsenkrebs. Bauchspeicheldrüsenkrebs (Pankreaskarzinom) bleibt eine der schwierigsten Krebsarten, die es zu behandeln gilt, was weltweite Bemühungen zur Erforschung neuer therapeutischer Ansätze anspornt. Eine solche bahnbrechende Initiative…
Leuchtende Zellkerne geben Schlüsselgene preis
Bonner Forscher zeigen, wie Gene, die für Krankheiten relevant sind, leichter identifiziert werden können. Die Identifizierung von Genen, die an der Entstehung von Krankheiten beteiligt sind, ist eine der großen…